Bei Ausgrabungen auf der Burganlage Hohenrätien (Gemeinde Sils i.D.)
konnte der Archäologische Dienst Graubünden (ADG) die Überreste einer
frühmittelalterlichen Taufkapelle freilegen. Der Bau, der bisher völlig
unbekannt unter grossen Mengen Schutt verborgen lag, wurde im fünften
bis sechsten Jahrhundert nach Christi Geburt errichtet und stellt damit
eines der ältesten Sakralgebäude im Kanton Graubünden dar.
Gut erhalten und jetzt sichtbar sind die bis zu zwei Meter hohen
Mauern mit Verputzresten und einer halbrunden Apsis im Osten, und das
zentrale, in den Mörtelboden eingelassene achteckige Taufbecken
(Piscina). Vergleichbare frühmittelalterliche Taufanlagen (Baptisterien)
waren in der näheren Umgebung bisher nur aus dem Kloster Disentis und
aus Schaan FL bekannt. Sie stammen aus einer Zeit, in der noch
überwiegend Erwachsene getauft wurden, die bei der Zeremonie bis zu den
Knien im Wasser des Taufbeckens stehend vom Priester übergossen wurden.
Erst ab dem achten Jahrhundert wurde das heute gebräuchliche Ritual
eingeführt und vorrangig bei Kindern angewendet, sodass die uns
bekannten erhöhten Taufsteine notwendig wurden.
Das Baptisterium von Hohenrätien wurde an einen älteren, bislang
noch nicht freigelegten Bau angefügt, der mit hoher Wahrscheinlichkeit
die älteste Kirche auf der Burg darstellt und erst um 1400 von der heute
noch bestehenden Kirche St. Johannes Baptist abgelöst wurde. Viele
Verputzfragmente, teilweise bunt bemalt und von ausserordentlich hoher
Qualität, stammen vermutlich von der Ausstattung dieses Gebäudes. Die
Ausgrabenden versprechen sich von den noch laufenden Untersuchungen auch
Aufschlüsse zur Datierung der unmittelbar östlich der Taufkapelle
vorbeiziehenden Wehrmauer der Anlage. Ein westlich direkt ausserhalb des
Baptisteriums aufgedecktes Grab weist auf mögliche weitere Bestattungen
hin.
Die Grabungsergebnisse stellen nun auch die ältere Geschichte der
Burg Hohenrätien, über die bislang nur wenig konkrete Aussagen möglich
waren, in ein völlig neues Licht. Sie muss jetzt als eine der ältesten
Burgen der Schweiz angesehen werden; mit ungebrochener tausendjähriger
Benutzung vom 5./6. bis ins 15. Jahrhundert.
Gremium: Archäologischer Dienst Graubünden
Quelle: dt Archäologischer Dienst Graubünden