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Die Vorberatungskommission des Grossen Rates unterstützt den Entwurf der Regierung für eine neue Verfassung. Der Entwurf verbindet Bewährtes mit notwendigen Reformen und trägt den Gegebenheiten im Kanton Graubünden Rechnung. In einzelnen Punkten schlägt die Kommission andere Lösungen vor.

Die Totalrevision der Kantonsverfassung verfolgt das Ziel, ein modernes, bürgernahes und zukunftsgerichtetes Grundgesetz zu schaffen, das auf gewachsenen Grundlagen aufbaut und heutigen wie zukünftigen Anforderung genügen kann. Die grossrätliche Vorberatungskommission unter dem Vorsitz von Barla Cahannes Renggli und Andrea Brüesch steht hinter diesem Ziel. Sie erachtet den Entwurf der Regierung insgesamt für gut und ausgewogen. Im Hinblick auf die Sondersession des Grossen Rates Mitte Juni hat die Kommission den ersten Teil der neuen Verfassung im Beisein von Regierungsrätin Eveline Widmer-Schlumpf beraten. Die Beratungen zum zweiten Teil sind noch im Gang. Mit der Totalrevision der Kantonsverfassung besteht die Möglichkeit, staatspolitische Grundsatzfragen zur Diskussion zu stellen. Sie bietet die umfassende Gelegenheit, Reformen und Anpassungen dort vorzunehmen, wo die geltende Verfassung nicht mehr zeitgemäss ist.

Die grösste Neuerung betrifft die Parlamentswahlen. Die Kommission hat durch Mehrheitsbeschluss entschieden, dem Grossen Rat im Rahmen der ersten Lesung einen Vorschlag zu unterbreiten. Das vorgesehene "Bündner Modell" vereint die klassischen Wahlverfahren Majorz und Proporz in einem Wahlsystem. Dabei trägt es den Bedürfnissen der Bevölkerung in den Randregionen wie auch der politischen Minderheiten Rechnung. Beim "Bündner Modell" wird in jedem der 39 Kreise ein Mitglied des Grossen Rates nach dem Majorz-Wahlverfahren gewählt (Direktmandat). Die Wahl der anderen 81 Mitglieder des Grossen Rates erfolgt in den elf Bezirken nach dem Proporz-Wahlverfahren. Dabei sind die Direktmandate zu berücksichtigen. Das "Bündner Modell" ist ein eigenständiges, auf den Kanton Graubünden zugeschnittenes Wahlsystem.

Die Dreisprachigkeit ist ein "Markenzeichen" des Kantons Graubünden und eine grosse Herausforderung. Die neue Verfassung verpflichtet Kanton und Gemeinden, das Rätoromanische und das Italienische als kantonale Landes- und Amtssprachen zu fördern und zu schützen. Die Kommission vertritt klar die Auffassung, dass die Gemeinden ihre Amts- und Schulsprachen künftig im Zusammenwirken mit dem Kanton festlegen sollen.

Den Volksrechten kommt in unserem Kanton eine grosse Bedeutung zu. Ziel der Reform sind demokratische und gleichzeitig sach- und zeitgerechte Entscheidungsverfahren, die aufeinander abgestimmt sind und ein ausgewogenes Ganzes bilden. Die geplanten Neuerungen sollen den Stimmberechtigten und den staatlichen Behörden klare Vorteile bringen. Nicht bestritten sind daher die Anpassungen bei der Volksinitiative, namentlich die Reduktion der Unterschriftenzahlen. Durch das Initiativ- und das Referendumsrecht für Gemeinden werden zudem die Einflussmöglichkeiten der Regionen gestärkt. Unbestritten ist auch der Wechsel vom obligatorischen zum fakultativen Referendum für Gesetze. Keine Einigkeit besteht jedoch bei der Frage, ob neben 1'500 Stimmberechtigten oder 20 Gemeinden auch eine Minderheit des Grossen Rates die Volksabstimmung verlangen kann. Weiter will die Kommission die Gemeinden ermächtigen, Ausländerinnen und Ausländern das Stimm- und Wahlrecht auf Gemeindeebene einzuräumen.

Bei den weiteren Anträgen der Vorberatungskommission fallen vor allem jene zu den Grundrechten und der Gesetzgebung auf. Während eine Kommissionshälfte den Vorschlag der Regierung unterstützt, schlägt die andere Hälfte vor, die Aufzählung der Grundrechte aus der neuen Verfassung zu streichen. In Bezug auf die Rechtssetzung strebt die Kommission mehrheitlich eine Vereinfachung der Zuständigkeiten an, um auch in diesem Bereich schlanke Strukturen zu schaffen. Dabei geht es insbesondere um den Umfang des Verordnungsrechtes des Grossen Rates. Aufgrund des Wechsels zum fakultativen Gesetzesreferendum erachtet es die Mehrheit für sinnvoll, das Verordnungsrecht des Grossen Rates einzuschränken und die direkte Demokratie zu stärken.

Eine Verfassung drückt in grundsätzlichen Bestimmungen aus, wie die Bürgerinnen und Bürger ihren Staat in Bezug auf die öffentlichen Aufgaben, die Behördenorganisation sowie ihre Rechte und Pflichten ausgestalten wollen. Sie muss versuchen, die Gemeinsamkeiten innerhalb des Kantons zu erfassen. Die grossrätliche Kommission will im Rahmen des gegebenen Handlungsspielraums selbstbewusst die Eigenstaatlichkeit des Kantons Graubünden fördern. Die Vernehmlassung hat gezeigt, dass dieser Ansatz, den bislang alle Kantone gewählt haben, mehrheitsfähig ist.

Am 28. September 1997 haben die Stimmberechtigten beschlossen, die Verfassung des Kantons Graubünden einer Totalrevision zu unterziehen. Die Regierung setzte im Januar 1998 eine ausserparlamentarische Kommission ein und beauftragte sie mit der Ausarbeitung einer neuen Verfassung. Im Rahmen einer breiten Vernehmlassung, die bis Ende März des letzten Jahres dauerte, konnten sich alle interessierten Personen und Gruppierungen zum Vorentwurf dieser Kommission äussern. Gestützt auf die Ergebnisse der Vernehmlassung hat die Regierung Anfang dieses Jahres Botschaft und Entwurf an den Grossen Rat gerichtet. Die 21-köpfige Vorberatungskommission hat den Vorschlag der Regierung in insgesamt 13 Ausschuss- und bislang 7 Plenarsitzungen diskutiert. Der Grosse Rat berät die Vorlage in erster Lesung im Rahmen von zwei Sondersessionen im Juni und im August. Die zweite Lesung findet voraussichtlich in der Oktober-Session statt. Im nächsten Jahr entscheiden dann die Stimmberechtigten des Kantons über die neue Verfassung.

Gremium: Vorberatungskommission des Grossen Rates
Quelle: dt Vorberatungskommission des Grossen Rates
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