Das nachfolgende Schreiben ging mit separater Post an alle ca. 160 Kraftwerkgemeinden im
Kanton Graubünden. Es wird hiermit auch den Medien zur Verfügung gestellt.
Sehr geehrter Herr Gemeindepräsident
Sehr geehrte Damen und Herren
Die Frage der Kraftwerkbesteuerung beschäftigt in letzter Zeit einzelne Gemeindevertreter und
die Presse in ausgeprägtem Mass. Dabei wurden verschiedene Aspekte nicht genügend beachtet.
Dies veranlasst uns, den Problemkreis zu beleuchten und zu einigen Äusserungen in den Medien
Stellung zu beziehen.
Mit der Totalrevision des Steuergesetzes im Jahre 1986 wurde die Vermögensbesteuerung der
juristischen Personen durch eine Kapitalbesteuerung ersetzt. Mit den Kraftwerkgesellschaften
konnte auf vertraglicher Grundlage vereinbart werden, dass sie weiterhin aufgrund des Vermögens
besteuert wurden. Die Kraftwerkgesellschaften erklärten sich dadurch bereit, für einen
beschränkten Zeitraum steuerliche Mehrleistungen zu erbringen.
Die Vermögensbesteuerung entfiel mit der Teilrevision des Steuergesetzes im Jahre 1996. Die
Kraftwerkgesellschaften waren vorerst noch bereit, zu einer Erneuerung der
Vermögensbesteuerung Hand zu bieten. Als in der Folge aber die Wasserzinsen ohne
Übergangsfrist von Fr. 54.- auf Fr. 80.- pro kWbr erhöht wurden, brachen sie die Verhandlungen
ab. Angesichts dieser massiven Erhöhung der Entschädigung für die Wasserkraft waren die
Kraftwerkgesellschaften nicht mehr länger bereit, auf vertraglicher Basis zusätzliche
Steuerleistungen zu erbringen. Nicht betroffen von dieser Änderung ist das EWZ, das gestützt auf
Art. 90 Abs. 2 lit. b StG als "übrige juristische Person" weiterhin der Vermögensbesteuerung
unterliegt.
Mit der Teilrevision des Steuergesetzes wurde in Art. 79 Abs. 3 StG die gesetzliche Grundlage
für eine Gewinnkorrektur geschaffen. Die Bestimmung ist anwendbar für gemischtwirtschaftliche,
im öffentlichen Interesse tätige Unternehmen, die ihre Leistungen überwiegend an nahestehende
Personen erbringen. Betroffen sind damit die Partnerwerke, die ihren Strom hauptsächlich an die
Aktionäre liefern. Die Gewinnkorrektur kann keine Anwendung finden für die BK und die KWB,
die nicht als Partnerwerke beurteilt werden können. Gestützt auf diese Bestimmung können aber
auch für Partnerwerke wie die KWI, die den Strom zu Kosten produzieren, die über dem
Durchschnittspreis beim Endverbraucher liegen, keine Gewinnkorrekturen vorgenommen
werden.
Mit der gesetzlichen Grundlage für eine Gewinnkorrektur ist noch nicht viel gewonnen. Das
Gesetz besagt nur, dass eine Gewinnkorrektur Platz greifen kann, wenn die Stromlieferungen
nicht zu Marktpreisen erfolgen. Über das System und das Ausmass der Gewinnkorrektur enthält
das Gesetz aber keine konkrete Regelung. Letztlich geht es darum, einen Gewinn zu ermitteln,
wie er zwischen unabhängigen Vertragspartnern erzielt werden könnte und dadurch auch eine
Steuerleistung festzulegen, die der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der jeweiligen Gesellschaft
entspricht. Die Frage, die es zu beantworten gilt, lautet: "Welchen Gewinn würde das
Partnerwerk erzielen, wenn es seinen Strom auf einem freien Markt an einen unabhängigen
Dritten veräussern könnte?". Die Fragestellung zeigt auch schon das ganz wesentliche Problem auf.
In einem Umfeld, in dem ein effektiver Markt nicht besteht, muss ein Marktpreis ermittelt
werden, der dann als Grundlage für die Gewinnermittlung dient.
Das Finanzdepartement hat sich sehr früh mit der Frage der Kraftwerkbesteuerung
auseinandergesetzt und verschiedene Modelle geprüft; erste Bemühungen gehen auf das Jahr 1992
zurück. Nachdem ein Gutachten des Instituts für Finanzwirtschaft und Finanzrecht an der
Hochschule St. Gallen nicht zu befriedigenden Ergebnissen gelangt ist, wurden eigene
Lösungsansätze erforscht. Zusammen mit einem externen Berater wurde ein Modell entwickelt,
das auf betriebswirtschaftlichen Ansätzen basiert und sich an der Jahresrechnung des EWZ
orientiert. Dieses Modell wird von den Vertretern der Elektrizitätswirtschaft abgelehnt und könnte
damit nur auf dem Gerichtsweg durchgesetzt werden. Um die Risiken eines Prozesses zu
vermeiden und die während eines jahrelangen Rechtsstreits herrschende Rechtsunsicherheit zu
umgehen, wurden auch andere Lösungen untersucht.
