Navigation

Inhaltsbereich

Session: 01.09.2011
Das Wirtschaftsforum Graubünden ist eine Stiftung und besteht seit 1996. Diese "Stiftung zur Förderung der Bündner Wirtschaft" ist eine halbprivate Institution, die vom Kanton Graubünden, den kantonalen Verbänden und verschiedenen Unternehmungen aus dem Kanton getragen wird.

Obwohl der Kanton Graubünden mit Regierungsrat Trachsel und mit dem Amtsleiter des AWT im Stiftungsrat vertreten ist, und obwohl der Kanton alljährlich aus Steuermitteln Beiträge an das Wirtschaftsforum leistet, ist im Stiftungsrat ausschliesslich die Arbeitgeberseite vertreten. Im Patronatskomitee figurieren die Namen von zwei Gewerkschaftsmitgliedern, die schon seit Jahren an keine Sitzung mehr eingeladen wurden. Das Patronatskomitee hat auch kaum eine Funktion.

Das Wirtschaftsforum versteht sich laut eigenen Angaben als Katalysator für die Auslösung notwendiger Anpassungsprozesse (z.B. Strukturanpassungen in der Bau- und Tourismuswirtschaft). Weil gerade das Auslösen von Prozessen schwierig ist und weil in dieser Phase in der Regel kaum genügend Mittel vorhanden sind, will das Wirtschaftsforum mit seiner Ausrichtung eine wichtige Lücke schliessen.

Obwohl das Wirtschaftsforum das selbsternannte Ziel hat, die Bevölkerung über wirtschaftliche Zusammenhänge und kommende Entwicklungen zu informieren und dafür zu sensibilisieren, vermögen seine Publikationen diesem Anspruch kaum gerecht zu werden. So hat der Bericht zum Zweitwohnungsbau kaum etwas gesagt über die massiven negativen Auswirkungen für die einheimische Bevölkerung. In den Berichten zum Thema Strom und Energie wird einseitig auf den (Aus-)Bau von Wasserkraftwerken gesetzt. Das Potenzial von Sonnenenergie wird nicht erkannt, die zukunftsträchtige Clean-Tech-Industrie – gerade für Graubünden – scheint unbekannt. Neuestes Werk ist ein "Diskussionsvorschlag" zur Steuerpolitik in Graubünden. Der Bündner Finanzminister hat die Vorschläge schon innerhalb von 24 Stunden nach der Publikation mehr oder weniger deutlich als untauglich bezeichnet.

Die Unterzeichneten stellen der Regierung deshalb die folgenden Fragen:

1. Wer trägt die Verantwortung für die Studien- und Berichtstätigkeit des Wirtschaftsforums Graubünden, und wer entscheidet, zu welchen Themen Studien und Berichte verfasst werden?

2. Welche Rolle spielen dabei der zuständige Regierungsrat und der Amtsleiter des AWT?

3. Wie beurteilt die Regierung die Tatsache, dass das Wirtschaftsforum aus Kantonsmitteln alimentiert wird, ohne dass die Verantwortungsträger ein Abbild der Bündner Bevölkerung wären, und ohne dass ein zentraler Teil der Bündner Volkswirtschaft, nämlich die Arbeitnehmenden, darin vertreten sind?

4. Welche der folgenden Varianten oder Alternativvorschläge betrachtet die Regierung als zielführend, um dem Wirtschaftsforum mehr Legitimität zu geben:

a) Das Wirtschaftsforum wird ab 2012 nicht mehr mit kantonalen Finanzmitteln unterstützt. Im Stiftungsrat sind keine kantonalen Amtsträger mehr vertreten.

b) Um dem Wirtschaftsforum eine gesamtwirtschaftliche Legitimität zu geben, sollen 1/3 der Stiftungsratssitze von Arbeitnehmerorganisationen und Vertretern von Umweltverbänden besetzt sein.

c) Der Kanton alimentiert Arbeitnehmerorganisationen und Umweltverbände in der gleichen Höhe wie das Wirtschaftsforum, um Stellungnahmen/Studien auch aus ihrer Sicht erarbeiten zu lassen.

