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Session: 15.02.2011
Am 11. Januar 2011 vermeldete das Bundesamt für Statistik eine Rekordbelegung der Schweizerischen Gefängnisse und Massnahmenzentren. Sie betrug im Jahre 2010 im gesamtschweizerischen Mittel 92.5%. In den lateinischen Kantonen waren die Gefängnisse mit einer Auslastung von 105% gar überbelegt.

Diese Fakten enthalten eine gewisse Brisanz. In jüngster Vergangenheit brachte das Schweizer Stimmvolk wiederholt zum Ausdruck, dass von der Justiz gegenüber Delinquenten eine härtere Gangart an den Tag zu legen ist. Zu erinnern ist in diesem Zusammenhang an das Volks-Ja zur Verwahrungsinitiative, zur Ausschaffungsinitiative oder an die angedachte Revision des Strafgesetzbuches, mit dem Ziel auch Vergehen mit unterjährig bedrohter Gefängnisstrafe wieder mit Freiheitsentzug zu ahnden und nicht, wie seit der letzten Revision, mit Geldstrafen. Dies alles dürfte die Belegungszahlen in den Schweizer Gefängnissen noch weiter erhöhen.

Für die Unterzeichnenden ergeben sich nachfolgende Fragen:

1. Wie beurteilt die Regierung die Kapazitäten für den Straf- und Massnahmenvollzug im Kanton Graubünden für die Zukunft?

2. Ergibt sich aus den dargestellten Sachverhalten aus Sicht der Regierung für den Kanton Graubünden in den nächsten Jahren Investitionsbedarf in die Infrastruktur des Straf- und Massnahmenvollzuges?

3. Besteht die Gefahr, dass der Straf- und Massnahmenvollzug im Kanton Graubünden wegen voller Gefängnisse gefährdet ist und Delinquenten nicht fristgerecht ihrer Strafe zugeführt werden können?

Chur, 15. Februar 2011

Felix, Geisseler, Hartmann (Champfèr), Aebli, Albertin, Augustin, Bezzola (Zernez), Blumenthal, Brandenburger, Buchli-Mannhart, Burkhardt, Campell, Candinas, Casanova-Maron, Casty, Casutt, Casutt-Derungs, Cavegn, Clalüna, Conrad, Davaz, Della Vedova, Dermont, Dosch, Dudli, Engler, Florin-Caluori, Foffa, Fontana, Furrer-Cabalzar, Giacomelli, Grass, Gunzinger, Hardegger, Heinz, Heiz, Hitz-Rusch, Holzinger-Loretz, Jeker, Jenny, Kappeler, Kasper, Kleis-Kümin, Koch (Tamins), Koch (Igis), Kollegger (Chur), Komminoth-Elmer, Krättli-Lori, Kunz (Fläsch), Kunz (Chur), Locher Benguerel, Lorez-Meuli, Mani-Heldstab, Märchy-Caduff, Marti, Michael (Donat), Montalta, Niederer, Nigg, Niggli (Samedan), Niggli-Mathis (Grüsch), Papa, Parolini, Parpan, Pedrini, Righetti, Steck-Rauch, Stiffler (Davos Platz) Tenchio, Thöny, Tomaschett (Breil), Troncana-Sauer, Tscholl, Vetsch (Klosters Dorf), Vetsch (Pragg-Jenaz), Waidacher, Wieland, Zweifel-Disch

Antwort der Regierung

Der Kanton Graubünden ist seit dem Jahr 1975 Mitglied des Konkordats der ostschweizerischen Kantone über den Vollzug von Strafen und Massnahmen. Darin verpflichten sich die Kantone, den strafrechtlichen Vollzug in den Konkordatseinrichtungen durchzuführen. Sennhof und Realta sind Konkordatsanstalten. Die 33 geschlossenen Plätze im Sennhof sind zu rund 50 Prozent, die 89 offenen Plätze für Strafgefangene in Realta bis zu 80 Prozent mit ausserkantonalen Verurteilten belegt. Für gefährliche Verurteilte mit psychischen Störungen oder Verwahrte (stationäre Massnahmefälle), die besonders untergebracht werden müssen, sind im Sennhof keine Angebote vorhanden. Der Sennhof ist nebst der Justizvollzugsanstalt (JVA) Pöschwies die einzige grössere, geschlossen geführte Anstalt im Konkordat.

