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Hans Rutishauser, Kantonaler Denkmalpfleger
Am Samstag, 24 Juni, wird in Silgin, Gemeinde Lumbrein, die restaurierte Kapelle S. Bistgaun eingeweiht. Das kleine Gotteshaus besitzt Wandmalereien und Ausstattung aus dem 17. und 18. Jahrhundert und bildet den Mittelpunkt des kleinen, heute von 13 Personen bewohnten Weilers Silgin, der gegenüber dem Dorf Lumbrein auf der rechten Seite des Glenner liegt.
In den vergangenen 30 Jahren sind damit sowohl die Pfarrkirche St. Martin als auch alle vier Kapellen der Kirchgemeinde Lumbrein, nämlich Sogn Roc (St. Rochus), Sontg Andriu (St. Andreas), Sogn Clau (St. Niklaus) und zum Schluss nun auch Sogn Bistgaun (St. Sebastian) konserviert und restauriert worden. All diese Instandstellungsarbeiten wurden durch die kantonale Denkmalpflege begleitet.

Die Geschichte der Kapelle
Am 5. September 1643 erfolgte die Neuweihe zu Ehren von St. Sebastian durch Bischof Johannes Flugi von Aspermont, wie die Weihe-Inschrift an der inneren Westwand über dem Halbrundfenster berichtet. Die beiden Glocken im Dachreiter, die eine um 1500 gegossen, die andere 1630 datiert, könnten ein Hinweis auf ein noch höheres Alter dieser barocken Kapelle sein. Erwin Poeschel, der Kunstdenkmäler- Inventarisator meinte, auch die spitzbogig geschlossenen Fenster könnten auf die gotische Bauphase um 1500 weisen. Vermutlich sind sie jedoch - wie die Spitzbogenfenster der Pfarrkirchen von Disentis (um 1640) und Sumvitg (1633) - ein Beispiel jenes zähen Nachlebens gotischer Formen im 17. Jahrhundert.
Im 20. Jahrhundert hat die Kapelle Sogn Bistgaun zwei Renovationen erlebt, nämlich in den Jahren 1928 und 1960. 1928 wurden die teilweise schadhaften Wand- und Deckenbilder übermalt. Anstelle der Holzfensterrahmen setze man damals solche aus Eisen mit getönter Bleirauten-Verglasung ein. Die ursprünglichen, von Poeschel 1942 noch erwähnten Spitzbogenfenster wurden zu Rundbogenfenstern umgeformt.

Erhaltene, übermalte und verlorene Wandbilder
Aussergewöhnlich ist vor allem die reiche Bemalung der äusseren Eingangsfront, deren auf Flugsparren vorkragendes Dach die Wandmalerei aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bis heute erstaunlich gut geschützt hat. Zwar musste auch bei dieser Restaurierung der Sockelputz bis in etwa zwei Metern Höhe ergänzt werden, darüber hat sich aber ein einzigartiger barocker "Heiligenhimmel" fast ohne Schaden erhalten.
Im Giebeldreieck thront die Muttergottes mit dem Kind über Mondsichel und Weltkugel, auf der - wie in einer Glaskugel - die Ureltern Adam und Eva im Paradies zu sehen sind. Im nächsttieferen Wolkenrang knien links die Heiligen Laurentius, Placidus und Stephanus, rechts die Heiligen Florinus, Sigisbert und Aloisius, über dem Halbrundfenster in der Mittelachse der Fassade leidet St. Sebastian am Marterbaum, links sprengt der mantelteilende Martin auf einem Schimmel heran, rechts der heilige Mauritius mit Kreuzbanner auf einem Fuchshengst. Links der Türe ist in reichem Rankenrahmen Christus als "Ecce homo" dargestellt.
Auf den vier Zwiebeln des Chorgewölbes sind die Evangelisten mit ihren Attributen dargestellt. Ebenso wie die Heiligen an den Chorwänden sind es Malereien aus der Mitte des 17. Jahrhunderts, die sich unter den Übermalungen leidlich gut erhalten haben. Die Chorwände zeigen Ursula und Franziskus sowie Paulus und Antonius. Der Antonius mit dem Christkind ist eine Erneuerung des 18. Jahrhunderts, der im Stil eher den Heiligen an der Eingangsfassade gleicht.
In der Leibung des Chorbogens sind die Eltern Christi, Maria und Josef, gemalt, die Chorschulterwände im Schiff zeigen links den Heiligen Dominikus und rechts die Heilige Katharina von Siena, dazwischen ist der Chorbogen gesäumt von 14 Rundscheiben mit Darstellungen der Rosenkranzgeheimnisse.
Die flache Holzdecke im Schiff ziert eine naive, aber detailreiche Malerei des späten 18. Jahrhunderts. Im Mittelmedaillon sitzen unter der Heiligen Dreifaltigkeit die Pestheiligen Sebastian und Rochus auf dunkeln Wolkenbänken.
In den vier Eckmedaillons sind die Heiligen Johannes Nepomuk, Karl Borromäus, Anna selbdritt und Maria Magdalena umgeben von Wolken und Puttengruppen wiedergegeben.
Besonders rigoros war der Eingriff an den Schiffswänden im Jahr 1960. Die (vielleicht schlecht erhaltenen) Apostelbilder des 17. Jahrhunderts wurden durch schwache Umrisskopien mit leichter Farbtönung ersetzt, und zwar auf einer neuen Putzschicht. Von den originalen Malereien, die Erwin Poeschel 1942 im Kunstdenkmälerband noch abbildete (St. Andreas und St. Jakobus), haben sich nur geringe Reste erhalten. Nach der Freilegung der weitgehend erhaltenen Malereien des 17. und 18. Jahrhunderts wirkten die Malereikopien deplatziert, weshalb man sich entschloss, die Kopien mit einer Kalkübermalung zuzudecken.

