Unabhängig vom Ausgang der Volksabstimmung zum Tierschutzanwalt – das Resultat wird zur Zeit der Beantwortung bekannt sein – fällt in der Statistik der Tierschutzfälle auf, dass es zwischen den Kantonen bezüglich Handhabung der Tierschutzgesetzgebung grosse Unterschiede gibt.
Der politische Wille, Tierschutzdelikte zu verfolgen und zu bestrafen, scheint in den verschiedenen Kantonen sehr unterschiedlich ausgeprägt. Dies belegt die Fallstatistik der Stiftung für das Tier im Recht (TIR), in der alle Tierschutzfälle von 1982 bis 2008 verzeichnet sind. Fast ein Drittel aller verzeichneten Fälle stammen aus dem Kanton Zürich mit 2053 Fällen. (Weitere Beispiele: SG 1082 Fälle, BE 649 Fälle, AG 537 Fälle). Der Kanton Graubünden weist in dieser Zeit mit 134 Fällen verhältnismässig wenig auf.
Aus diesem Grunde gelangen wir mit folgenden Fragen an die Regierung:
1. Worauf führt die Regierung diese offensichtlichen Unterschiede bezüglich Anzahl der gemeldeten Fälle zurück?
2. Wie viele Fälle von Tierquälerei und/oder Vernachlässigung von Tieren sind beim zuständigen Amt in den letzten 3 Jahren eingegangen und wie sieht das Verhältnis Meldungen via Kantonspolizei/Amt für Tiergesundheit/Graubündner Tierschutzverein aus?
3. Wie viele der gemeldeten Fälle wurden in den letzten 3 Jahren weiterverfolgt?
4. Wie viele Tierhalteverbote wurden ausgesprochen?
5. Wie viele Direktzahlungen an Bauernbetriebe wurden gekürzt, in welcher durchschnittlichen Höhe?
6. Wie hoch ist der durchschnittliche Betrag der Bussen, welche ausgesprochen wurden?
Chur, 15. Februar 2010
Gartmann-Albin, Frigg-Walt, Trepp, Arquint, Baselgia-Brunner, Bucher-Brini, Jaag, Jäger, Menge, Meyer-Persili (Chur), Peyer, Pfenninger, Pfiffner-Bearth, Thöny, Locher Benguerel
Antwort der Regierung
Im Kanton Graubünden ist das Amt für Lebensmittelsicherheit und Tiergesundheit (ALT) zuständig für den Vollzug der Tierschutzgesetzgebung. Strafverfahren werden vom Departement für Volkswirtschaft und Soziales (DVS), von der Staatsanwaltschaft (StA) und von den Kreispräsidenten geführt. Das Amt für Landwirtschaft und Geoinformation (ALG) kann Direktzahlungen kürzen. Die Regierung kann nicht frei entscheiden, welche Fälle verfolgt werden oder nicht, sonst wird sie dem Vollzug des Tierschutzrechts nicht gerecht. Das ALT geht deshalb jeder Meldung in Bezug auf Widerhandlungen gegen die Tierschutzgesetzgebung nach. Meldungen gehen von der Kantonspolizei (Kapo), Untersuchungsbehörden anderer Kantone, Privatpersonen, dem Jagdaufseher, von Gemeinden oder auch Privaten ein. Das ALT selbst macht ebenfalls Beobachtungen anlässlich seiner Kontrollen. Nicht jede Meldung weist aber die gleiche Qualität auf. Es muss somit nicht jeder Vorfall Massnahmen oder eine Strafe nach sich ziehen. Die meisten eröffneten Verfahren werden aber mit der Verfügung von Massnahmen oder Strafen abgeschlossen. Die in der Anfrage erwähnte Fallstatistik lässt nicht darauf schliessen, dass der Kanton Graubünden verhältnismässig wenige Tierschutzstraffälle aufweist. Gemäss Statistik sieht es in Sachen Anzahl Fälle in den Jahren 1982 bis 2008 wie folgt aus: Kanton Zürich (ZH) 2'053 Fälle, SG 1'082, BE 649, AG 537, LU 415, VD 379, FR 163, SO 161, BS 159, GR 134, SH 115. Alle andern Kantone weisen weniger als 100 Fälle auf: AI, GL, OW, TI, VS sind mit unter einem Fall pro Jahr verzeichnet, GE, NW und UR mit weniger als 0.5 Fälle jährlich. Dies zeigt einerseits, dass sich Graubünden im Mittelfeld befindet, andererseits, dass die Statistik kaum repräsentativ bzw. vollständig ist. Sie nimmt nur die an den Bund gemeldeten Verfahren auf und ist somit von der Meldefreudigkeit der verschiedensten Behörden in den Kantonen abhängig.
