Suchtprobleme und ihre Auswirkungen stellen eines der grössten Gesundheits- und
Sozialprobleme dar. Süchtige gefährden neben ihrer Gesundheit auch ihre Existenz und die ihrer
Angehörigen. Sucht bedeutet in vielen Fällen nämlich auch finanzielle Not, Verlust von Wohnung und
sozialen Bezügen. Jedes Jahr sterben in der Schweiz tausende an den Folgen des Konsums von
Suchtmitteln. Unzählige Eltern, Ehepartner oder Kinder sind mitbetroffen. Viele Leute müssen sich
darum mit der Suchtproblematik auseinandersetzen, sei es als Eltern, Lehrer, als Lehrmeister
oder etwa als Mitglied einer Gemeindebehörde.
Die Bündner Regierung verfolgt seit Jahren eine konsequente und koordinierte Suchtpolitik. Im
Drogenbericht 1994 erfasste sie die aktuelle Situation im Bereich der illegalen Drogen und zeigte
mögliche Lösungen auf. Zahlreiche der darin vorgesehenen Massnahmen sind in der Zwischenzeit
umgesetzt worden.
Angesichts des Elends, das mit dem Konsum illegaler Drogen verbunden ist, gerät allerdings oft
in Vergessenheit, dass der übermässige Konsum von Alkohol, Tabak oder Medikamenten jährlich
ein Vielfaches an Todesopfern fordert. Aber auch andere suchthafte Verhaltensweisen wie Spiel-
oder Konsumsucht drängen viele Familien an den Rand ihrer Existenz. Wir sind deshalb der
Auffassung, dass sich die Bekämpfung von Suchtproblemen nicht auf den Bereich der illegalen
Drogen wie Heroin oder Kokain beschränken darf. Vielmehr sollten wir alles daran setzen, dass
abhängiges Verhalten gleich welcher Art möglichst nicht entstehen kann.
Es braucht heute das Engagement und die Zusammenarbeit aller, um das Entstehen süchtiger
Verhaltensweisen zu verringern und um Süchtigen zu helfen. Das Suchthilfegesetz umschreibt die
entsprechenden Aufgaben von Kanton und Gemeinden. Des weiteren will es die Aktivitäten auf
den Gebieten der Prävention und Suchthilfe koordinieren. Mangels klarer
Kompetenzzuordnungen konnten bis anhin nämlich oft wertvolle Projekte nicht oder nur in
bescheidenem Rahmen realisiert werden. Das Suchthilfegesetz schafft im Bereich der
Aufgabenzuteilung nun Klarheit.
Die Gemeinden sollen für die Prävention zuständig sein. Präventive Massnahmen müssen bekanntlich
sehr früh, d.h. in frühester Kindheit einsetzen, also in der Familie, im Kindergarten und in der
Schule oder in Freizeiteinrichtungen. Hier können die Gemeinden mit Lösungen aktiv werden, die
ihren Bedürfnissen entsprechen. Mit griffigen Präventionsmassnahmen können drohende fatale
Entwicklungen vielfach günstig beeinflusst werden. Auch hier gilt, dass Vorsorgen noch alleweil
billiger ist als Heilen.
Vielfach sind jedoch Fachwissen gefragt und spezielle Einrichtungen nötig, um das
Suchtverhalten und deren Folgen zu lindern, beispielsweise bei der Beratung von Süchtigen und
deren Angehörigen, bei Entzugsbehandlungen oder in der Erziehungsberatung. Für diesen Bereich
soll der Kanton zuständig sein. So ist die sogenannte Überlebenshilfe in den letzten Jahren zu einem
wichtigen Aufgabenbereich geworden. Täglich erhalten Drogenabhängige in diesen Einrichtungen
Unterkunft, Essen, Hilfe und Beratung.
Das Bundesamt für Gesundheit räumt in der neusten Plakatkampagne mit dem noch weit
verbreiteten Irrglauben auf, dass Süchtige den Weg aus ihrem Suchtverhalten nie schaffen würden.
Die Erfahrung zeigt, dass weit mehr als die Hälfte der Süchtigen irgendwann ihre Sucht überwinden
können. Die Angebote der Überlebenshilfe helfen ihnen dabei. Wer nichts mehr zu verlieren hat,
wer sozial ausgegliedert und gesundheitlich angeschlagen ist, findet nämlich kaum mehr die
Motivation und Kraft, aus der Sucht herauszufinden. Der Kanton soll diese Aufgabe unter
finanzieller Beteiligung der Gemeinden übernehmen.
Das neue kantonale Suchthilfegesetz will erreichen, dass die Aufgaben des Staates auf dem
Gebiete der Prävention und Suchthilfe möglichst koordiniert, bedarfsgerecht und effizient geleistet
werden. Damit können die hohen Folgekosten von Suchtverhalten reduziert werden, was uns
angesichts der angespannten finanziellen Lage der privaten wie der öffentlichen Haushalte als sehr
wichtig erscheint. Der Grosse Rat stimmte darum auch dem Erlass eines kantonalen
Suchthilfegesetzes ohne Gegenstimme zu. Namens der Regierung empfehle ich allen Bündnerinnen
und Bündnern, an die Urne zu gehen und dem neuen Gesetz ebenfalls zuzustimmen.
Regierungsrat Dr. Peter Aliesch
Vorsteher des Justiz-, Polizei- und
Sanitätsdepartements Graubünden
Jahr: 1998