Auch in unserem Kanton leben Mitmenschen mit körperlichen, geistigen, psychischen,
sprachlichen oder sensorischen Beeinträchtigungen. Dies erschwert oder verunmöglicht ihnen viele
Aktivitäten im Erwerbsleben, in der Freizeit und im Bildungsbereich, die für den übrigen
Bevölkerungsteil selbstverständlich sind. Ziel der kantonalen Behindertenpolitik muss darum sein,
den behinderten Mitmenschen eine Lebensgestaltung zu ermöglichen, die sich an dem orientiert,
was für die Mehrheit der Gesellschaft üblich und normal ist.
Das geltende Behindertengesetz ermöglicht leider nur wenige Massnahmen, um die Integration
von Personen mit Behinderungen in den gesellschaftlichen Alltag zu fördern. Es enthält zahlreiche
Bestimmungen über die Sonderschulung, die Anliegen der erwachsenen Behinderten sind aber nur
am Rande erwähnt. Das heutige Behindertengesetz regelt ausschliesslich die Bau- und
Betriebsbeiträge für stationäre Einrichtungen wie Wohnheime, geschützte Werkstätten und
Beschäftigungsstätten. Der Kanton kann demnach lediglich in diesem stationären Bereich tätig
werden. Andere Angebote, auch wenn sie sinnvoller, wirksamer und besser wären, kann er nicht
fördern.
Mit der Teilrevision des kantonalen Behindertengesetzes soll erreicht werden, dass behinderte
Menschen ihr Leben so weit als möglich selbständig gestalten können. Das revidierte
Behindertengesetz bezweckt als Hauptziel, behinderte Mitmenschen in die Gesellschaft
einzugliedern. Dies geht über die bloss räumliche Eingliederung in die Arbeits-, Wohn- und
Freizeitwelt hinaus. Die neue kantonale Behindertenpolitik will Menschen mit Behinderungen in
den gesamten Bereich des beruflichen und nichtberuflichen Lebens einbeziehen.
Mit der Teilrevision des kantonalen Behindertengesetzes werden in Ergänzung zum
Bundesgesetz über die Invalidenversicherung sowie zur übrigen eidgenössischen und kantonalen
Gesetzgebung die Grundlagen für eine heute allgemein anerkannte Förderung von Menschen mit
Behinderungen geschaffen. Die stationäre Betreuung ist für einen Teil der Menschen mit
Behinderungen selbstverständlich weiterhin von grosser Bedeutung. Für die anderen sind jedoch
nichtstationäre Wohnformen und Betreuungsangebote im ambulanten Bereich notwendig. Zur
angestrebten Integration der Menschen mit Behinderungen in die Gesellschaft zählen ebenso
Arbeitsmöglichkeiten in der freien Wirtschaft sowie der Zugang zu Bildungs- und
Freizeitmöglichkeiten.
Das revidierte Gesetz ermöglicht als wesentliche Neuerung die Förderung der beruflichen
Eingliederung und der Mobilität der behinderten Menschen. Gefördert werden kann insbesondere
auch die ambulante Hilfe. Dazu gehört die Betreuung und Hilfe beim selbständigen Wohnen, die
Betreuung am Arbeitsplatz oder etwa die Begleitung und Erleichterung des Zugangs zu
Beschäftigungs-, Freizeit- und Bildungsangeboten.
Die Regierung und der Grosse Rat sind überzeugt, dass mit dem neuen Behindertengesetz eine
gute Grundlage geschaffen wurde, um auch in unserem Kanton die Teilnahme von Menschen mit
Behinderungen am sozialen, kulturellen und beruflichen Leben zu ermöglichen. Der Grosse Rat
stimmte der Teilrevision des kantonalen Behindertengesetzes ohne Gegenstimme zu. Namens der
Regierung empfehle ich allen Bündnerinnen und Bündnern, dieser Teilrevision ebenfalls
zuzustimmen.
Regierungsrat Dr. Peter Aliesch
Vorsteher des Justiz-, Polizei- und Sanitätsdepartementes Graubünden
Jahr: 1998