Regierungsrat Hansjörg Trachsel schlägt zusammen mit seinem
Projektteam und einer Expertengruppe eine klare Aufgabenteilung zwischen
lokalen und regionalen Tourismusorganisationen vor. Die damit ausgelöste
neue Destinationsstruktur für den Bündner Tourismus soll dem drastischen
Rückgang der Nachfrage begegnen, welche Graubünden seit 1990 im
Tourismus 2'600 Stellen gekostet hat. Gleichzeitig wächst der
internationale Tourismus derzeit jährlich um 4 Prozent und gilt als die
Zukunftsbranche des 21. Jahrhunderts.
"Der Bündner Tourismus muss mehr Gäste gewinnen und wieder neue
Arbeitsplätze schaffen", erklärte Hansjörg Trachsel, Vorsteher des
Departementes des Innern und der Volkswirtschaft, an einer
Medienorientierung in Chur. Er präsentierte dabei die Resultate von drei
Untersuchungen: Die Bekanntheit von alpinen Schweizer
Destinations-Marken in der Schweiz und Deutschland, die finanzielle und
strukturelle Situation der 92 Tourismusorganisationen in Graubünden
sowie die Analyse der Strukturen und Aufgabenteilung inklusive
strategischer Ansätze zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit.
"Destinationen müssen über Strukturen verfügen, die zukünftig die
Ausarbeitung schlagkräftiger Strategien und die Entwicklung innovativer
Produkte ermöglichen", meinte Hansjörg Trachsel.
Konzentration auf bekannte Marken
Die einzigen Bündner Marken mit Potential sind Graubünden, Davos,
St. Moritz, Engadin und Arosa. In Deutschland kennen gemäss der Umfrage
der Universität St. Gallen (HSG) die Hälfte der Befragten spontan keine
einzige Schweizer Marke in den Alpen. Am bekanntesten in Deutschland
sind St. Moritz und Davos, während in der Schweiz das Wallis und das
Berner Oberland vor Graubünden, Engadin und Davos liegen. "Das
Tourismusmarketing in Graubünden muss sich auf bestehende Marken mit
Potential konzentrieren. Auf den Einsatz von finanziellen Mitteln zur
Pflege von Marken, welche ungenügend wahrgenommen werden, ist künftig zu
verzichten", betonte Eugen Arpagaus, Amtsvorsteher des Amtes für
Wirtschaft und Tourismus Graubünden.
Ineffiziente Struktur
Eine Umfrage des Amtes für Wirtschaft und Tourismus bei den 92
Bündner Tourismusorganisationen ergibt ein klares Bild: Sie sind sehr
klein strukturiert, haben als Einzelne geringe Marketinggelder und sind
gemäss eigenen Aussagen nicht in der Lage, künftig neue Gäste zu
akquirieren. Von den total ca. 74 Mio. Franken, welche den
Tourismusorganisationen zur Verfügung stehen, werden für eigentliche
Marketingmassnahmen lediglich ca. 16 Mio. Franken verwendet. Rund die
Hälfte der Organisationen verfügt über ein Marketingbudget, welches
kleiner als 50'000.- Franken ist. 293 Beschäftigten stehen 428
Vorstandsmitglieder gegenüber. Projektteam und Expertengruppe sind sich
einig: Die Tourismusorganisationen geben zu viel Geld für klassische
Werbung wie Broschüren, Inserate und Plakate aus. Dabei werden neue
Instrumente wie Internet und Buchungsplattformen genauso vernachlässigt
wie die Bearbeitung neuer Märkte.
Aufgabenteilung führt zu neuen Strukturen
Wie Prof. Thomas Bieger von der Universität St. Gallen (HSG)
ausführte, schlägt das Projektteam und die Expertengruppe als
strategische Massnahme eine klare Aufgabenteilung zwischen lokalen und
regionalen Tourismusorganisationen vor. Durch die Beseitigung von
Doppelspurigkeiten und die Bündelung finanzieller Mittel erhalte der
Bündner Tourismus die Chance, wieder neue Gäste zu gewinnen und damit
die Wirtschaft gesamthaft zu stärken. "Die regionalen
Tourismusorganisationen haben die Möglichkeit zu Destination Management
Organisation (DMO) zu werden, wenn sie als eigenständige Destinationen
klare Kriterien erfüllen", so Thomas Bieger. Graubünden Ferien (GRF)
werde mit der Marke Graubünden zur DMO für jene Regionen, welche selbst
die Anforderungen an eine DMO nicht erfüllen und sich auch keiner
andern, selbständigen DMO anschliessen. Das Tätigkeitsfeld von GRF müsse
sich erweitern, um die verstärkte Koordination der übergeordneten
Marketingmassnahmen und Produktgestaltungen sowie die Medienarbeit für
den Bündner Tourismus sicherzustellen. Zur Stärkung des Verkaufes und
der Selbständigkeit der DMO werden laut Thomas Bieger die Aufgaben neu
in territoriale Aufgaben und Produkteaufgaben gegliedert. Territoriale
Aufgaben sind solche für definierte Partner in einem abgegrenzten
geografischen Raum. Produkteaufgaben befriedigen die eigentlichen
Kundenbedürfnisse und ermöglichen eine Zusammenarbeit über territoriale
Grenzen hinweg.
Grössere Budgets
Gemäss der Expertengruppe aus dem Bündner Tourismus verfügt eine
wettbewerbsfähige Destination künftig über ein Budget von ca. 7 Mio.
