Am 29. Juli 2001 wird der kleine Sakralbau neu geweiht.
Wo sich die Valsertalstrasse beim Tobel von Bucarischuna verengt und
der gefährlichste Strassenabschnitt über der Schlucht des Valserrheins
bis zur Rheinbrücke folgt, wacht seit 245 Jahren, nämlich seit dem Jahr
1756, wie das Datum am Glockengiebel zeigt, die Kapelle der Heiligen
Anna am Strassensaum. Das winzige bloss 4.2 auf 2.15 Meter messende
Gotteshaus hat Jahrhunderte lang Trost gespendet und in Lebensgefahr
geholfen, nun stand es plötzlich dem motorisierten Verkehr im Wege.
Bergseits steht ein prächtiges, gestricktes Walserhaus, talseitig gähnt die Schlucht des Valserrheins, ein Ausweichen war ohne riesigen
Aufwand nicht möglich.
Die Gemeindevertreter von St. Martin und Vals trafen sich mit den
kantonalen Ämtern des Tiefbaus, der Natur- und Landschaft, der
Denkmalpflege und erwogen kühne und kostspielige Aktionen:
Kapellenverschiebung, Hausverschiebung, Lehnentrassierung als
flussseitige Umfahrung, Lichtsignalanlage...
Da nachweislich noch nie ein schwererer Unfall an diesem Nadelöhr
zwischen Kapelle und Wohnhaus geschehen war, einigten sich schliesslich
alle Beteiligten auf das Naheliegendste: Beibehalten des bestehenden
Engpasses!
Damit war die Voraussetzung gegeben, für eine sorgfältige,
umfassende Gesamtkonservierung der Kapelle.
Jüngere Zementputze im Sockelbereich wurden durch verlängerten
Kalkmörtel ersetzt. Alle Fassaden und das Innere neu gekalkt. Die
Dachplatten aus Gneis hat man neu gerichtet. Das verfaulte Glockenjoch
durch ein neues aus Lärchenholz ersetzt, das die alte Glocke trägt: "AUS
DEM FEUER FLOSS ICH CHRISTIAN FELIX GOSS MICH IN FELDKIRCH 1765" lautet
die Inschrift auf dem Glockenrand.
Die Eingangsfront ziert ein eingezogenes Blendbogen-Feld,
konzentrisch im Bogenfeld öffnet sich ein Halbrund-Fenster, das erneut
ein von Restaurator Curdin Joos ergänzter goldgelber Strahlenkranz
säumt. Die Eingangstüre und die drei schlichten Holzsprossen-Fenster des
20. Jahrhunderts wurden instandgestellt und geölt.
Der Stuckaltar mit rot-gelb marmorierten Halbsäulen und schweren
eingerollten Voluten ist mit blauen Zierfeldern und feinen goldenen
Leisten wiederhergestellt. Das naive Altarblatt zeigt Anna, Maria und
Christus (Anna Selbdritt) und einen knienden Bischof, wohl den heiligen
Nikolaus als Beschützer der Pilger und Reisenden. Als Kirchenzier sind
zudem zwei barocke Holzsilber-Leuchter und zwei golden gewandete
Leuchterengel von der Firma Jörg Joos, Andeer, restauriert worden. Eine
barocke Holzplastik, die Grossmutter Anna, die Mutter Maria und das
Christkind darstellend, war leider bereits mit einer vollständig neuen
Fassung versehen. Wir wissen nicht, wie die originale Barockbemalung
ausgesehen hat.
Auf dem hölzernen Antependium vor dem Altar und an den Wänden von
Schiff und Chor sind eigenwillig unbeholfene und gerade darum anrührende
Blumengebinde wohl von einem Wanderkünstler um 1800 gemalt worden.
Zahlreiche Rötelinschriften an den Wänden, aber auch zwei
grauschwarze kleine Totenkreuze an der Eingangswand künden von Not,
Angst und Tod aber auch von wunderbarer Rettung und Erlösung. Unzählige
Personen haben in den vergangenen zehn Generationen dieses kleine
Gotteshaus am schaurigen Abgrund besucht.
Der Kirchgemeinde St. Martin-Tersnaus sei herzlich gedankt, dass sie
nach ihrer Pfarrkirche St. Apollinaris und Maria Magdalena, der
Filialkirche St. Martin, den Kapellen St. Katharina und St. Antonius von
Padua in Travisasch nun auch der kleinsten Kapelle St. Anna in
Bucarischuna eine fachmännische, denkmalgerechte Konservierung
angedeihen liess. Dem ungenannten grossen Spender und den vielen kleinen
Spendern sei ebenfalls herzlich gedankt. Der Architekt Bruno Indergand
aus Cumbel hat nicht nur die Konservierungsarbeiten umsichtig geleitet,
sondern auch die Spenden auf diesen gefährdeten Sakralbau gelenkt. Der
Dank gilt aber auch allen Verantwortlichen beider Gemeinden und des
kantonalen Tiefbauamts, die dem ungeschmälerten Fortbestand des
zierlichen Sakralbaus schliesslich überzeugt zugestimmt haben.
Hans Rutishauser, Denkmalpfleger
Gremium: Denkmalpflege Graubünden
Quelle: dt Denkmalpflege Graubünden