Die Regierung hat dem Grossen Rat die Botschaft zur Reform der
bündnerischen Gerichtsorganisation zugeleitet. Die heutige Organisation
genügt den ständig steigenden Anforderungen nicht mehr. Die Reform
bringt eine klare Verbesserung der erstinstanzlichen Justiz. Der
Handlungsbedarf ist unumstritten.
Die vorgeschlagene Reform will eine professionellere und wirksamere
Gerichtsorganisation schaffen. Davon betroffen sind vor allem die
erstinstanzlichen Gerichte, denn sie sind für das Funktionieren der
Justiz von grösster Bedeutung. Es wird angestrebt, die Effizienz der
Gerichtsinstanzen und die Qualität ihrer Urteile zu steigern sowie die
Verfahren zu beschleunigen. Diese Verbesserungen liegen im Interesse
aller Bürgerinnen und Bürger. Dabei schliesst die Zielsetzung die Wahl
von Laienrichterinnen und Laienrichtern nicht aus. Im Sinne einer
bürgernahen Justiz soll eine juristische Ausbildung weiterhin nicht
Voraussetzung für die Tätigkeit in einem Gericht sein.
Die Kernpunkte der vorgeschlagenen Gerichtsreform betreffen das
Vermittleramt, die Zuständigkeiten im Strafprozess, die
Bezirkseinteilung sowie die Organisation der Bezirksgerichte. Die
entsprechenden Vorschläge sind weitgehend unbestritten und im
Vernehmlassungsverfahren allgemein auf Zustimmung gestossen. Es handelt
sich um folgende Punkte:
- Die Vermittlerfunktion wird dem Kreispräsidenten übertragen.
Dieser bleibt daneben Einzelrichter. Seine Zuständigkeiten erfahren
gewisse Anpassungen.
- Die Kreisgerichte und die Kreisgerichtsausschüsse werden
aufgehoben und die strafrechtlichen Zuständigkeiten auf die
Bezirksgerichte bzw. deren Ausschüsse übertragen. Für
Verwaltungsaufgaben der Kreise ist nun generell der Kreisrat zuständig.
- Um gute Voraussetzungen für eine effiziente Justiz zu schaffen,
sollen einzelne Bezirke zusammengelegt und geographisch an die heutigen
Regionen angeglichen werden. Dies betrifft die Bezirke Val Müstair und
Inn, Hinterrhein und Heinzenberg sowie Glenner und Vorderrhein. Überdies
werden das Prättigau und der Kreis Safien an die Region angeglichen.
- Um die Bezirksgerichte zu stärken sollen diese neu direkt durch
die Stimmberechtigten gewählt werden. In Bezug auf die Organisation der
Bezirksgerichte schlägt die Regierung eine flexiblere und damit
sachgerechtere Lösung vor.
Daneben umfasst die vorgeschlagene Gerichtsreform noch weitere
Änderungen:
- So werden etwa die Jugendgerichte als eigenständige Gerichte
abgeschafft. Denn die Gründe, die zu ihrer Schaffung geführt haben, sind
weggefallen.
- Aufgrund der Anforderungen der Europäischen
Menschenrechtskonvention soll die Funktion des Haftrichters geschaffen
werden. Dieser verhängt die Untersuchungshaft auf Antrag des
Staatsanwalts. Die Funktion wird dezentral organisiert und vier
Bezirksgerichtspräsidenten übertragen.
- Neu geordnet wird ferner das Konkurswesen. Während das
Betreibungsamt weiterhin kreisweise organisiert bleibt, soll das
Konkursamt nun auf Bezirksebene geführt werden.
- Der Kanton wird sich zukünftig stärker an den Kosten für die
Justiz beteiligen. Während er heute knapp 30 Prozent des Defizits der
Bezirksgerichte trägt, sollen die Defizite zwischen Kanton und Gemeinden
neu hälftig geteilt werden.
Die Beratungen im Grossen Rat über die Gerichtsreform beginnen
diesen Mai. Die Volksabstimmung könnte im Frühjahr des nächsten Jahres
stattfinden, so dass an den Kreiswahlen im Mai 2000 nur noch die neuen
Funktionen zu besetzen wären. Das Inkrafttreten der Reform ist auf
Anfang 2001 vorgesehen.
Abgesehen von der Bezirkseinteilung ist die Gliederung des Kantons
von der Gerichtsreform nicht berührt. Eine sinnvolle Gerichtsreform
führt nicht zwingend dazu, die Kreise aufzuheben und setzt nicht voraus,
dass der Kanton neu eingeteilt wird. Diese Fragen sind vielmehr im
Rahmen der Totalrevision der Kantonsverfassung zu prüfen.
Die Vorschläge der Regierung zur Gerichtsreform greifen im
Wesentlichen die Lösungen des Vorentwurfs auf, die der Präsident des
Kantonsgerichts, Dr. Alex Schmid, im Auftrag der Regierung erarbeitet
hatte. Dessen Vorschläge wurden bereits von einer Expertenkommission
unter dem Vorsitz von Regierungsrat Dr. Peter Aliesch unterstützt. Sie
sind in einem ausgedehnten Vernehmlassungsverfahren weitgehend auf
Zustimmung gestossen.
Gremium: Justiz-, Polizei- und Sanitätsdepartement Graubünden
Quelle: dt Justiz-, Polizei- und Sanitätsdepartement