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Die schweizerischen Straf- und Zivilprozessordnungen sollen auf den 1. Januar 2011 in Kraft treten. Im Mai haben die Bündner Stimmberechtigten entschieden, die richterlichen Aufgaben der Kreise auf diesen Zeitpunkt auf die Bezirksgerichte und die Staatsanwaltschaft zu übertragen. Die Bündner Regierung legt nun ihre Vorschläge für die konkrete Ausgestaltung der Gerichtsorganisation vor. Sie will bei der Justiz die Aufgaben entflechten und eine neue Grundlage für eine gute und effiziente Justiz im Kanton Graubünden legen. Die Regierung hat die entsprechende Vernehmlassung eröffnet. Diese dauert bis Ende Jahr.

Die Arbeiten an der schweizerischen Straf- und der Zivilprozessordnung (StPO bzw. ZPO) sind abgeschlossen. Der Bund plant, die Erlasse auf den 1. Januar 2011 in Kraft zu setzen. Auf diesen Zeitpunkt müssen die Kantone ihr Recht anpassen und die nötigen Ausführungsbestimmungen erlassen. Dabei ist in Graubünden der Grundsatzentscheid der Stimmberechtigten vom 17. Mai 2009 zu beachten, wonach den Kreisen künftig keine richterlichen Aufgaben mehr zukommen sollen. Diese Aufgaben sollen der Staatsanwaltschaft (Strafrecht) bzw. den Bezirksgerichten (Zivilrecht) übertragen werden. Durch die künftige Finanzierung der Justiz durch den Kanton werden die Gemeinden pro Jahr um rund 2.8 Millionen Franken entlastet.

Umsetzung auf Gesetzesstufe
Mit der jetzigen Vorlage geht es darum, die Vorgaben des Bundesrechts sowie den Grundsatzentscheid der Bündner Stimmberechtigten auf Stufe Gesetz umzusetzen. Formell gliedert sich die Vernehmlassungsvorlage in mehrere getrennte Erlasse, nämlich in zwei Teilrevisionen von Gesetzen, ein Mantelgesetz, zwei neue Gesetze sowie zwei grossrätliche Aufhebungs- und Anpassungsverordnungen. Mit der Vorlage der Regierung zur Umsetzung der StPO und ZPO in Graubünden werden rund 15 Erlasse aufgehoben und mehr als 50 weitere angepasst. Bei den meisten Änderungen geht es um Anpassungen an das übergeordnete Recht oder eher „technische“ Ausführungsbestimmungen zum Bundesrecht. Daneben gibt es aber auch einige inhaltlich bedeutende Revisionspunkte.

Politisch bedeutsam sind sicherlich die künftigen Gliederung und Wahl der allgemeinen Schlichtungsbehörden. Die Regierung schlägt die Schaffung von 17 Vermittlerämtern vor, die aus je einer Vermittlerin oder einem Vermittler und einer Stellvertretung bestehen. Die Vermittlerämter sollen wie die Schlichtungsbehörden in Mietsachen vom Bezirksgericht gewählt werden. Die Vermittlerämter und die Schlichtungsbehörden sind fachlich eigenständig, jedoch administrativ an das Bezirksgericht angegliedert. Bei der Einteilung greift die Regierung den Vorschlag auf, den sie bereits im Vorfeld zur Volksabstimmung vom Mai präsentiert hat. Denkbar wäre aber auch eine Einteilung in weniger Vermittlerämter (etwa 13 oder 15). Dadurch würden sich die Fallzahlen pro Amt erhöhen, was zu mehr Erfahrung und einem grösseren Stellenumfang führen würde.

Aufgrund der zwingenden Vorgaben der schweizerischen StPO stellt sich die Frage, in welchem Umfang die Gemeinden weiterhin für die Verfolgung und Beurteilung von Übertretungen des Bundesrechts (vor allem im Strassenverkehrsrecht) zuständig sein sollen. Da die bundesrechtlichen Vorgaben für die Gemeinden zu einem Mehraufwand führen könnten, stellt die Regierung eine entsprechende Anpassung der Zuständigkeiten zur Diskussion. Ob eine Verlagerung von den Gemeinden zum Kanton erfolgen soll, hängt von der Haltung der Gemeinden ab.

Weiter schlägt die Regierung vor, die Bestimmungen über den Verwandtenausschluss und -ausstand bei Gemeindebehörden an die für die Gerichte geltenden Regeln anzupassen. Dies hätte zur Folge, dass künftig beispielsweise Tante und Neffe nicht mehr zusammen im Gemeindevorstand Einsitz nehmen oder in deren Angelegenheiten (mit-)entscheiden dürfen.

Grundlage für elektronischen Rechtsverkehr
Die Regierung will zudem die gesetzlichen Grundlagen schaffen, damit die Bevölkerung künftig den Rechtsverkehr (z.B. Gesuche, Eingaben, Beschwerden) mit dem Kanton und den Gemeinden auch elektronisch abwickeln kann. Innerhalb einer fünfjährigen Übergangsfrist sollen alle Verwaltungsebenen sicherstellen, dass sie elektronische Eingaben in Empfang nehmen können. Für die Zivil- und Strafgerichte sieht das Bundesrecht die Verpflichtung bereits auf Anfang 2011 vor. Die Kosten für das gesetzliche Minimum können aufgrund einer Schätzung des Bundes als vernachlässigbar bezeichnet werden. Über einen allfälligen Ausbau des Angebots und die damit verbundenen Kosten können der Kanton und die Gemeinden autonom entscheiden.

Zu den eher technischen Einzelheiten gehören insbesondere folgende Punkte:
- sachliche Zuständigkeit der Gerichte in Zivil- und Strafverfahren sowie die Grösse des jeweiligen Spruchkörpers;
- Grundzüge der Organisation und Zuständigkeiten der Staatsanwaltschaft;
- ergänzende Bestimmungen zum Zivil- und Strafverfahren;
- Regelung der Gerichtsgebühren;
- Regelung des Strafverfahrens vor Verwaltungsbehörden;
- Übertragung aller Ende 2010 noch hängigen richterlichen Fälle von den Kreisen auf die neu zuständigen Gerichte und Behörden und weitere übergangsrechtliche Bestimmungen.

Nicht Gegenstand der jetzigen Vorlage sind Anliegen zur strukturellen Überprüfung und Optimierung der Justizorganisation auf Bezirksebene. Die Frage der künftigen Anzahl und Einteilung der Bezirke sowie der Zuweisung von justiznahen Aufgaben (Betreibungs- und Konkursamt, Vormundschaftswesen) werden im Rahmen der angekündigten Strukturüberprüfung aufgegriffen, deren Ergebnisse sollen bis Ende 2010 als Grundlage für eine umfassende Diskussion über die künftigen Strukturen vorliegen.

Die Vernehmlassungsunterlagen können beim Departement für Justiz, Sicherheit und Gesundheit bezogen werden und sind im Internet unter www.djsg.gr.ch in der Rubrik Themen/ Projekte veröffentlicht. Die Frist für die Einreichung von Stellungnahmen läuft bis Ende dieses Jahres.

Auskunftsperson:
Regierungsrätin Barbara Janom Steiner, Vorsteherin Departement für Justiz, Sicherheit und Gesundheit, Tel. 081 257 25 01

Gremium: Regierung
Quelle: dt Standeskanzlei Graubünden
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