Am Abend des 14. Aprils 2008 wurde im Raum Mittelbünden der Bär JJ3
erlegt. Der Wildbär war zum Sicherheitsrisiko für Menschen geworden,
weil er systematisch in Siedlungen nach Nahrung suchte und trotz
wiederholten Vertreibungsaktionen in den Dörfern keine wachsende Scheu
zeigte. Der Abschuss erfolgte im Rahmen des Konzepts Bär Schweiz.
Der Bär JJ3 war im Herbst 2007 und in den letzten Wochen nach der
Winterruhe durch seine Streifzüge durch Siedlungen in der Grossregion
Lenzerheide, Albulatal, Savognin aufgefallen; er suchte seine Nahrung
regelmässig in Abfallbehältern und Containern und zeigte keinerlei Scheu
mehr vor Menschen und Siedlungen. Es kam zu mehreren Begegnungen von
Menschen mit dem Bären. Er hatte sich zwar nie aggressiv gegenüber
Menschen verhalten. Jedoch wurde das Risiko eines Unfalls, bei dem ein
Mensch verletzt oder gar getötet wird, unverantwortbar gross.
Die Verantwortlichen bei Bund und Kanton sahen keine Möglichkeit
mehr, das Verhalten des Bären noch zu beeinflussen. Damit wurde er
gemäss Konzept Bär Schweiz zum "Risikobär", der erlegt werden musste.
Das Konzept sieht vor, dass ein Bär entfernt werden soll, der die Scheu
vor Menschen verloren hat, sich wiederholt in geschlossenes
Siedlungsgebiet begibt und trotz wiederholter Vergrämungen seine Scheu
vor Menschen nicht vergrössert.
JJ3 wurde am Abend des 14. Aprils 2008 im Raum Mittelbünden
abgeschossen. Der Kadaver wird im Kanton Graubünden untersucht und
anschliessend präpariert.
Vergrämungen zeigten keine Wirkung
Die verantwortlichen Behörden hatten im Herbst 2007 sowie im
Frühling 2008 während mehrerer Wochen versucht, dem Bären mehr Scheu
einzuflössen. Sie beschossen ihn in so genannten Vergrämungsaktionen
etliche Male mit Gummischrot und Knallpetarden und versuchten ihn mit
allen Mitteln aus den Dörfern zu vertreiben (siehe Beilage Berichte "Bären im Kanton Graubünden 2007/2008"). Ziel der Vergrämungen war,
das Verhalten von JJ3 so zu ändern, dass er wieder scheuer wird und den
Menschen und Siedlungen zu meiden lernt. Die Massnahmen, zuletzt Anfang
April, waren aber vergeblich, JJ3 konnte nicht von seinem Verhalten
abgebracht werden.
Die verantwortlichen Behörden gehen davon aus, dass JJ3 das
problematische Verhalten von seiner Mutter Jurka gelernt hat. Jurka
wurde wegen ihrer fehlenden Scheu vor einiger Zeit in Italien
eingefangen und lebt seither in einem Gehege. Auch ihre anderen
Nachkommen, JJ2 "Lumpaz" (erster Bär, der nach über 100 Jahren in die
Schweiz einwanderte; seit 2005 verschollen) und JJ1 "Bruno" (2006 in
Bayern abgeschossen), zeigten dasselbe problematische Verhalten. JJ3 war
seit seinem Erscheinen in der Schweiz auffällig und wurde deshalb
bereits im August 2007 eingefangen und mit einem Halsbandsender
versehen. So konnten seine Wanderungen überwacht und die
Vergrämungsaktionen besser geplant werden.
Vor dem Entscheid zum Entfernen des Bären haben Gespräche mit den
italienischen Behörden stattgefunden. Die italienischen Vertreter
zeigten Verständnis für die Situation der Schweiz. Die verantwortlichen
Behörden beider Länder kamen zum Schluss, dass der Einfang und die
Haltung von JJ3 in einem Gehege keine Optionen sind. Aus tierethischer
Sicht ist es fragwürdig, einen wilden Bären in einem Gehege
einzusperren, denn er könnte darin kaum artgerecht gehalten werden.
Konsequenterweise sieht deshalb das Konzept Bär Schweiz für einen
Risikobären den Abschuss vor.
Zweiter Bär ist unauffällig
Im Kanton Graubünden ist seit 2007 im Gebiet Engadin, Münstertal,
Nationalpark ein zweiter Bär unterwegs, MJ4. Dieser ist scheu und
verursacht nur ab und zu einen Schaden. Die Erfahrungen mit ihm zeigen,
dass in der Schweiz durchaus Lebensraum für Bären besteht. Allerdings
muss der Umgang mit organischem Müll in Regionen mit dauernder
Bärenpräsenz mittelfristig angepasst werden. Der Kanton Graubünden will
sich dafür engagieren, dass "bärensichere" Abfallsysteme eingeführt
werden, damit Bären möglichst von Siedlungen ferngehalten werden können.
Im Umgang mit den einwandernden Bären stehen die Behörden in einem
Zielkonflikt zwischen Bären-Individuum und Bären-Population. Um der
ganzen Population die Chance zu schaffen, in der Schweiz Lebensraum zu
finden, muss unter Umständen ein Individuum, das zum Risiko wird,
entfernt werden.
Verfahren zum Entscheid über den Abschuss des Bären
Die zuständige Interkantonale Kommission der betroffenen Region
(IKK) beurteilt die Situation fachlich aufgrund des Konzepts Bär
Schweiz. Im aktuellen Fall besteht die IKK aus dem Jagdverwalter des
Kantons GR und dem Sektionschef Jagd, Wildtiere und Waldbiodiversität
des Bundesamts für Umwelt BAFU. Die IKK gibt gegenüber dem zuständigen
Regierungsrat des betroffenen Kantons eine Empfehlung ab. Dieser
entscheidet dann politisch und gemäss der Bundesgesetzgebung
abschliessend darüber, ob eine Abschussbewilligung ausgestellt wird oder
nicht.
Gremium: Bau-, Verkehrs- und Forstdepartement, Bundesamt für Umwelt
Quelle: dt Bau-, Verkehrs- und Forstdepartement, Bundesamt für
Umwelt