1. Die Regierung führt die Unterschiede in der Statistik auf deren Unvollständigkeit zurück. Es werden zweifellos nicht alle Tierschutzstraffälle aus den Kantonen gemeldet. Es ist aber nicht Aufgabe der Regierung, diese Statistik bezüglich deren Qualität zu bewerten. Jedenfalls liegt der Kanton Graubünden gemäss der Statistik im Mittelfeld, wenn man alle Auswertungen betrachtet. Dies spricht namentlich dafür, dass die zuständigen kantonalen Behörden mit Augenmass vorgehen.
2. In den letzten drei Jahren sind beim ALT rund 260 Meldungen eingegangen, was ca. 80 Meldungen pro Jahr entspricht. Der Bereich der Hundebisse ist dabei ausgeschlossen. Beim DVS sind von 2007 bis 21. April 2010 insgesamt 31 Anzeigen wegen Übertretungen gegen die Tierschutzgesetzgebung eingegangen (also ca. 10 jährlich). 90% der Meldungen an das Amt erfolgen durch Privatpersonen. Die Anzeigen ans Departement werden nicht systematisch erfasst. Die meisten erfolgen durch die Kapo bzw. das ALT. Nach summarischer Prüfung sind zwei Strafanzeigen durch den Bündner Tierschutzverein eingegangen. Oft arbeiten die Kapo und das ALT bei der Sachverhaltsaufnahme zusammen. Das Verhältnis der Anzeigen durch die Kapo und das ALT kann daher nicht genau beziffert werden.
3. Grundsätzlich werden alle Meldungen abgeklärt und gegebenenfalls weiterverfolgt. Das ALT führte in den Jahren 2007 bis 2009 insgesamt 246 Tierschutzkontrollen bei Heimtierhaltungen und in Nutztierbeständen durch und leitete die entsprechenden Massnahmen ein bzw. erstattete Anzeige beim DVS. Im DVS sind von 2007 bis 2009 insgesamt 26 Strafverfahren erledigt worden. Die StA führte im selben Zeitraum 14 Strafverfahren. Nicht enthalten sind dabei solche Fälle, welche nur in einem Nebentatbestand die Tierschutzgesetzgebung betreffen. Folglich kann es sein, dass noch 5 bis 10 Fälle dazu kommen. Die Anzahl Verfahren, welche die Kreispräsidenten führen, sind nicht bekannt.
4. Ein Tierhalteverbot ist eine einschneidende Massnahme und nur unter strengen Voraussetzungen möglich. In Graubünden sind entsprechend zwei Halteverbote ausgesprochen worden. In rund einem Dutzend Fälle wurde ein angedrohtes Tierhalteverbot durch die Auflösung der Tierhaltung und des Betriebes nicht vollzogen.
5. Das ALG hat die Direktzahlungen an Bauernbetriebe im 2009 insgesamt um Fr. 32'374.-- gekürzt (45 Betriebe, 200.-- bis 3'400.--). Im 2008 um Fr. 12'755.- (25 Betriebe, 200.-- bis 1'680.--). Im 2007 um Fr. 15'870.-- (17 Betriebe, 200.-- bis 4'000.--). Eine Kürzung kann weitere Konsequenzen haben (z.B. Streichung Bei-träge aus anderen Programmen wie RAUS, BTS).
6. Die durchschnittliche Bussenhöhe bei Übertretungen liegt bei ca. Fr. 200.--. Bei Vergehen ist das Strafmass sehr individuell, sodass kein Durchschnitt diesbezüglich angegeben werden kann. Hinzu kommen jeweils die Gebühren für die Verfügungen, welche sich in der Verwaltung in diesen Fällen in der Regel zwischen Fr. 150.-- und Fr. 500.-- belaufen.
05. Mai 2010