Die Regierung des Kantons Graubünden wird beauftragt, bei der Eidgenossenschaft eine Prüfung zu verlangen inwieweit die noch nicht erfolgten Restwassersanierungen bei Schweizer Wasserkraftwerken nach Art. 80 GSchG für die nächsten 10 Jahre sistiert werden können.
Seit den tragischen und alarmierenden Ereignissen in Japan ist in der Schweizer Bevölkerung die Erkenntnis gewachsen, dass die Kernkraft weltweit und auch in der Schweiz als Option zur Energiegewinnung mit grosser Wahrscheinlichkeit wegfallen wird. Die BDP akzeptiert diese Ausgangslage, umso mehr als die Partei bereits vor den aktuellen Ereignissen einen mittel- bis langfristigen Ausstieg als Ziel formuliert hat. Die BDP ist indes nicht bereit, deswegen ihre energiepolitischen Anliegen – autonome und CO2-arme Energieproduktion – aufzugeben. Der Ausstieg aus der Kernenergie darf daher nicht auf Kosten des Klimas gehen, die Schweiz nicht von dreckigem ausländischem Strom abhängig sein.
Mit dem Wegfall der Kernenergie fehlen dereinst 40% des in der Schweiz produzierten Stroms. Kommt dazu, dass der Stromverbrauch durch verschiedene Entwicklungen (z.B. Bevölkerungszuwachs, Einsatz von Wärmepumpen, Ausbau Elektromobilität etc.) allen Effizienzmassnahmen zum Trotz jährlich um mehr als 2% zunehmen wird.
Die BDP sieht folgende energiepolitischen Handlungsfelder: 1. Energie effizient einsetzen und 2. vermehrt saubere Energie selber produzieren. Im zweiten Handlungsfeld geht es darum, neben anderen erneuerbaren Energien die Wasserkraft als ökologisch und ökonomisch wertvollste Energieform zu stärken. Zu- und Ausbauten sowie Optimierungen von bestehenden Kraftwerken müssen geprüft werden. Dabei ist aber mit Einsprachen und Verzögerungen durch Natur- und Landschaftsschützer zu rechnen. Deshalb ist es wichtig in dieser Phase die bereits vorhandenen Produktionskapazitäten nicht zu schwächen.
Gemäss Art. 80 Abs. 1 des Bundesgesetzes über den Schutz von Gewässer (GSchG), muss ein Fliessgewässer, das durch Wasserentnahmen wesentlich beeinflusst wird, unterhalb der Entnahmestellen nach den Anordnungen der Behörde so weit saniert werden, als dies ohne entschädigungsbegründende Eingriffe in bestehende Wassernutzungsrechte möglich ist. Weitergehende Sanierungen sind zu entschädigen (Art. 80 Abs. 2 GSchG). Gemäss Art. 81 Abs. 2 GSchG müssen die Sanierungen bis spätestens Ende 2012 abgeschlossen sein.
Die bereits sanierten Wasserennahmen zeigen, dass mit der Restwassersanierung eine Produktionseinbusse von mindestens 10% verbunden ist. Diese Produktionseinbussen müssen anderweitig kompensiert werden, wodurch neue Produktionsstätten erforderlich sind. Die aktuellen energiepolitischen Herausforderungen verlangen eine Verlagerung der Interessenabwägung hin zu einem Erhalt der bestehenden Produktionskapazitäten im Bereich Wasserkraft. Die Restwassersanierungen sind daher einstweilen auf 10 Jahre zu sistieren.
Chur, 19. April 2011
Parolini, Kollegger (Chur), Felix, Aebli, Bleiker, Buchli-Mannhart, Campell, Casty, Clalüna, Dudli, Grass, Heinz, Jeker, Koch (Tamins), Komminoth-Elmer, Lorez-Meuli, Mani-Heldstab, Michael (Donat), Montalta, Niggli-Mathis, Papa, Pedrini (Roveredo), Stiffler (Davos Platz), Tscholl, Fausch, Gugelmann, Haltiner, Müller (Haldenstein)
Antwort der Regierung
Die Restwassersanierung ist im Bundesgesetz über den Schutz der Gewässer (GSchG; SR 814.20) geregelt. Im Kanton Graubünden sind seit dem Inkrafttreten des GSchG von den 218 untersuchten Wasserentnahmen bereits deren 50 im Zuge von Neukonzessionierungen oder im Rahmen anderer wasserrechtlicher Verfahren an die neuen Bestimmungen im Umweltrecht rechtskräftig angepasst worden. Dass solche Restwassersanierungen jeweils mit Produktionseinbussen verbunden sind und dass diese Verluste an Energie anderweitig kompensiert werden müssen, steht auch für die Regierung ausser Frage.
Wenn nun aber gemäss vorliegendem Auftrag verlangt wird, dass die verbleibenden Sanierungsfälle einstweilen auf zehn Jahre zu sistieren seien, so gibt die Regierung einerseits zu bedenken, dass ein solches Moratorium gar nicht in die Entscheidungskompetenz des Kantons fällt. Der Bund wäre vielmehr zuständig. Eine derartige Idee wurde jedoch selbst in der kürzlich ausgiebig geführten Grundsatzdebatte des Eidgenössischen Parlaments zur energiepolitischen Lage nach der Katastrophe in Japan erst gar nicht angedacht oder konkret in Erwägung gezogen.
Anderseits wäre aus Sicht der Regierung eine Praxisänderung in der Umsetzung des Gewässerschutzgesetzes, um eine Schmälerung der Stromproduktion aus Wasserkraft zu vermeiden, nicht nur aus Gründen des Umweltschutzes falsch bzw. politisch nicht verantwortbar und rechtlich nicht haltbar. Der gesetzliche Auftrag, für ausreichende Restwassermengen zu sorgen, besteht nämlich seit 1992. Die ursprüngliche Frist von Ende 2007 wurde im Rahmen des Entlastungsprogramms 2003 des Bundes bereits um fünf Jahre auf Ende 2012 verlängert. Nachdem nun aber verschiedene Werke im Kanton die entsprechenden Bestimmungen zwischenzeitlich umgesetzt haben, würde eine Befreiung der übrigen Werke wenn auch nur einstweilig von der gesetzlich verankerten Sanierungspflicht eine unzulässige Bevorteilung dieser Unternehmen bedeuten.
Nach Überzeugung der Regierung muss aufgrund der heutigen schwierigen Situation nach Fukushima statt eines Moratoriums für Restwassersanierungen alles daran gesetzt werden, dass der Optimierung bzw. dem Ausbau bestehender Wasserkraftwerke sowie dem Bau einzelner Grosskraftwerke, sofern sie die erforderlichen Rahmenbedingungen erfüllen, keine unnötigen Hindernisse in den Weg gestellt werden. Namentlich auch im Hinblick auf die in Bälde infolge Konzessionsablaufs anstehenden Erneuerungen verschiedener Konzessionsverhältnisse für bestehende Werke im Kanton gilt es schliesslich, möglichst günstige Bedingungen zu schaffen. Hier soll aus Sicht der Regierung mit erster Priorität angesetzt werden.
Aus den dargelegten Gründen lehnt die Regierung den Auftrag ab.
8. Juli 2011