Die baulichen Massnahmen

Die rostigen Blechdächer auf Chor, Schiff, Sakristei und Dachreiter sind durch Lärchenschindeldächer ersetzt worden. Den Zwiebelhelm des Dachreiters hat man nach Analogien (wie bei St. Sebastian in Degen) rot bemalt, die senkrechte Schalung der Turmstube nach Befund in grüner Ölfarbe gestrichen.
Aus statischen Gründen mussten die Fundamente der angebauten Sakristei und des Chors unterfangen werden. Zum Schutz der Fundamente und des Sockelputzes ist eine Sickerleitung eingebaut und sind Dachtraufen aus Weissmetall angebracht worden.
Der reich mit Rankenwerk und vier gedrehten Säulen gezierte Spätbarockaltar birgt ein älteres Altarbild aus dem 17. Jahrhundert, das die Muttergottes mit Christkind über den Pestheiligen St. Sebastian und St. Rochus zeigt. Wohl ein Werk des Churer Hofmalers Johann Rudolf Sturn, der auch die Pfarrkirche von Lumbrein ausmalte.

Unerwartete Funde

Drei seltene Funde im Dachboden der Kirche waren für alle an der Restaurierung beteiligten eine grosse Freude und Überraschung. Wohl im Jahre 1928 hatte man die originale barocke Kirchentüre durch eine banale Brettertüre ersetzt. Statt die alte Türe jedoch zu verbrennen hat man sie rücksichtsvoll im Kirchenestrich deponiert. Dort hat sie der Architekt Bruno Indergand, Cumbel, entdeckt. Sie ziert heute wieder die Eingangstüre der Kapelle. Besonders bemerkenswert sind die Flachschnitt-Zierden der vier Türfüllungen, nämlich zweimal die Darstellung einer Kirche mit Glockenturm samt Turmhahn und zweimal eine heraldische Lilie.
Aber auch originale Fensterrahmen aus der Bauzeit von 1643 aus Lärchenholz lagen im Dachboden. Sie zeigen im Spitzbogen die aus einem massiven Holzbrett geschnitzten Fischblasen-Masswerke und einen profilierten Mittelpfosten in Anlehnung an die Steinfenster spätgotischer Landkirchen. Zwei der originalen Fensterrahmen wurden im Chor eingebaut und neu mit Butzenscheiben verbleit. Die Fensterrahmen im Schiff sind nach den Originalen vom Schreiner nachgebaut worden.
Zuletzt fanden sich auch noch die wesentlichen Bestandteile einer Orgel aus dem 19. Jahrhundert, die Erwin Poeschel wohl noch auf der heute fehlenden Holzempore von 1824 gesehen hat.
Zahlreiche Spenden haben die sorgfältige Gesamtkonservierung und Restaurierung der Kapelle Sogn Bistgaun ermöglicht. Noch fehlen die Mittel für die fachgerechte Wiederherstellung der kleinen, kostbaren Orgel. Wenn am 24. Juni diese Kapelle geweiht wird, fehlt also noch die kostbare Stimme der kleinen Orgel im barocken Gesamtkunstwerk. Es ist der Kapelle und den Leuten von Silgin zu wünschen, dass auch dafür die notwendigen Mittel noch gespendet werden.
Dieser Text liegt nur in deutscher Sprache vor.
Gremium: Denkmalpflege
Quelle: dt Denkmalpflege

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