Von Regierungsrätin Eveline Widmer-Schlumpf
Familienzulagen: Bedeutung und Berechtigung
Um die Familienlasten teilweise auszugleichen, werden den
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie Selbstständigerwerbenden, die
dem Gesetz unterstellt sind, Familienzulagen ausgerichtet. Seit dem 01.
Januar 2003 betragen die Mindestzulagen 175 Franken pro Monat für Kinder
bis zur Vollendung des 16. Altersjahrs und 200 Franken pro Monat für
Kinder nach Vollendung des 16. Altersjahrs. Der höhere Ansatz gilt für
Jugendliche in Ausbildung bis höchstens zum vollendeten 25. Altersjahr,
sofern sie nicht einen wesentlichen Erwerb erzielen. Man spricht bei den
höheren Zulagen deshalb auch von Ausbildungszulagen.
Familienzulagen sind die wichtigste Form des
Familienlastenausgleichs. Weitere Elemente der Familienpolitik wie
Steuerabzüge, Erziehungsgutschriften der AHV, Stipendien, Verbilligung
der Krankenkassenprämien für Familien oder familienergänzende
Kinderbetreuung haben zwar ebenfalls grosse Bedeutung, vermögen jedoch
eine wirksame und den heutigen Verhältnissen angepasste
Familienzulagenordnung nicht zu ersetzen.
Nachteile der geltenden Regelung
Die zentralen Säulen, auf denen das System der Sozialversicherungen
in der Schweiz aufgebaut ist, sind die traditionelle Familienform und
die Vollbeschäftigung; zwei Voraussetzungen, die der heutigen
gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Realität häufig nicht mehr
entsprechen. Die gesellschaftlichen Änderungen drücken sich im
Erwerbsleben insbesondere in der Zunahme der Teilzeiterwerbstätigkeit
aus, wobei diese vor allem von Frauen ausgeübt wird.
Die Stellung der Teilzeiterwerbstätigen im Hinblick auf die
Familienzulagen ist unbefriedigend, insbesondere bei allein Erziehenden.
Zudem bestehen bei mehreren potentiellen Leistungsbezügern oft
Unsicherheiten mit Bezug auf das Verhältnis der Ansprüche
(Anspruchskonkurrenz). Schliesslich wird es heute zunehmend als stossend
empfunden, wenn die tatsächlichen sozialen Verhältnisse (z.B. Familien
mit Stiefkindern, Konkubinat) bei den Familienzulagen nicht
berücksichtigt werden. Den genannten wirtschaftlichen und
gesellschaftlichen Verhältnissen vermag die geltende Regelung der
Familienzulagen im Kanton Graubünden nicht mehr gerecht zu werden.
Nach geltendem Recht haben nur Vollbeschäftigte und allein
Erziehende mit einem Arbeitspensum von mindestens 50 Prozent der
betriebsüblichen Arbeitszeit Anspruch auf die volle Familienzulage.
Teilerwerbstätige haben heute nur Anspruch auf eine Teilzulage
entsprechend ihrem Beschäftigungsumfang.
Wichtigste Neuerungen der Revisionsvorlage
Am 8. Februar 2004 stimmen Sie, liebe Stimmbürgerinnen und
Stimmbürger über das neue kantonale Familienzulagengesetz ab. Welches
sind die wichtigsten Neuerungen?
Das revidierte Gesetz sieht vor, nur noch volle Zulagen auszuzahlen.
Dafür genügt ein Beschäftigungsgrad der Arbeitnehmerin bzw. des
Arbeitnehmers von 20 Prozent der betriebsüblichen Arbeitszeit. Zwei oder
mehrere Teilpensen von unter 20 Prozent können zusammengezählt werden.
In erster Linie begründen die eigenen Kinder (und adoptierte Kinder)
einen Anspruch auf Familienzulagen. Auf Grund des revidierten Gesetzes
kommen diejenigen Personen in den Genuss der Kinderzulagen, die für den
Unterhalt der Kinder besorgt sind. Mit dem vorgesehenen Einbezug aller
Kinder, für deren Unterhalt (Pflege, Erziehung und Kosten) in einem
wesentlichen Ausmass gesorgt wird, kann vermehrt auf die tatsächlichen
sozialen Verhältnisse Rücksicht genommen werden.
Die unterschiedlichen Mitgliederstrukturen der
Familienausgleichskassen führen zu einer Ungleichbehandlung der
Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Kassen mit Mitgliedern, die tendenziell
tiefere Löhne ausrichten und viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
mit Kindern beschäftigen, müssen hohe Beitragssätze erheben und können
in der Regel nur die von der Regierung beschlossenen Mindestleistungen
erbringen. Um den Ausgleichs- und Solidaritätsgedanken zu stärken, sieht
das revidierte Gesetz ein Lastenausgleichssystem vor, das einen
moderaten finanziellen Ausgleich schafft und gleichzeitig die Freiheiten
der Familienausgleichskassen weitgehend wahrt.
Für den Kanton Graubünden hat diese Gesetzesrevision keine
Mehrkosten zur Folge. Die Gemeinden bzw. ihre sozialen Dienste werden
durch die Ausrichtung der vollen Kinderzulagen bereits ab einem
Arbeitspensum der anspruchsberechtigten Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer von 20 Prozent finanziell entlastet.
Der Grosse Rat hat das totalrevidierte kantonale
Familienzulagengesetz mit 107 : 0 Stimmen zu Handen der Volksabstimmung
verabschiedet. Ich bitte Sie, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, dieser
Abstimmungsvorlage ebenfalls zuzustimmen.
Gremium: Finanz- und Militärdepartement
Quelle: dt Finanz- und Militärdepartement