Der Tourismus ist unbestritten die zentrale Stütze der Bündner Volkswirtschaft. Allerdings sind die Aussichten aufgrund der Frankenstärke, der unsicheren Wirtschaftslage aber auch der strukturellen Probleme der Destination Graubünden (abnehmende Zahl von Übernachtungen, rückläufige Zahl von Skifahrenden bei gleichzeitig hohem Investitionsbedarf etc.) getrübt.
Die Bündner Bevölkerung sieht sich zudem auch mit den negativen Auswirkungen des Tourismus konfrontiert. Stichworte dazu sind hohe (Boden-)Preise, tendenziell tiefe Löhne, hohes Verkehrsaufkommen, überbordender Zweitwohnungsbau, Eingriffe in Natur und Landschaft.
All dies führt auch dazu, dass in der Bündner Bevölkerung die Sensibilität für die Belange des Tourismus zuweilen nicht oder nur eingeschränkt vorhanden ist. Darum braucht es nach Ansicht der Unterzeichnenden nicht nur eine Qualitätsoffensive des Bündner Tourismus für die Gäste, sondern auch eine spürbare Attraktivitätssteigerung für die einheimische Bevölkerung.
Aus diesen Gründen beauftragen die Unterzeichnenden die Regierung, in Zusammenarbeit mit der Branche (Graubünden Ferien, Bergbahnen Graubünden etc.) Kosten und Nutzen eines flächendeckenden Einheimischtarifs bei Bergbahnen und allenfalls beim Bündner öffentlichen Verkehr zu prüfen. In diesem Zusammenhang ist auch die Umsetzung eines Bündner Tarifverbundes zu prüfen. Dem Grossen Rat ist in geeigneter Form Bericht zu erstatten und allenfalls Antrag zu stellen.
Chur, 17. Oktober 2011
Pult, Peyer, Jaag, Bucher-Brini, Frigg-Walt, Gartmann-Albin, Locher Benguerel, Müller, Pfenninger, Thöny, Deplazes, Michel (Igis), Monigatti
Antwort der Regierung
Die Unterzeichnenden des Fraktionsauftrags erachten die Sensibilität der Bündner Bevölkerung für die Belange des Tourismus aufgrund der aus ihrer Sicht damit einhergehenden negativen Auswirkungen als zuweilen nicht oder nur eingeschränkt vorhanden. Zur Steigerung der Attraktivität für die Bevölkerung beauftragen sie die Regierung, in Zusammenarbeit mit der Branche Kosten und Nutzen eines flächendeckenden Einheimischentarifs bei Bergbahnen und allenfalls beim Bündner öffentlichen Verkehr sowie die Umsetzung eines Bündner Tarifverbundes zu prüfen.
Nahezu alle Bergbahnen im Kanton Graubünden sind private Unternehmen ohne öffentlich-rechtlichen Transportauftrag. Die Unternehmen sind deshalb in ihrer Preispolitik frei und richten sich nach den Gegebenheiten des Marktes, da sie in direktem Wettbewerb zueinander stehen. Bereits heute profitieren eine grosse Zahl von Bündner Gemeinden respektive deren Einwohnerinnen und Einwohner bei einer Bergbahnunternehmung in ihrer Umgebung von vergünstigten Preisen. Die Preisreduktionen betragen zwischen 20 und 50 Prozent und werden je nach Unternehmung auf Saison- und Jahreskarten oder auch auf Einzelfahrten und Tageskarten gewährt. Ein einheitlicher flächendeckender Einheimischentarif bei allen Bergbahnen im Kanton wäre ein wettbewerbsverzerrender Eingriff in bestehende Tarifstrukturen. Die Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Unternehmen, insbesondere der kleineren Skigebiete, wäre stark gefährdet, der Strukturwandel in der Bergbahnbranche könnte verfälscht werden und sich letztlich negativ auf die gesamte Branche mit ihren regionalen Arbeitsplätzen auswirken. Der vorgeschlagene Eingriff in die Preispolitik der Bergbahnunternehmen ist daher aus Sicht der Regierung zu unterlassen.
Der Einheimischentarif im öffentlichen Regionalverkehr wurde vom Bund Ende der Fünfzigerjahre in den Randregionen eingeführt und zu 100% finanziert. Aufgrund der Aufhebung des entsprechenden Tarifannäherungsbeschlusses erfolgte eine starke Modifizierung. Seit 1999 besteht der neue Einheimischentarif in Graubünden in Form einer Ermässigung von aktuell 20% auf Mehrfahrtenkarten.
Die verschiedenen regionalen Tarifverbunde (Oberengadin, Davos-Klosters, Ticino-Moesano) haben sich grundsätzlich bewährt. Im dichtbesiedelten „Transreno-Gebiet“ zwischen Landquart und Rhäzüns ermöglicht zudem eine Tarifgemeinschaft die gegenseitige Anerkennung aller Fahrausweise in Papierform zwischen RhB, Postauto und Stadtbus Chur. Die Planung des Weiterausbaus zu einem kantonalen Verbund bzw. einem Tarifverbund Nordbünden wurde vor einigen Jahren an die Hand genommen. Die Umsetzung gestaltet sich schwierig: Bei den Gemeinden und Transportunternehmungen konnte keine Akzeptanz insbesondere bezüglich der Restkosten erreicht werden. Einige tarifliche Optimierungs-Massnahmen wurden umgesetzt, wie beispielsweise die Steigerung der Attraktivität des Bündner Generalabonnements (Büga), welches freie Fahrt auf sämtlichen Transportunternehmungen inklusive ausserkantonale Anschlussstrecken umfasst und neu auch als Monats-Abonnement erhältlich ist. Die Planung einer Ausdehnung der Tarifgemeinschaft Transreno bis nach Schiers bzw. Thusis ist weit fortgeschritten. Momentan ist die Verbundlandschaft Schweiz stark im Umbruch. Projekte des Verbandes des öffentlichen Verkehrs (VöV) bezüglich „Zukünftiges Preissystem öV Schweiz“ laufen, entsprechende Entscheide sind im Jahr 2012 zu erwarten. Gestützt darauf soll geprüft werden, ob die kantonale Verbund-Strategie gegebenenfalls neu definiert bzw. angepasst werden muss. Zusätzliche Massnahmen sind somit zurzeit nicht vordringlich und nicht zielführend.
Die Regierung beantragt aus den dargelegten Gründen, den Fraktionsauftrag abzulehnen.
09. Dezember 2011