Franken und ca. 2 Mio. Logiernächte, um sich im Markt behaupten zu
können. Für Graubünden Ferien brauche es für die bestehenden und
zusätzlichen Aufgaben ein Budget von ca. 10 Mio. Franken. Grundsätzlich
sieht die Universität St. Gallen laut Thomas Bieger nur für folgende
Gebiete das Potential, den gestiegenen Anforderungen an eine Destination
gerecht zu werden: Graubünden, St. Moritz-Engadin, Davos-Klosters,
Flims-Laax, Arosa, Lenzerheide, Scuol-Engadin sowie Samnaun-Ischgl. Als
Mitglieder der Expertengruppe unterstützen Armin Egger, Direktor Davos
Tourismus, sowie Denise Dillier, Direktorin Splügen/Rheinwald Tourismus
diese Konzentration: "Es ist höchste Zeit, dass Graubünden seine
touristischen Strukturen den Bedürfnissen des Marktes anpasst", erklärte
Armin Egger. Und Denise Dillier sieht im Projekt auch grosse Chancen für
die vermeintlich Kleinen: "mit innovativen Produkte können wir wichtige
Partner von Destinationen oder Graubünden Ferien werden".
Umsetzungskonzept bis Ende Sommer
Laut Eugen Arpagaus werden jetzt in einem ersten Schritt die
Tourismusinteressenz sowie die politischen Behörden über den
Projektstand informiert und deren Meinung eingeholt. Bis Ende Sommer
2006 lägen dann konkrete Umsetzungsvorschläge und ein Realisierungsplan
vor. Darin enthalten seien die detaillierten Anforderungen an eine
Destination sowie Finanzierungsmassnahmen, welche derzeit noch rechtlich
abgeklärt würden. Dem Kanton Graubünden sei klar, dass es zur Umsetzung
der Pläne finanzielle Anreize brauche. Die Tourismusorganisationen haben
bei der Strukturreform die Wahl: Entweder schliessen sie sich DMO an
oder machen als Region bei Graubünden Ferien mit. "Wer den Alleingang
wählt, wird jedoch keine Fördermittel erhalten", so Eugen Arpagaus. Der
Kanton wolle die Strukturen ändern, die Hoheit über das Marketing und
die entsprechenden Massnahmen seien aber weiterhin bei den
Tourismusorganisationen. "Die Realisierung der Strukturreform wird
mehrere Jahre dauern - darum müssen wir möglichst rasch damit beginnen.
Ohne Unterstützung der Tourismusbranche ist dies aber nicht möglich", so
der Aufruf von Regierungsrat Hansjörg Trachsel. "Wir brauchen wieder
mehr neue Gäste, um möglichst schnell auf die Logiernächtezahlen zu
kommen, die wir anfangs der 90er-Jahre mal hatten", meinte der Vorsteher
des Departementes des Innern und der Volkswirtschaft.
Projektteam und Expertengruppe
Auftraggeber: Regierungsrat Hansjörg Trachsel (Vorsteher Departement
des Innern und der Volkswirtschaft). Projektleitung: Eugen Arpagaus
(Amtsvorsteher Amt für Wirtschaft und Tourismus, AWT), Sonja Kohler
(Projekt-Assistenz). Projektteam: Beat Ryffel (Departementssekretär),
Michael Caflisch (AWT), Thomas Bieger (Professor Universität St. Gallen,
HSG), Philipp Boksberger, (Hochschule für Technik und Wirtschaft Chur,
HTW), Olivier Federspiel (Direktor Graubünden Ferien, GRF).
Expertengruppe: Hanspeter Danuser (Direktor Kur- und Verkehrsverein St.
Moritz); Denise Dillier (Direktorin Splügen/Rheinwald Tourismus), Armin
Egger (Direktor Davos Tourismus), Reto Gurtner (Präsident Weisse Arena
Gruppe), Peter Keller (Ressort Tourismus Staatssekretariat für
Wirtschaft, seco); Ernst Nigg (Präsident Kommission für Wirtschaft,
Abgaben und Staatspolitik des Grossen Rates); Erwin Rutishauser
(Direktor Rhätische Bahn AG, RhB); Hans-Kaspar Schwarzenbach (Direktor
Arosa Tourismus), Andreas Züllig (Präsident Hotelierverein Graubünden).
Ab März 2006: Vendelin Coray (Direktor Savognin Tourismus im Surses),
Markus Schenk (Geschäftsführer Disentis Sedrun Tourismus), Urs Wohler
(Direktor Engadin/Scuol Tourismus AG).
Die Berichte "Bekanntheit von alpinen Schweizer
Destinations-Marken", "Resultate der Umfrage bei den
Tourismusorganisationen im Kanton Graubünden" sowie "Wettbewerbsfähige
Strukturen und Aufgabenteilung im Bündner Tourismus - Teil1:
Ausgangsanalyse" stehen unter www.awt.gr.ch (Übersicht/Dokumente) zum
Download zur Verfügung. Die Kurzfassung des Projektes kann beim Amt für
Wirtschaft und Tourismus (AWT), Grabenstrasse 1, 7001 Chur, oder unter
Telefon 081 257 23 42 bzw. info@awt.gr.ch bestellt werden.
Gremium: Departement des Innern und der Volkswirtschaft Graubünden
Quelle: dt Amt für Wirtschaft und Tourismus