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Die schweizerischen Straf- und Zivilprozessordnungen treten auf den 1. Januar 2011 in Kraft. Die Bündner Regierung legt nun ihre Botschaft für die konkrete Ausgestaltung der Gerichtsorganisation im Kanton vor. Damit setzt sie den Entscheid der Stimmberechtigten vom Mai 2009 auf Gesetzesstufe um. Sie will bei der Justiz die Aufgaben entflechten und eine neue Grundlage für eine gute und effiziente Justiz im Kanton Graubünden legen. Die Beratung im Grossen Rat soll in der Juni-Session 2010 erfolgen, damit die kantonale Umsetzung zusammen mit dem Bundesrecht in Kraft treten kann.

Die Arbeiten an der schweizerischen Straf- und der Zivilprozessordnung (StPO bzw. ZPO) sind abgeschlossen. Der Bund plant, die Erlasse auf den 1. Januar 2011 in Kraft zu setzen. Auf diesen Zeitpunkt müssen die Kantone ihr Recht anpassen und die nötigen Ausführungsbestimmungen erlassen. Dabei ist in Graubünden der Grundsatzentscheid der Stimmberechtigten vom 17. Mai 2009 zu beachten, wonach den Kreisen künftig keine richterlichen Aufgaben mehr zukommen sollen. Damit wurde die verfassungsrechtliche Grundlage gelegt, um die Justizaufgaben durch eine Reform der Gerichtsorganisation zu entflechten und eine klare Zuständigkeitsordnung mit einfachen und effizienten Strukturen zu schaffen. Die strafrechtlichen Aufgaben werden der Staatsanwaltschaft, jene im Zivilrecht den Bezirksgerichten übertragen.
Trotz der Ablehnung der Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Kanton und Gemeinden (Bündner NFA) hält die Regierung daran fest, dass die Finanzierung der Justiz künftig durch den Kanton erfolgen soll. Dadurch werden die Gemeinden pro Jahr um rund 2.8 Millionen Franken entlastet.

Umsetzung auf Gesetzesstufe
Hauptzweck der jetzigen Vorlage ist es, die Vorgaben des Bundesrechts sowie den Grundsatzentscheid der Bündner Stimmberechtigten auf Stufe Gesetz umzusetzen. Formell gliedert sich die Botschaft in mehrere getrennte Erlasse, nämlich in eine Totalrevision, zwei neue Gesetze und drei Teilrevisionen von Gesetzen sowie zwei grossrätliche Aufhebungs- und Anpassungsverordnungen. Mit der Vorlage der Regierung zur Umsetzung der StPO und ZPO in Graubünden werden insgesamt rund 15 Erlasse aufgehoben und mehr als 50 weitere angepasst. Bei den meisten Änderungen geht es um Anpassungen an das übergeordnete Recht oder eher „technische“ Ausführungsbestimmungen zum Bundesrecht. Daneben gibt es aber auch einige inhaltlich bedeutende Revisionspunkte.

Politisch bedeutsam sind sicherlich die künftige Gliederung und Wahl der allgemeinen Schlichtungsbehörden. Die Regierung schlägt die Schaffung von 17 Vermittlerämtern vor, die aus je einer Vermittlerin oder einem Vermittler und einer Stellvertretung bestehen. Die Vermittlerämter sollen wie die Schlichtungsbehörden in Mietsachen vom Bezirksgericht gewählt werden. Die Vermittlerämter und die Schlichtungsbehörden sind fachlich eigenständig, jedoch administrativ an das Bezirksgericht angegliedert. Bei der Einteilung greift die Regierung den Vorschlag auf, den sie bereits im Vorfeld zur Volksabstimmung vom Mai 2009 präsentiert hat und der in der Vernehmlassung mehrheitlich auf Zustimmung gestossen ist. Die Regierung gewichtet den sprachlichen und regionalen Aspekt höher, obwohl weniger Vermittlerämter – wie in der Vernehmlassung teilweise gefordert – zu einer Erhöhung der Fallzahlen pro Amt und somit zu mehr Erfahrung und einem grösseren Stellenumfang führen würden.

Da die zwingenden Vorgaben der schweizerischen StPO für die Gemeinden zu einem Mehraufwand führen könnten, will die Regierung in diesem Bereich die Zuständigkeiten anpassen. Die Gemeinden sollen wie bisher zuständig sein, um Übertretungen des Bundesrechts (vor allem im Strassenverkehrsrecht) im Ordnungsbussenverfahren zu ahnden. Hingegen wird die Zuständigkeit für das ordentliche Strafverfahren neu an die Staatsanwaltschaft übertragen. Die Mehrheit der Gemeinden hat sich in der Vernehmlassung für diese für sie vorteilhafte Änderung ausgesprochen.

Weiter schlägt die Regierung vor, die Bestimmungen über den Verwandtenausschluss und -ausstand bei Gemeindebehörden an die für die Gerichte geltenden Regeln anzupassen. Betroffen sind Verwandtschaften bis zum dritten Grad. Dies hat zur Folge, dass künftig beispielsweise Tante und Neffe nicht mehr zusammen im Gemeindevorstand Einsitz nehmen oder in deren Angelegenheiten (mit-)entscheiden dürfen. Auch diese Neuerung stiess bei den Gemeinden mehrheitlich auf Zustimmung.

Grundlage für elektronischen Rechtsverkehr einführen
Die Regierung will zudem die gesetzlichen Grundlagen schaffen, damit die Bevölkerung künftig den Rechtsverkehr (z.B. Gesuche, Eingaben, Beschwerden) mit dem Kanton und den Gemeinden auch elektronisch abwickeln kann. Innerhalb einer fünfjährigen Übergangsfrist sollen alle Verwaltungsebenen sicherstellen, dass sie elektronische Eingaben in Empfang nehmen können. Für die Zivil- und Strafgerichte sieht das Bundesrecht die Verpflichtung bereits auf Anfang 2011 vor. Über einen allfälligen Ausbau des Angebots und die damit verbundenen Kosten können der Kanton und die Gemeinden autonom entscheiden.

Weitere Punkte
Zu den eher technischen Einzelheiten, die in der Vorlage neu geregelt werden, gehören beispielsweise folgende Punkte:
  • sachliche Zuständigkeit der Gerichte in Zivil- und Strafverfahren sowie die Grösse des jeweiligen Spruchkörpers;
  • Grundzüge der Organisation und Zuständigkeiten der Staatsanwaltschaft;
  • ergänzende Bestimmungen zum Zivil- und Strafverfahren;
  • Regelung der Gerichtsgebühren;
  • Regelung des Strafverfahrens vor Verwaltungsbehörden;
  • Übertragung der Ende 2010 noch hängigen richterlichen Fälle von den Kreisen auf die neu zuständigen Gerichte und Behörden und weitere übergangsrechtliche Bestimmungen.

Nicht Gegenstand der jetzigen Vorlage sind Anliegen zur strukturellen Überprüfung und Optimierung der Justizorganisation auf Bezirksebene. Die Frage der künftigen Anzahl und Einteilung der Bezirke sowie der Zuweisung von justiznahen Aufgaben werden im Rahmen der angekündigten Strukturüberprüfung aufgegriffen. Deren Ergebnisse sollen bis im Herbst 2010 als Grundlage für eine umfassende Diskussion über die künftigen Strukturen vorliegen.


Auskunftsperson:
Regierungsrätin Barbara Janom Steiner, Vorsteherin Departement für Justiz, Sicherheit und Gesundheit, Tel. 081 257 25 01


Gremium: Regierung
Quelle: dt Standeskanzlei Graubünden
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