1945 hat das Volk den Familienschutzartikel in der Verfassung verankert und gab
damit dem Bund den Auftrag, eine Mutterschaftsversicherung einzurichten. Nun haben
wir die Chance, diesen Verfassungsauftrag mit einem moderaten und finanzierbaren
Vorschlag endlich in die Praxis umzusetzen.
Auf politischer Ebene wird oft eine Trennlinie zwischen Themen, für die der Staat
sich zuständig fühlen soll und solchen, wo keine "Einmischung" vorgenommen werden
soll, gezogen. Betrachtet man diese Abgrenzung genauer, fällt auf, dass es oft
sogenannte Frauenthemen sind, die nicht als wesentlich bezüglich staatlicher
Förderung eingestuft werden. Darunter fällt bspw. die Anerkennung der Haus- und
Familienarbeit, die Unterstützung von ausserfamiliärer Kinderbetreuung, die Erhaltung
oder Schaffung einer kind- und menschengerechten Umgebung oder auch das, was so
allgemein als "Freiwilligenarbeit" bezeichnet wird. Gleiches ist auch immer wieder
bezüglich Mutterschaft zu hören: das ist doch eine ganz private Angelegenheit, es muss
doch jede und jeder selbst wissen, ob und wie man sich organisieren soll. Nicht
beachtet wird dabei, welche immense und auch staatstragende Bedeutung dem
Aufziehen der kommenden Generation für unsere Gesellschaft zukommt.
Das Schaffen von möglichst förderlichen Rahmenbedingungen kann nur im Interesse
aller sein. Zu diesen Rahmenbedingungen gehört der Schutz der Mutterschaft.
Was spricht aus Sicht der Gleichstellungskommission für diese Vorlage?
-
Wenn für die Zeit der Mutterschaft ein zwingendes Arbeitsverbot
von acht Wochen besteht, muss die Lohnfortzahlung für diese Zeit in
jedem Fall garantiert sein. Vom gegenwärtigen mangelnden Schutz sind nur
Frauen betroffen.
- Die heutige Regelung vermindert die Chancen von Frauen auf dem
Arbeitsmarkt. Die allfälligen Kosten, die bei Mutterschaft einer
Mitarbeiterin anfallen, müssen vom Arbeitgeber/der Arbeitgeberin
getragen werden. Im Vergleich dazu wird der Erwerbsersatz bei der
Militärpflicht der Mitarbeitenden vom Staat finanziert.
- Die heutige Regelung benachteiligt Branchen und Betriebe, die
vorwiegend Frauen beschäftigen, weil für diese Arbeitsplätze höhere
Kosten anfallen. Somit findet eine Diskriminierung auch auf
betrieblicher Ebene statt. Die Mutterschaftsversicherung stellt einen
Lastenausgleich her.
- Die Finanzierung der Versicherung ist gesichert und bewegt sich in
einem tragbaren Rahmen. Aus Gleichstellungssicht ist es unerlässlich,
für die Wahrnehmung der Aufgabe der Mutterschaft einen minimalen
staatlichen Beitrag einzusetzen.
Die Mutterschaftsversicherung als Sozialwerk für alle Mütter und
Familien ist ein unverzichtbares Element einer zeitgemässen
Familienpolitik. Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern würden wir
uns auch mit den Leistungen dieser Mutterschaftsversicherung noch im
Schlussfeld bewegen. Wenn es uns wirklich ernst ist mit einem Schutz der
Mutterschaft, und wir es nicht nur bei Lippenbekenntnissen belassen
wollen, stimmen wir am 13. Juni dieser Vorlage mit Überzeugung zu.
Gremium: Kantonale Begleit- und Impulskommission für Gleichstellungsfragen
Graubünden
Quelle: dt Kantonale Begleit- und Impulskommission für Gleichstellungsfragen