Graubünden besitzt sehr viele landwirtschaftliche Bauten (Maiensässe, Ställe etc.) ausserhalb der Bauzonen, die kaum mehr genutzt werden können. Die eigentliche landwirtschaftliche Nutzung macht in der heutigen Zeit in ihrer ursprünglichen Form keinen Sinn mehr. Damit ist der Zerfall dieser Bauten vorbestimmt. Häufig findet in der Umgebung der Bauten durch den Nutzungsausfall zusätzlich eine Vergandung der Landschaft statt. Mit einer sanften Umnutzung dieser Bauten, die einerseits den heutigen Bedürfnissen entgegenkommen muss, andererseits aber klar den Schutz der Landschaft zu gewähren hat, könnte dem Zerfall und der Vergandung vermehrt Einhalt geboten werden. Dabei gilt es, die räumlichen und kantonsspezifischen Zielvorstellungen einzubeziehen. Auch muss die weitere Ausnutzung des Ermessungsspielraumes gewährt bleiben. Da wir in dieser Materie durch die Gesetzgebung des Bundes eingeschränkt sind, gilt es den maximalen Spielraum des Kantons zu nutzen.
Aus diesen Gründen wird die Regierung beauftragt, Wege aufzuzeigen und deren Umsetzung dem Grossen Rat vorzuschlagen, wie eine sanfte Umnutzung - mit Beachtung von räumlichen und kantonsspezifischen Zielvorstellungen - der brachliegenden landwirtschaftlichen Bauten ausserhalb der Bauzone (Maiensässe, Ställe etc.) unter maximaler Nutzung des Ermessens und des rechtlichen Spielraumes des Kantons realisiert werden kann.
Chur, 27. August 2010
Claus, Berther (Disentis/Mustér), Jeker, Augustin, Berther (Sedrun), Bezzola (Zernez), Blumenthal, Brandenburger, Buchli, Burkhardt, Caluori, Campell, Candinas, Casty, Casutt (Falera), Clavadetscher, Conrad, Della Vedova, Dosch, Dudli, Engler, Fasani, Felix, Florin-Caluori, Fontana, Furrer-Cabalzar, Giacomelli, Gunzinger, Hartmann (Champfèr), Hartmann (Chur), Heiz, Hitz-Rusch, Holzinger-Loretz, Jenny, Kasper, Koch (Landquart), Krättli-Lori, Kunz (Fläsch), Mani-Heldstab, Marti, Michael (Castasegna), Michel (Davos-Monstein), Montalta, Nick, Niederer, Parolini, Parpan, Pfäffli, Rathgeb, Righetti, Rosa, Steck-Rauch, Stiffler (Davos Platz), Tomaschett (Breil), Valär, Vetsch (Klosters Dorf), Waidacher, Wieland
Antwort der Regierung
Der Auftrag thematisiert die Problematik der zahlreichen landwirtschaftlichen Bauten ausserhalb der Bauzonen, die aufgrund des Strukturwandels in der Landwirtschaft funktionslos geworden sind und daher zu zerfallen drohen, sofern sie nicht zu landwirtschaftsfremden Zwecken umgenutzt werden können. Herausgefordert ist offenbar die Raumplanung, obschon die Zerfallsproblematik an sich eine direkte Auswirkung der Landwirtschaftspolitik ist.
Die gegenwärtige Rechtslage sieht wie folgt aus: Soweit es um landwirtschaftliche Wohnbauten geht, hat sich die Lage geklärt, nachdem das eidg. Raumplanungsgesetz (RPG) im Jahr 2000 den Grundsatz "wohnen bleibt wohnen" eingeführt hat. Landwirtschaftliche Ökonomiegebäude dürfen demgegenüber spätestens seit dem Inkrafttreten des RPG im Jahre 1980 von Bundesrechts wegen grundsätzlich nicht zu Wohnzwecken umgenutzt werden; sie dürfen lediglich instandgehalten und bestenfalls als Lager- und Abstellraum genutzt werden. Soweit in diesem Bereich Ermessensspielräume überhaupt bestehen, wurden und werden diese von der kantonalen BAB-Behörde voll ausgeschöpft.
