Die Bündner Regierung beantragt dem Grossen Rat, die kantonale Volksinitiative "Starke Gemeinden – starker Kanton" dem Volk zur Ablehnung zu empfehlen und auf einen Gegenvorschlag zu verzichten. Die Initiative widerspricht in Bezug auf die Gemeindereform den beschlossenen strategischen Weichenstellungen. In Bezug auf die Gebietsreform nimmt die dem Grossen Rat zwischenzeitlich unterbreitete Vorlage das Anliegen der Initiative auf.
Am 10. Mai 2011 wurde die kantonale Volksinitiative "Starke Gemeinden – starker Kanton" mit 4'084 gültigen Unterschriften bei der Standeskanzlei Graubünden eingereicht. Die Initiative in Form einer allgemeinen Anregung verlangt, "dass der Kanton eine zukunftsfähige Struktur mit einer sinnvollen Aufgabenverteilung erhält. Zu diesem Zweck ist eine umfassende Gebietsreform vorzunehmen, die folgende Grundsätze einhält:
- Der Kanton ist dreistufig gegliedert: Kanton, eine mittlere Ebene und Gemeinden. Die Aufgaben der öffentlichen Hand werden grundsätzlich diesen drei Ebenen zugewiesen.
- Die Zahl der Gemeinden soll 50 nicht wesentlich überschreiten.
- Die Gebietsreform soll sich wo möglich und sinnvoll an die bestehenden Strukturen anlehnen. Die topografischen, sprachlichen und kulturellen Gegebenheiten sind dabei zu berücksichtigen.
- Die Regierung legt dem Grossen Rat spätestens ein Jahr nach der Annahme der Initiative durch die Bündner Bevölkerung eine entsprechende Botschaft vor."
Gemeindefusionen fördern, nicht verordnen
Die Zielsetzungen der Volksinitiative und jene der kantonalen Politik liegen nicht wesentlich auseinander, verfolgen doch beide den Ansatz, die bestehenden territorialen Strukturen im Kanton deutlich zu vereinfachen und auf drei Ebenen (Kanton, eine mittlere Ebene und Gemeinden) zu beschränken. In der Februarsession 2011 stimmte der Bündner Grosse Rat einer Neuausrichtung der Strukturen zu, die seither auf der kommunalen Ebene mittels einer Gemeindereform und auf der regionalen Ebene mittels einer Gebietsreform umgesetzt wird.
In Bezug auf die Gemeindereform verfolgen Regierung und Grosser Rat aber einen der Initiative entgegengesetzten Ansatz: Gemeindezusammenschlüsse sollen nicht von oben herab beschlossen werden (Top-down-Ansatz), sondern von unten herauf unter Wahrung des Selbstbestimmungsrechts der Gemeinden (Bottom-up-Ansatz) natürlich wachsen. Auf diese Weise soll – wie vom Grossen Rat beschlossen – die Anzahl der Gemeinden bis im Jahr 2020 auf 50 bis 100, langfristig auf unter 50 reduziert werden. Die zahlreichen laufenden Fusionsprojekte im Kanton bestätigen, dass der Bottom-up-Ansatz der richtige ist.
Gebietsreform nimmt Anliegen auf
In Bezug auf eine Reform der mittleren Staatsebene kann festgehalten werden, dass die eingeleitete Gebietsreform die Initiative in diesem Bereich bereits umsetzt. In ihrer Botschaft an den Grossen Rat schlägt die Regierung im Rahmen der grossrätlichen Vorgaben und in Abwägung von Aspekten einer optimalen Aufgabenerfüllung sowie von politischen Überlegungen vor, elf Regionen zu schaffen, welche sich im Wesentlichen an der heutigen Bezirkseinteilung orientieren. Der Grosse Rat wird die Gebietsreform in der Junisession 2012 beraten, sodass das Bündner Stimmvolk noch in diesem Jahr über eine entsprechende Teilrevision der Kantonsverfassung beschliessen kann. Die Zustimmung zur Gebietsreform vorausgesetzt, erweist sich die Initiative somit als teilweise überholt.
Angesichts der beschlossenen, klaren Weichenstellungen des Grossen Rates verzichtet die Regierung auf einen Gegenvorschlag zur Initiative. Sie wird weiterhin alles daran setzen, Hemmnisse konsequent abzubauen und Anreize für Gemeindefusionen zu schaffen. Nicht zuletzt hat sie das Fusionsförderinstrumentarium bereits dahingehend angepasst, dass grössere Zusammenschlüsse (mit mehr Gemeinden und Einwohner/innen) gegenüber kleineren Zusammenschlüssen finanziell stärker gefördert werden. Die Regierung ist überzeugt, dass der mit der Gemeinde- und Gebietsreform eingeschlagene Weg zum Erfolg führt.
Für die Dezembersession geplant
Der Grosse Rat wird die Volksinitiative "Starke Gemeinden – starker Kanton" in der Dezembersession 2012 behandeln – nach der voraussichtlich im September 2012 stattfindenden Volksabstimmung über die Gebietsreform. Aufgrund der gesetzlichen Bestimmung, wonach die Regierung zustande gekommene Volksinitiativen innert eines Jahres seit der Einreichung dem Grossen Rat unterbreitet, hat die Regierung die Botschaft mit Beschluss vom 8. Mai 2012 bereits verabschiedet.
Auskunftsperson:
Regierungspräsidentin Barbara Janom Steiner, Vorsteherin Departement für Finanzen und Gemeinden, Tel. 081 257 32 01
Gremium: Regierung
Quelle: dt Standeskanzlei Graubünden