Das neue Kulturförderungsgesetz ist massgeschneidert für das Bündner Kulturschaffen:
Es berücksichtigt die Eigenheiten unseres Kulturschaffens, indem es Schwerpunkte
setzt. Mit gezielten Förderungsmassnahmen sollen zudem Schwächen der bisherigen
Kulturförderung behoben werden. - Der Grosse Rat verabschiedete dieses Gesetz
einstimmig (102 zu 0) und betonte damit auch die Notwendigkeit der Kulturförderung.
Das Verständnis von Kultur, das diesem Gesetz zugrunde liegt, ist sehr offen und umfassend. Es
beinhaltet ebenso die Bereiche der Künste, von den klassischen bis hin zur Videokunst, die
Laien- und Volkskultur, die Erhaltung und Förderung der Sprachlandschaft, die Erforschung des
Kultur- und Lebensraums, aber auch die Jugendkultur.
Wer alles fördert, fördert nichts recht. - Diese gegen das Giesskannenprinzip gerichtete Kritik muss
selbstverständlich ernst genommen werden. Denn obwohl das neue Gesetz Mehraufwendungen
von 2.5 Mio. Franken für die Sprach- und Kulturförderung vorsieht, müssen die Mittel sehr überlegt
eingesetzt werden.
Das neue Kulturförderungsgesetz versucht diesen unterschiedlichen Interessen gerecht zu
werden, indem eine gezielte Schwerpunktförderung, gleichzeitig aber eine offene Projektförderung
angestrebt wird. Beides setzt dasselbe voraus: ein massgeschneidertes Förderungsgesetz.
Die Förderungsschwerpunkte .....
- Kultur und Sprachen sollen erhalten werden. Vor allem die Sprachlandschaft Graubünden mit
ihren drei Sprachen und vielfältigen Idiomen und Dialekten verdient eine sorgsame Pflege.
- Mit Beiträgen an die bedeutenden kulturellen Institutionen soll das Rückgrat der Bündner Kultur
gestärkt werden.
- Die Sing- und Musikschulen leisten Basisarbeit im Kultur- und Jugendbereich, die eine
entsprechende Unterstützung verdient.
- Mit Wettbewerben und freien Stipendien können dem professionellen Kulturschaffen Anreize
geboten werden.
- Die Eigeninitiativen des Laien- und Volkskulturschaffens sollen mit Beiträgen an die
Dachverbände und an Fachkurse gefördert werden.
- Um ein interessiertes Publikum anzuziehen, erhalten Bibliotheken Zuschüsse an die Erneuerung
ihrer Bestände.
- Die Unterstützung der Jugendkultur soll den Jugendlichen erlauben, ihre eigene Kultur zu leben.
- Spezifische Schwachpunkte sollen mit Schwerpunktprogrammen behoben werden.
- Die Kulturforschung verdient verstärkte Unterstützung, gerade in einem kulturell und sprachlich
derart vielfältigen Kanton.
...... und die offene Projektförderung
Umfassend soll nicht nur das Verständnis von Kultur sein, sondern auch die Projektförderung.
Dabei kann auf die bewährte Praxis der Kulturförderungskommission zurückgegriffen werden. Diese
aus sieben Vertreterinnen und Vertretern der unterschiedlichsten kulturellen Bereiche
zusammengesetzte Kommission selektioniert nicht durch ein einengendes Kulturverständnis, setzt
aber klare qualitative Massstäbe.
Traditionelles bewahren - Neues aufnehmen
Kultur erlaubt dem Menschen, seine Lage besser zu begreifen, weil sie sein Verhältnis gegenüber
der Welt, der Gesellschaft und dem heimatlichen Erbgut aufzeigt, so fasst der Europarat die
kulturellen Leistungen zusammen. Etwas einfacher ausgedrückt: Kultur entwirft ein Spiegelbild
unserer Gesellschaft, zeigt uns in unserer Eigenart. Je unterschiedlichere kulturelle Bereiche und
Strömungen aufgenommen werden, desto vielfältiger wird dieses Bild. Traditionelles
Kulturschaffen und neue Strömungen, Volkskultur und Avantgarde bilden also nicht Gegensätze,
die einander ausschliessen, sondern unterschiedliche Umgangsweisen, die zusammen ein
vielseitiges und interessantes Bild ergeben.
Nicht Volkskultur gegen professionelles Schaffen,
sondern Volkskultur und professionelles Schaffen
Die kulturelle Vielfalt unseres Kantons ist eindrücklich, bildet zugleich aber auch eine
Verpflichtung. Allein schon die Mehrsprachigkeit, die in unseren Dialekten und Idiomen einen
beeindruckenden kulturellen Reichtum darstellt, weist auf eine nuancenreiche Volkskultur hin.
Volkskultur meint diejenige Kultur, die sich aus den traditionellen Lebensumständen und
Lebensformen gebildet hat, etwa der weitverbreitete Chorgesang, die Musikbewegung, das
Laientheater, aber auch unsere Museums- und Bibliothekslandschaft. Sie bildet den Boden einer
Kulturlandschaft. Demgegenüber ist es das professionelle Kulturschaffen, das in der
Auseinandersetzung mit den Herausforderungen der Zeit und in experimenteller Weise
wesentliche Impulse verleiht. Eine lebendige Kulturlandschaft braucht beides, die Verbundenheit
und die Innovation. Gerade im Theaterbereich erleben wir immer wieder die spannende
Zusammenarbeit von Laien und professionellen Schauspielern.
Ein Wort zu den Kosten und dem volkswirtschaftlichen Nutzen
Handelt es sich bei Ausgaben für die Kultur nicht um einen Luxus, den wir uns nicht mehr leisten
können? Sind Mehrausgaben heute angebracht? - Abzulehnen sind Mehrausgaben dann, wenn sie
nicht gerechtfertigt sind. Sicher gibt es immer noch Kreise, die Kulturausgaben als Luxus
betrachten, den wir uns halt in Zeiten knapper Finanzen nicht leisten können. Diese
Betrachtungsweise ist aber nicht haltbar.
Lebendiges Kulturschaffen ist das Spiegelbild einer Gesellschaft. Sie kann sich darin
betrachten, sie findet darin ihre Identität. Eine Krise ist immer auch eine Identitätskrise, und sie
kann nicht nur mit rein wirtschaftlichen Massnahmen überwunden werden. Diese kulturelle
"Persönlichkeit" eines Landes ist angesprochen, wenn der Staatsrechtler Peter Saladin in einem
Aufsatz festhält: "Aber wenn der Staat auf lange Sicht stabile, verlässliche, offene Ordnung sein will,
wird er sich seinen kulturellen Aufgaben mit besonderer Hingabe annehmen müssen".
Darüber hinaus darf festgestellt werden, dass die Kulturförderung nicht als ein Fass ohne Boden
zu betrachten ist. Diverse Studien zeigen, dass staatliche Beiträge an die Kulturförderung durchaus
auch als Investitionen betrachtet werden dürfen, Investitionen, die übrigens sehr viel mehr
abwerfen als in einigen anderen Bereichen. Ausserdem bildet unser Kulturschaffen ein
gewichtiges Argument für den Tourismusstandort Graubünden.
Das neue Kulturförderungsgesetz verdient ein JA,
weil es eine massgeschneiderte Kulturförderung für Graubünden ermöglicht und
weil Kulturförderung gerade heute besonders sinnvoll ist.
Joachim Caluori, Regierungsrat
Jahr: 1998