Da der zu befürchtende allmähliche Zerfall der hergebrachten bäuerlichen Bausubstanz nicht in jedem Fall eine gute Lösung ist, sondern je nach Situation und/oder Gebiet ein grösserer Verlust für die Kulturlandschaft bedeuten kann, hat der Bund in den letzten Jahren auf Druck der Kantone einige Ausnahmeregelungen erlassen. Zu erwähnen sind die Instrumente der Erhaltungszone (Art. 33 RPV), der landschaftsprägenden Bauten (Art. 39 Abs. 2 RPV) und der schützenswerten Einzelbauten (Art. 24d Abs. 2 RPG), welche u.a. selbst Stallumnutzungen zu Wohnzwecken ermöglichen, sofern gewisse Kriterien erfüllt sind. In Graubünden sind die gesetzgeberischen und richtplanerischen Voraussetzungen geschaffen worden, damit diese bundesrechtlichen Ausnahmeregelungen zum Tragen kommen können. Beim Instrument der landschaftsprägenden Bauten sind gemäss kantonalem Richtplan zunächst die Regionalplanungsverbände gefordert, Gebiete zu bezeichnen, innerhalb derer Ställe über die jeweilige Ortsplanung als geschützt und umnutzbar bezeichnet werden können, was kürzlich im Tessin kantonsweit geschehen ist. In einzelnen Bündner Regionen sind entsprechende Richtplanungen bereits beschlossen (z.B. Bregaglia).
Weitergehende Ausnahmemöglichkeiten zu Gunsten von Stallumnutzungen sieht das heutige Bundesrecht nicht vor. Deshalb ist es der Regierung jedenfalls im Moment verwehrt, dem Grossen Rat im Sinne des vorliegenden Auftrages (weitere) Wege für Umnutzungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Dies könnte sich freilich bald ändern. Der Bund hat nämlich die Arbeiten zu einer Totalrevision des RPG nach dem gescheiterten ersten Versuch vom Jahre 2008 wieder aufgenommen. Sofern dabei an die Reformvorschläge des ersten Versuches angeknüpft wird, ist für den BAB-Bereich nebst einer generellen Stärkung der kantonalen Legiferierungskompetenz, auch eine Ermöglichung von weiteren Sonderreglungen zu erwarten, welche in Ergänzung zu den bisherigen "musealen" Ansätzen im Sinne der Tessiner Lösung auch entwicklungspolitische Modelle – Stichwort Sondernutzungsräume – zum Gegenstand haben könnten.
Die Regierung verfolgt diese Revisionsarbeiten und wird die kantonsspezifischen Interessen in den Gesetzgebungsprozess einbringen. Sobald diese RPG-Revision abgeschlossen ist, wird die Regierung ihrerseits eine Teilrevision des KRG an die Hand nehmen und bei dieser Gelegenheit dem Grossen Rat Vorschläge im Sinne des Auftrages unterbreiten können. Parallel dazu prüft die Regierung schon jetzt anhand von Pilotprojekten die Machbarkeit einer In-Wert-Setzung brach liegender landwirtschaftlicher Bausubstanz für nachhaltige touristische Beherbergungsformen, dies z.B. durch die Definition von Sondernutzungsräumen im Sinne einer entwicklungspolitischen Massnahme in strukturschwachen Regionen.
In diesem Sinne (weiterhin volle Ausschöpfung der vorhandenen Ermessensspielräume; Einflussnahme auf RPG-Revision; Pilotprojekte "Sondernutzungsräume") ist die Regierung bereit, den vorliegenden Auftrag entgegenzunehmen.
20. Oktober 2010