Die Bündner Regierung hat die Botschaft zur Kantonalen Volksinitiative zur Abschaffung der Sonderjagd (Sonderjagdinitiative) verabschiedet. Die Regierung beantragt dem Grossen Rat, die Volksinitiative aufgrund ihrer Bundesrechtswidrigkeit für ungültig zu erklären.
Die am 21. August 2013 mit 10 229 gültigen Unterschriften eingereichte Sonderjagdinitiative verlangt eine Teilrevision des kantonalen Jagdgesetzes. Die jährlichen Abschusspläne sollen neu vollumfänglich während der ordentlichen Hochjagd erfüllt werden. Auf eine Regulierung der Wildbestände im Rahmen einer Sonderjagd in den Monaten November und Dezember ist zu verzichten. Stattdessen sieht die Initiative neu eine Hochjagd von 25 Tagen statt wie bisher 21 Tage vor. Überdies soll die Hochjagd neu in den Monaten September und Oktober anstatt wie bisher nur im September stattfinden. Zudem sollen Wildschutzgebiete stärker bejagt werden.
Der Grosse Rat ist gemäss Kantonsverfassung dazu verpflichtet, die Rechtmässigkeit von Volksinitiativen zu prüfen und diese gegebenenfalls für ungültig zu erklären. Ungültig ist eine Initiative unter anderem dann, wenn sie in offensichtlichem Widerspruch zu übergeordnetem Bundesrecht steht. Um diese Frage bei der Sonderjagdinitiative zu klären, hat das Bau-, Verkehrs- und Forstdepartement ein verwaltungsexternes Rechtsgutachten sowie ein wildtierbiologisches Gutachten erstellen lassen. Das Rechtsgutachten wurde von Prof. Dr. Tomas Poledna, Zürich, verfasst. Das wildtierbiologische Gutachten ist von Prof. Dr. Klaus Robin, Uznach, erarbeitet worden. Der Rechtsgutachter hatte gestützt auf die wildtierbiologische Beurteilung festzustellen, ob die Hirsch- und Rehbestände auch nach einer Annahme der Sonderjagdinitiative bundesrechtskonform reguliert werden können.
Tausende Hirsche mehr, Wildschäden und Wintersterben
Zusammenfassend ergeben sich folgende Schlüsse: Bei einer Annahme der Sonderjagdinitiative könnten die Abschusspläne beim Hirsch- und Rehwild weder quantitativ (anzahlmässig) noch qualitativ (natürliche und artgerechte Alters- und Geschlechterstruktur) erfüllt werden. Die Population des Hirschwildes würde stark ansteigen. Der wildtierbiologische Gutachter geht – je nach jährlichem Abgang – bis zum Jahr 2023 von einem Hirschbestand in der Grössenordnung von 20 000 bis 27 000 Tieren aus. Derzeit beträgt der Hirschbestand rund 15 000 Tiere. Auch die Wildschäden im Wald würden deutlich zunehmen. Der Lebensraum wäre stark übernutzt und im Winter wäre mit deutlich erhöhten Fallwildzahlen bis hin zu Wintersterben zu rechnen. Beim Rehwild könnten die natürlicherweise stark schwankenden Bestände ohne Sonderjagd ebenfalls weder anzahlmässig noch nach Alters- und Geschlechterstruktur reguliert werden. Generell könnte nicht mehr auf regionale und örtliche Gegebenheiten reagiert werden. Damit würde die Jagd auch ihr Ziel einer regional und örtlich abgestimmten Regulierung des Hirsch- und Rehbestandes verfehlen.
Damit steht die Sonderjagdinitiative laut dem Rechtsgutachten in offensichtlichem Widerspruch zu Bestimmungen der eidgenössischen Jagd- und Forstgesetzgebung. Das Jagdgesetz verpflichtet die Kantone zu einer Jagdplanung, die eine artgemässe Verteilung der Alters- und Geschlechterklassen gewährleistet und eine gute Kondition der Tiere zum Ziel hat. Bei der Balance zwischen Populationsgrösse und Nahrungsangebot sind die örtlichen Verhältnisse zu berücksichtigen. Gemäss Waldgesetz haben die Kantone den Wildbestand so zu regeln, dass die Erhaltung des Waldes, insbesondere seine natürliche Verjüngung mit standortgerechten Baumarten, gesichert ist. Dies hat primär durch Bejagung zu erfolgen. Erst subsidiär können die Kantone auf Schutzmassnahmen zurückgreifen. Zudem verletzt die Initiative den Nachhaltigkeitsgrundsatz, wonach der Wald so zu bewirtschaften ist, dass er seine Funktionen dauernd und uneingeschränkt erfüllen kann.
Keine richtige Alternative zum 2-Stufen-Konzept
Die Regierung teilt die Auffassung der Gutachter, dass die Sonderjagdinitiative bundesrechtswidrig ist. Dem heutigen 2-Stufen-Konzept mit einer Hochjagd im September und einer ergänzenden Sonderjagd in den Monaten November und Dezember wird zwar gemäss Initiative eine Alternative gegenübergestellt. Diese Alternative, nämlich vier zusätzliche Hochjagdtage und eine Ausdehnung der Hochjagd in den Oktober, genügt jedoch nicht, um die bundesrechtlichen Vorgaben zu erfüllen.
Die Sonderjagd ist seit 25 Jahren ein fester Bestandteil der Bündner Jagd. Auf eine Sonderjagd kann auch künftig nicht verzichtet werden. Die Regierung ist jedoch weiterhin bestrebt, im rechtlich zulässigen und wildbiologisch vertretbaren Rahmen die Hochjagdstrecke zu steigern. Im Vordergrund steht dabei – wie von den Initianten angeregt – die Bewirtschaftung der Wildasyle. Dazu gehören insbesondere die partielle Öffnung von Wildschutzgebieten, Störaktionen durch die Wildhut und "aufgeweichte" Asylgrenzen.
Der Grosse Rat wird sich in der Februarsession 2015 mit der Botschaft der Regierung befassen.
Auskunftsperson:
Regierungspräsident Dr. Mario Cavigelli, Vorsteher Bau-, Verkehrs- und Forstdepartement Graubünden, Tel. 081 257 36 01, E-Mail
Mario.Cavigelli@bvfd.gr.ch
Gremium: Regierung
Quelle: dt Standeskanzlei Graubünden