In zahlreichen Verhandlungen mit Vertretern der Elektrizitätswirtschaft wurde das Modell einer für
Steuerzwecke erhöhten Pflichtdividende diskutiert. Die Kraftwerkgesellschaften konnten sich mit
dem Kanton Wallis auf dieses System einigen. Für das Finanzdepartement war von allem Anfang
an klar, dass die Zuschläge zur Pflichtdividende im Kanton Graubünden höher liegen müssen als im
Kanton Wallis. In langwierigen und zähen Verhandlungen konnte dieses Ziel nun erreicht
werden. Den Vertretern der Elektrizitätswirtschaft konnten für die Jahre 1997 bis 2000 Zuschläge
zur vertraglich vereinbarten Pflichtdividende von 7%, 7%, 6% und 5% abgerungen werden. Dies
bedeutet, dass die gemäss Konzessionsverträgen vereinbarten Pflichtdividenden für Steuerzwecke
um die entsprechenden Zuschläge erhöht werden. Im Jahre 1997 würde somit ein Gewinn besteuert,
der die Ausschüttung einer Pflichtdividende von 14% zulassen würde, wenn die
konzessionsrechtliche Pflichtdividende von den Anleihen des Kantons abhängt. Dieses
Verhandlungsergebnis liegt weit über den Resultaten, die der Kanton Wallis erzielen konnte. Der
Kanton Wallis musste sich mit einer Pflichtdividende von insgesamt maximal 8% zufrieden
geben. Die Besteuerung einer erhöhten Pflichtdividende könnte einvernehmlich und ohne die
Risiken eines Prozesses durchgesetzt werden.
Das Modell der Pflichtdividende stellt eine Anwendung der in Art. 79 Abs. 3 StG gesetzlich
verankerten Gewinnkorrektur dar. Die vereinzelt geäusserten Auffassungen, das
Finanzdepartement treffe mit einzelnen Steuerpflichtigen Vereinbarungen, die einer gesetzlichen
Grundlage entbehren, oder das Finanzdepartement wende geltendes Recht nicht an, erweisen
sich damit als falsch. Sie basieren offenbar auf mangelhaften Kenntnissen der Rechtslage.
Heute wird der Regierung vorgeworfen, dass sie sich bis anhin noch nicht entschieden habe,
wie sie in der Kraftwerkbesteuerung weiter vorgehen wolle. Dieser Vorwurf muss
zurückgewiesen werden. In der laufenden Diskussion geht es um die Veranlagung für das
Steuerjahr 1997. Das Steuerjahr der juristischen Personen stimmt mit dem Geschäftsjahr überein.
Die weite Mehrheit der grösseren Partnerwerke schliessen ihr Geschäftsjahr per Ende September
ab, hier also am 30. September 1997. In der Folge haben die Kraftwerkgesellschaften, wie im
übrigen sämtliche anderen juristischen Personen auch, 9 Monate Zeit, um die Steuererklärungen
einzureichen. Mit den Steuererklärungen für das Jahr 1997 ist somit im Juni 1998 zu rechnen. Vor
diesem Zeitpunkt, d.h. bevor die Kraftwerkgesellschaften ihre Steuererklärung eingereicht
haben, kann eine Veranlagung nicht an die Hand genommen werden. Vor diesem Zeitpunkt
muss und kann ein Entscheid über das Besteuerungssystem nicht getroffen werden. Und vor
diesem Zeitpunkt können aktualisierte Berechnungen der verschiedenen Besteuerungssysteme
überhaupt nicht erstellt werden. Die Regierung wäre schlecht beraten, wenn sie sich für ein Modell
der Kraftwerkbesteuerung entscheiden würde, ohne über aktuelle Entscheidungsgrundlagen zu
verfügen. Sobald die Steuererklärungen der Kraftwerkgesellschaften vorliegen, werden die
notwendigen Berechnungen erstellt. Dann kann das Bündner Modell der Gewinnkorrektur dem
Modell der Pflichtdividende gegenübergestellt werden. Erst in diesem Zeitpunkt können die Vor-
und Nachteile der verschiedenen Methoden beurteilt und gewichtet werden. Diese
Zusammenhänge scheinen die Kritiker des heutigen Vorgehens nicht zu kennen oder nicht
kennen zu wollen.
Die aktuelle Diskussion über die Kraftwerkbesteuerung wurde durch die provisorischen
Veranlagungen für das Steuerjahr 1997 hervorgerufen. Die Steuerverwaltung war verpflichtet,
den Kraftwerkgesellschaften innerhalb von zwei Monaten nach Abschluss des Geschäftsjahres
eine provisorische Steuerrechnung zuzustellen. Der steuerbare Gewinn wurde aufgrund einer
erhöhten Pflichtdividende von 12% ermittelt. Diesen Rechnungen kommt für die definitive
Veranlagung keinerlei präjudizielle Wirkung zu.
