In jüngerer Vergangenheit mehren sich die Meldungen über schwere Gewaltanwendungen im öffentlichen Raum, sowohl aus dem Ausland, wie leider auch aus dem Inland. Verschiedentlich wurden Personen von Einzeltätern oder Gruppen tätlich angegriffen und teilweise schwer oder gar tödlich verletzt. Auch vor Graubünden macht diese Tendenz sinnloser und brachialer Gewalt keinen Halt. So wurde, nach ähnlichen Vorfällen in der Vergangenheit, letztmals am 31. Juli 2011 am Churer Bahnhof bei helllichtem Tage ein Mann von zwei Tätern spitalreif geschlagen. Obwohl das Areal von einer polizeilichen Kamera überwacht wird, konnten die Täter nicht identifiziert werden. Dies, weil das Polizeigesetz der Stadt Chur die Aufzeichnung der Videoüberwachung, selbst zum Zwecke der Aufklärung von Straftaten, nicht erlaubt. Dieser Sachverhalt stösst in breiten Kreisen der Bevölkerung auf Unverständnis und fördert den Unmut. Das Schweizer Stimmvolk brachte in der Vergangenheit wiederholt zum Ausdruck, dass von der Justiz im Umgang mit Delinquenten eine konsequentere Gangart an den Tag zu legen ist. Vor diesem Hintergrund erteilen die Unterzeichnenden der Regierung nachfolgenden Auftrag:
Das kantonale Polizeigesetz ist zu überprüfen und wenn nötig derart anzupassen, dass es für den Kanton und die Gemeinden eine genügende Rechtsgrundlage bildet, um die öffentliche Sicherheit durchsetzen und dem Sicherheitsempfinden der Bevölkerung Rechnung tragen zu können. Im Besonderen ist bei Bedarf die Überwachung des öffentlichen Raumes zu legitimieren. Die aufgenommenen Daten müssen für eine bestimmte Zeit gespeichert werden können, um sie damit der Identifizierung von Straftätern oder der Aufklärung von Straftaten zugänglich zu machen.
Chur, 1. September 2011
Felix, Marti, Caduff, Aebli, Albertin, Bezzola (Zernez), Blumenthal, Brandenburger, Buchli-Mannhart, Burkhardt, Campell, Candinas, Casty, Casutt, Cavegn, Clalüna, Conrad, Darms-Landolt, Dosch, Dudli, Engler, Fontana, Furrer-Cabalzar, Geisseler, Giacomelli, Grass, Gunzinger, Hardegger, Hartmann (Champfèr), Hartmann (Chur), Hitz-Rusch, Holzinger-Loretz, Jeker, Joos, Kleis-Kümin, Koch (Tamins), Kollegger (Chur), Kollegger (Malix), Komminoth-Elmer, Krättli-Lori, Kunz (Fläsch), Kunz (Chur), Lorez-Meuli, Mani-Heldstab, Michael (Donat), Michael (Castasegna), Montalta, Niggli (Samedan), Niggli-Mathis (Grüsch), Papa, Parolini, Pedrini, Steck-Rauch, Stiffler (Davos Platz), Stiffler (Chur), Tomaschett (Breil), Tomaschett-Berther (Trun), Troncana-Sauer, Tscholl, Valär, Vetsch (Klosters Dorf), Waidacher, Wieland, Zanetti, Bricalli, Largiadèr, Müller (Haldenstein), Patt, Rodigari, Schucan, Wolf
Antwort der Regierung
Leider mehren sich in den Medien Meldungen über höhere Gewaltbereitschaft und zunehmende Gewaltanwendung im öffentlichen Raum auch im Inland, namentlich in den Grossagglomerationen. Glücklicherweise stellt die Kantonspolizei Graubünden aktuell keine Zunahme an Gewaltdelikten in der Öffentlichkeit fest. Beim Vorfall am Bahnhof in Chur vom 31. Juli 2011, der im Auftrag erwähnt wird, handelt es sich um einen Einzelfall, der zudem von der Kantonspolizei aufgeklärt werden konnte. Allein aufgrund dieser Situation wäre daher kein unmittelbarer Handlungsbedarf für eine Revision der gesetzlichen Grundlagen zur Videoüberwachung angezeigt. Dennoch zeigt der Vorfall, dass es wenig Sinn macht, den öffentlichen Raum mittels Videokameras zu überwachen, ohne die Überwachung aufzeichnen, speichern und später, falls eine Straftat begangen wird, auswerten und für die Strafverfolgung nutzen zu können.
Bei der Videoüberwachung handelt es sich nach einhelliger juristischer Meinung um einen schweren Eingriff in die Privatsphäre. In einer freiheitlichen Gesellschaft haben die Bürgerinnen und Bürger das Recht, sich in der Öffentlichkeit frei, unbeobachtet und unkontrolliert zu bewegen. In Anwendung dieser Rechtsauffassung ist denn auch die bisherige Rechtsgrundlage restriktiv formuliert, die das Mittel einer generellen Videoüberwachung nicht vorsieht. Eine solche polizeiliche Massnahme ginge über den Anwendungsbereich von Art. 22 Abs. 3 des kantonalen Polizeigesetzes (BR 613.000) hinaus, wonach Videoaufzeichnungen möglich sind, sofern eine konkrete Gefahr besteht, dass Straftaten begangen werden.
Die Videoüberwachung ist zweifellos kein Wundermittel zur Eindämmung der Kriminalität. Sie kann aber sowohl präventiv als auch repressiv eingesetzt das richtige Instrument sein, um ein bestimmtes Rechtsgut zu schützen und um Straftaten zu verhindern oder aufzuklären.
Damit aber die rechtliche Möglichkeit besteht, den öffentlichen Raum unter bestimmten Voraussetzungen mit technischen Hilfsmitteln zu überwachen, und damit das Mittel der Videoüberwachung zur Verfügung steht, ist das Polizeigesetz entsprechend zu ändern. Dabei ist das Verhältnismässigkeitsprinzip zu beachten und es sind klare Regeln beispielsweise für das Aufzeichnen, Aufbewahren, Auswerten und Löschen zu definieren.
Die Regierung ist bereit, das Polizeigesetz entsprechend anzupassen, und beantragt dem Grossen Rat, den Auftrag zu überweisen.
19. Oktober 2011