Von Regierungsrätin, Dr. Eveline Widmer-Schlumpf
Wir verfügen über eine handlungs- und leistungsfähige Verwaltung und
Graubünden profitiert heute noch von geordneten Kantonsfinanzen. Der
finanzielle Handlungsspielraum des Kantons wird aber seit Jahren
zusehends enger und die Dynamik in der Haushaltführung nimmt
kontinuierlich zu. Eine effiziente und flexible Steuerung des jährlichen
Budgets wird immer wichtiger.
Die Budgethoheit des Grossen Rates ist in Artikel 35 der
Kantonsverfassung verankert: Der Grosse Rat beschliesst jährlich über
das kantonale Budget. Allein ihm steht das Recht zu, die
Budgetkreditpositionen für sämtliche kantonalen Ausgaben und Einnahmen
festzulegen. Die Verfassung ist sehr eng gefasst und lässt keinen
Spielraum, diese Kompetenz an eine andere Instanz zu delegieren.
Die geltende Regelung hat sich an sich bewährt - die Budgethoheit
hat der Grosse Rat - und soll im Grundsatz auch so belassen werden. Der
Vergleich mit anderen Kantonen sowie mit zahlreichen Bündner Gemeinden
macht indessen deutlich, dass es gute Gründe gibt, diesen Grundsatz
nicht allzu strikte zu befolgen. Entsprechend wurde denn auch aus dem
Grossen Rat das Anliegen vorgebracht, das Budget sollte flexibler
gesteuert werden können. Für ganz bestimmte Finanzgeschäfte brauchen wir
mehr Flexibilität und raschere Abläufe.
Fortschritte setzen Handlungsspielräume voraus
In der Junisession 2004 hat der Grosse Rat das neue
Finanzhaushaltsgesetz behandelt und mit 88 zu 0 Stimmen verabschiedet.
Dieses Gesetz beinhaltet ein zeitgemässes Haushaltsrecht mit zahlreichen
Verbesserungen. Unter anderem wurden wichtige und auch neue Anliegen in
der Budgetsteuerung berücksichtigt; so die Möglichkeit des Grossen
Rates, seine Budgetkompetenzen in Spezialbereichen zu delegieren. Das
Finanzhaushaltsgesetz soll auf den 1. Januar 2005 in Kraft gesetzt
werden.
Im neuen Finanzhaushaltsgesetz sind für genau definierte Fälle
Delegationen zur Bewilligung von Budgetkrediten vorgesehen. Die
Geschäftsprüfungskommission (GPK) soll allfällige globale
Budgetkürzungen des Grossen Rates auf den Einzelkonten umsetzen sowie
sämtliche Nachtragskredit-Gesuche der Regierung abschliessend
bewilligen; dies auch dann, wenn sie während einer Grossrats-Session zur
Behandlung anstehen. Die Regierung erhält ihrerseits das Recht, ohne
Kreditvorbehalt des Grossen Rates sämtliche Ausgaben bei einer
Neuaufnahme von kurz- und langfristigem Fremdkapital (wie Kommissionen,
Stempelabgaben und Zinsen) zu beschliessen sowie bereits bestehende
Kraftwerkbeteiligungen aufzustocken.
Die neuen Kompetenzen der GPK sind klar abgegrenzt. Sie sind sach-
und stufengerecht. Die Delegationen an die Regierung beschränken sich
auf Bank- oder Börsengeschäfte, die in der Regel rasche Entscheide
erfordern. Für eine allfällige Aufstockung einer bestehenden Beteiligung
an Kraftwerkunternehmen sind oft unter grossem Zeitdruck Verhandlungen
zu führen. Die Regierung soll daher ohne Einbezug des Grossen Rates oder
einer grossrätlichen Kommission entscheiden können.
Mit diesen Delegationen kann das Genehmigungsverfahren im
Budgetprozess und im Bereich der Nachtragskredite vereinfacht und
beschleunigt werden. Sie machen jedoch eine Ergänzung von Artikel 35 der
Kantonsverfassung erforderlich.
Standfest im Grundsätzlichen und flexibel im Speziellen
Der Grosse Rat legt nach wie vor das jährliche Budget fest. Er soll
aber neu in Bezug auf die Budgetgenehmigung - im Sinne von Ausnahmen in
klar begrenztem Umfang - Ausnahmeregelungen zulassen bzw. Kompetenzen
delegieren können. Derartige Delegationen müssen in einem Gesetz
festhalten sein. Angesprochen ist damit das Finanzhaushaltsgesetz.
Von der Revision unberührt bleibt die Verpflichtung, dass für jede
Ausgabe eine gesetzliche Grundlage gegeben sein muss. Die
Finanzkompetenzen des Volkes bleiben ebenfalls unverändert.
Die sich beschleunigenden Veränderungen in der Wirtschaft und
Gesellschaft sowie die umfangreichen Sanierungs- und Strukturmassnahmen
zum Erhalt eines soliden Staatshaushaltes führen nicht zuletzt zu einer
ungeheuren Dynamik in der Verwaltungs- und Haushaltsführung. Das Rad
dreht sich offensichtlich immer schneller. Die Ansprüche an den Grossen
Rat, an die Regierung und Verwaltung nehmen zu. Wir müssen uns diesen
Herausforderungen stellen. Stillstand bedeutet in einem dynamischen
Umfeld bekanntlich Rückschritt. Die erforderliche Verfassungsrevision
ist nur ein kleiner Eingriff. Sie bringt aber eine positive Haltung zum
Ausdruck, die geprägt ist vom Anliegen, Bewährtes fortzuführen und
zugleich dem Wandel offen zu begegnen.
Gremium: Finanz- und Militärdepartement
Quelle: dt Finanz- und Militärdepartement