Chur, 1. September 2011

Peyer, Trepp, Baselgia-Brunner, Bucher-Brini, Frigg-Walt, Gartmann-Albin, Jaag, Locher Benguerel, Müller (Davos Platz), Noi-Togni, Pfenninger, Pult, Thöny, Monigatti

Antwort der Regierung

Die Stiftung Wirtschaftsforum Graubünden (Wirtschaftsforum) versteht sich als Denkwerkstatt der Bündner Wirtschaft, setzt sich für die Verbesserung der Rahmenbedingungen des Wirtschaftsstandortes Graubünden ein und arbeitet entsprechende Themen auf. Die Stiftung hat gemäss Stiftungsurkunde den Zweck, die Bündner Wirtschaft, die Öffentlichkeit und die Behörden über relevante Wirtschaftsdaten, wirtschaftliche Zusammenhänge und Entwicklungen zu informieren. Im Rahmen der Leistungsvereinbarung für die Jahre 2011 – 2013 beauftragt die Regierung das Wirtschaftsforum, volkswirtschaftliche und betriebswirtschaftliche Grundlagen für die Entwicklung von Strategien und Umsetzungskonzepten für Branchen, Regionen und KMU zu schaffen und die Öffentlichkeit, Politik und Wirtschaft für wesentliche Herausforderungen des Wirtschaftsstandortes Graubünden zu sensibilisieren.

Frage 1: Die Auswahl der Schwerpunktthemen und somit auch die Verantwortung für die Studien- und Berichtstätigkeit des Wirtschaftsforums obliegen dem Stiftungsrat. Er legt jährlich die Schwerpunktthemen fest. Diese werden in der Regel durch die Geschäftsführung unter Einbezug einer sachverständigen Begleitgruppe und Fachleuten bearbeitet.

Frage 2: Der zuständige Regierungsrat und der Leiter des Amtes für Wirtschaft und Tourismus (AWT) nehmen Einsitz im Stiftungsrat. Als Mitglieder desselben nehmen sie Einfluss auf die Festlegung der Schwerpunktthemen.

Frage 3: Der Stiftungsrat ist das oberste Organ der Stiftung. Er konstituiert sich selbst. Bei der Zusammensetzung des Stiftungsrates werden gemäss Stiftungszweck die wirtschaftlichen und regionalpolitischen Interessen Graubündens berücksichtigt. Die Wahl in den Stiftungsrat erfolgt mit der Zielsetzung, durch eine geeignete Besetzung die wesentlichen Wirtschaftsbereiche abzudecken und die Kompetenz im Wirtschaftsforum weiter zu stärken. Eine repräsentative Vertretung der Bündner Bevölkerung ist dabei nicht zwingend erforderlich. Die Zusammensetzung des Stiftungsrates hat dem Stiftungszweck zu folgen und liegt ausschliesslich in der Verantwortung des Wirtschaftsforums. Auch bei anderen Institutionen, mit denen der Kanton Leistungsvereinbarungen abschliesst, enthält sich der Kanton einer Einflussnahme auf die Besetzung der Organe. Die Regierung begrüsst jedoch eine ausgewogene Vertretung aller Anspruchsgruppen im Stiftungsrat, darunter auch eine Vertretung der Arbeit-nehmenden.

Frage 4:
a) Die Regierung ist gewillt, die Aktivitäten des Wirtschaftsforums weiterhin zu unterstützen. Im Sinne der Grundsätze des Corporate Governance Berichts der Regierung (Botschaft Heft Nr. 6/2010-2011) wird die Einsitznahme des zuständigen Regierungsrates und des Leiters des Amtes für Wirtschaft und Tourismus im Stiftungsrat überprüft.

b) Die Zusammensetzung des Stiftungsrates liegt ausschliesslich in der Verantwortung des Wirtschaftsforums. Die Regierung betrachtet es im Sinne der Corporate Governance Grundsätze als nicht zielführend, in die Besetzung von Organen einzugreifen oder diese gar quotenmässig festzulegen. Die Einsitznahme von Sachverständigen, die sich aus wirtschaftlicher Sicht mit Themen der Umwelt und der Arbeitnehmerschaft befassen, wird von der Regierung begrüsst.

c) Die Regierung sieht nicht vor, weitere Organisationen zu unterstützen.

02. November 2011