Frage 1: Die Belegungen im offenen Vollzug sind stark abhängig von der Qualität des Angebotes. Die Justizvollzugsanstalt Realta hat sich im offenen Vollzug gut positioniert, und es ist davon auszugehen, dass sich die Belegungen im offenen Vollzug künftig zwischen 90 und 95 Prozent bewegen werden. Die Kapazitäten reichen aus. Die Platzierung von durch Bündner Gerichte verurteilten Personen ist sichergestellt. Demgegenüber fehlen im geschlossenen Straf- und Massnahmenvollzug heute in der Schweiz rund 200 Vollzugsplätze, davon alleine 140 im Ostschweizer Strafvollzugskonkordat. Diese Situation dürfte sich durch längere und schärfere Sanktionen weiter zuspitzen. Die meisten von Bündner Gerichten verurteilten Personen, welche in den geschlossenen Freiheitsentzug müssen, können in der JVA Sennhof platziert werden. Aufgrund besonderer Verhältnisse ist in Ausnahmefällen auch eine Einweisung in die JVA Pöschwies notwendig. Stationäre Massnahmen können in der Regel in der forensischen Station der Psychiatrischen Dienste Graubünden in Cazis vollzogen werden. Zudem erfolgen Platzierungen in andere ausserkantonale Einrichtungen. Da die Nachfrage sehr gross ist, bestehen lange Wartelisten. Zur Sicherung müssen diese Personen vorübergehend in einer geschlossenen Institution untergebracht werden, was den Anforderungen des Massnahmenvollzugs nicht gerecht wird.

Frage 2: Um den Sicherheitsanforderungen genügen und mit den neuen Entwicklungen Stand halten zu können, sind jährliche Investitionen in die Infrastruktur der beiden kantonalen Konkordatsanstalten notwendig. Im Sennhof fallen jährliche Investitionen von etwa 700'000 Franken an. Ein Angebot für den Vollzug stationärer Massnahmen oder eine Vergrösserung der Kapazitäten lässt sich im Sennhof nicht realisieren. Einsparungen im Betrieb oder im Investitionsbereich sind nicht möglich.

Das Ostschweizer Strafvollzugskonkordat meldete Bedarf für eine neue, grössere geschlossene Strafanstalt an. Das Amt für Justizvollzug erstellte daraufhin im Auftrag des Departements für Justiz, Sicherheit und Gesundheit (DJSG) einen Strategiebericht über die "Zukunft des Justizvollzugs im Kanton Graubünden" und empfahl, den geschlossenen Vollzug vom Sennhof in einen Neubau nach Cazis zu verlegen. Der gesamte Strafvollzug wäre damit am gleichen Standort, und es liessen sich viele Synergien nutzen. Das Ostschweizer Strafvollzugskonkordat und insbesondere die Kantone Zürich und St. Gallen haben dem Kanton Graubünden für den Fall eines Neubaus schriftliche Belegungszusagen für mindestens zehn Jahre ab Inbetriebnahme einer neuen Anstalt abgegeben. Nach ersten Berechnungen wäre der Betrieb einer neuen Anstalt in Cazis erheblich günstiger als die Weiterführung des Sennhofs. Zudem würden, abhängig von der Anstaltsgrösse, 50 bis 80 neue Arbeitsplätze geschaffen. Für die genauere Ermittlung der Investitionskosten haben das Bau-, Verkehrs- und Forstdepartement (BVFD) sowie das DJSG im Februar 2011 eine Testplanung in Auftrag gegeben, deren Ergebnisse Ende September 2011 vorliegen. Die Regierung wird sich im Herbst mit den Ergebnissen auseinandersetzen und entscheiden, ob dem Grossen Rat der Bau einer neuen Anstalt beantragt werden soll.

Frage 3: Kurzfristig betrachtet, besteht keine Gefahr, dass die von den Gerichten des Kantons Graubünden zu einer Freiheitsstrafe Verurteilten im geschlossen Vollzug nicht platziert werden können. Bereits heute bestehen aber grosse Schwierigkeiten, stationäre Massnahmen in entsprechenden Einrichtungen in der ganzen Schweiz vollziehen zu können. Wegen der fehlenden 140 Plätze im Konkordat muss in der Ostschweiz kurz- bis mittelfristig etwas unternommen werden. Falls der Kanton Graubünden die Vollzugskapazitäten im Straf- und Massnahmenbereich nicht erweitert, sind die anderen Kantone gezwungen, andere Lösungen für die fehlenden Plätze zu suchen. Dabei besteht die Gefahr, dass die Kantone Zürich und St. Gallen ihre Gefangenen nicht mehr in den Sennhof einweisen, was die Rechnung massiv verschlechtern würde. Die JVA Sennhof müsste in diesem Fall nur noch mit Bündner Verurteilten betrieben oder vollständig aufgegeben werden, was wesentlich teurer zu stehen kommen würde. Die Aufgabe des Sennhofs würde den Verlust von rund 30 Arbeitsplätzen bedeuten. Zudem könnten Unterbringungsschwierigkeiten für von Bündner Gerichten verurteilte Personen entstehen.

04. Mai 2011