In Beantwortung des Postulates Cathomas und der Interpellation Gartmann betreffend die
Besteuerung der Partnerwerke der Elektrizitätswirtschaft hat die Regierung zur Frage der
Kraftwerkbesteuerung Stellung bezogen. Die Postulanten ersuchten die Regierung, die
Partnerwerke so zu besteuern, dass die Steuerausfälle möglichst gemindert werden können und
insbesondere zu prüfen, ob eine Gewinnkorrektur nach dem sogenannten "Bündner Modell" nicht
zu geringeren Steuerausfällen führen würde. Die Regierung erklärte sich bereit, das Postulat
Cathomas entgegenzunehmen, obwohl dadurch nichts anderes gefordert wurde als eine
Besteuerung, wie sie die Regierung schon immer geplant und angestrebt hatte. Die in der
Interpellation konkret gestellten Fragen über den Zusammenhang von Wasserzins und Steuern,
über die Gründe des Systemwechsels und über die Gewinnkorrektur wurden von der Regierung
beantwortet. Die Vorstösse werden in der kommenden Märzsession des Grossen Rates behandelt,
was Gelegenheit zu einer vertieften Auseinandersetzung mit den anstehenden Fragen bieten
wird.
In der Presse wurde auch verschiedentlich die Auffassung vertreten, dass das Problem der
Kraftwerkbesteuerung durch eine klare gesetzliche Bestimmung gelöst werden könnte. Diese
Auffassung teilt das Finanzdepartement aus verschiedenen Gründen nicht. Einerseits schränkt das
Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden
(Harmonisierungsgesetz) den Gestaltungsspielraum des kantonalen Gesetzgebers erheblich ein.
Andrerseits verbietet das Rechtsgleichheitsgebot (Art. 4 Bundesverfassung) dem kantonalen
Gesetzgeber die Einführung von Spezialregelungen für die Besteuerung bestimmter Arten von
juristischen Personen. Letztlich handelt es sich hier aber auch um eine Frage der Gewinnzuteilung
im interkantonalen Verhältnis. Diese Fragen kann der kantonale Gesetzgeber nicht einseitig
regeln, da die Gewinnaufteilung auf die einzelnen Kantone letztlich vom Bundesgericht in
Anwendung der Bestimmungen über das Verbot der interkantonalen Doppelbesteuerung (Art. 46
Abs. 2 Bundesverfassung) und der entsprechenden Bestimmungen des
Harmonisierungsgesetzes beurteilt wird. Zu bedenken ist zudem, dass eine neue gesetzliche
Grundlage nicht rückwirkend auf das Steuerjahr 1997 Anwendung finden könnte.
Ab dem Jahre 2001 werden die Bestimmungen des Harmonisierungsgesetzes in der ganzen
Schweiz zu direkt anwendbarem Recht und ersetzen die abweichenden Normen des kantonalen
Steuergesetzes. Ab diesem Zeitpunkt wird eine Gewinnkorrektur im Kanton Graubünden von
den Partnerkantonen, d.h. von den Kantonen, in denen die Aktionäre und Strombezüger der
Bündner Partnerwerke domiziliert sind, anerkannt werden müssen. Die erhöhten
Gewinnungskosten führen zu einer Gewinnkorrektur in diesen Kantonen. Dies bedingt, dass für die
Besteuerung ab dem Jahre 2001 Lösungen getroffen werden sollten, die von sämtlichen beteiligten
Partnern, d.h. von den Gebirgskantonen, den Partnerkantonen, vom Bund und von der
Elektrizitätswirtschaft getragen werden. Auf diesen Zeitpunkt ist aber auch mit einer (zumindest
schrittweisen) Öffnung des Elektrizitätsmarktes zu rechnen. Die Auswirkungen dieser Liberalisierung
können im heutigen Zeitpunkt noch nicht abgeschätzt werden.
Wir hoffen, Ihnen mit diesen Ausführungen einen Überblick über die Fragen der
Kraftwerkbesteuerung verschafft zu haben. Für Auskünfte über die konkreten Auswirkungen der
vertraglichen Pflichtdividende auf die Steuereinnahmen Ihrer Gemeinde wollen Sie sich direkt
mit dem Revisorat der Steuerverwaltung in Verbindung setzen. Für andere Rückfragen stehen
Ihnen der Unterzeichnende oder der Vorsteher der Steuerverwaltung, Urs Hartmann ( 257 33
24), gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüssen
Finanz- und Militärdepartement
Der Vorsteher
Dr. Aluis Maissen
Gremium: Finanz- und Militärdepartement
Quelle: dt Regierungsrat Dr. Aluis Maissen