Ende 2011 geht die erste Phase des im 2008 lancierten Regionalentwicklungsprojektes SAN GOTTARDO zu Ende. An der vierten Gotthardkonferenz vom 23. September 2011 in Sedrun wurde Bilanz gezogen. Die vier Regierungen der Kantone Uri, Tessin, Wallis und Graubünden haben beschlossen, das bisherige regionalpolitische Progetto San Gottardo ab 2012 als Programm San Gottardo 2020 mit verstärkten Mitteln fortzuführen; mit zwei zusätzlichen Mitarbeitern und deutlich grösseren Fördermitteln des Bundes und der vier Kantone sollen erfolgversprechenden Projekten zum Durchbruch verholfen werden.
Zielsetzung des Programms ist die bessere Vernetzung und verstärkte Zusammenarbeit. Gemeinsam soll das Gebiet um den Gotthard zu einem zusammenhängenden Lebens- und Wirtschaftsraum entwickelt werden. Dafür erforderlich ist eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit durch die Entwicklung attraktiver Tourismusprojekte, durch die Verbesserung der Rahmenbedingungen und durch die Anpassung der regionalen Strukturen.
Eine wichtige Rolle spielen dabei ebenfalls zeitgemässe Verkehrsverbindungen. Die Erreichbarkeit der oberen Surselva ist schlecht: Besonders in den Wintermonaten ist die Region Surselva, bedingt durch den Wegfall der vorhandenen Strassenverbindung über den Oberalppass, im Ost-Westverkehr isoliert. Eine ganzjährige zeitgemässe Verkehrsverbindung fehlt. Dadurch findet zwischen den Randregionen im Gotthardgebiet überhaupt kein Austausch statt, sie orientieren sich weiterhin talabwärts. Diese starke Einschränkung der lokalen Beweglichkeit darf nicht länger mit einem Denkverbot belegt werden, sondern soll im Rahmen des nächsten NRP-Umsetzungsprogramms offen und gleichberechtigt besprochen werden. Mittel- und längerfristig sind dafür Lösungen gefragt; unter anderem ob die gekappte Strassenverbindung während der Wintersperre über den Oberalppass durch eine Tunnelverbindung oder eine Winteröffnung des Passes behoben werden soll. Ebenfalls ob die heutige Systemgrenze RhB/MGB in Disentis aufgehoben und damit eine umsteigfreie Bahnverbindung Chur-Sedrun endlich ermöglicht wird.
Grundvoraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung von Projekten ist eine gemeinsame Zukunftsstrategie. In der Region Disentis-Sedrun fehlt zurzeit eine einheitliche Strategie und Koordination im Bereich Tourismus und Wirtschaft. Das Risiko, die sich ergebenden Potenziale im Raume Gotthard nicht optimal nutzen zu können - wie z.B. bei der geplanten Skigebietsverbindung - ist nicht von der Hand zu weisen. Zur bestmöglichen Wahrung der Interessen der Region Surselva ist sowohl eine einheitliche Strategie wie einheitliches Auftreten vonnöten. Diesbezüglich ist damit eindeutiger Handlungsbedarf gegeben.
Deshalb ersuchen wir die Regierung um Beantwortung folgender Fragen:
1. Inwieweit ist die Regierung bereit, sich für zeitgemässe Verkehrsverbindungen im Ost-Westverkehr der Surselva (Tunnelverbindung, Winteröffnung des Oberalppasses, Aufhebung der Systemgrenze RhB/MGB in Disentis) im Rahmen des Programms SAN GOTTARDO 2020 einzusetzen?
2. Mit welchen Mitteln und Massnahmen will die Regierung gewährleisten, dass die Region Surselva (Disentis-Sedrun) mit einer einheitlichen Strategie gegenüber den anderen Talschaften im Raume Gotthard auftritt, um die sich ergebenden Potenziale am besten nutzen zu können?
Chur, 8. Dezember 2011
Berther (Camischolas), Casty, Albertin, Augustin, Barandun, Berther (Disentis/Mustér), Blumenthal, Bondolfi, Brandenburger, Buchli-Mannhart, Caduff, Caluori, Campell, Casutt, Casutt-Derungs, Cavegn, Darms-Landolt, Davaz, Della Vedova, Dermont, Dosch, Dudli, Fasani, Giacomelli, Hardegger, Hartmann (Champfèr), Heiz, Joos, Koch (Tamins), Kollegger (Chur), Kollegger (Malix), Michael (Donat), Michael (Castasegna), Montalta, Müller, Niederer, Niggli-Mathis (Grüsch), Noi-Togni, Parolini, Parpan, Rathgeb, Righetti, Sax, Stiffler (Davos Platz), Tenchio, Tomaschett (Breil), Tomaschett-Berther (Trun), Vetsch (Klosters Dorf), Degonda, Deplazes
Antwort der Regierung
Sichere und leistungsfähige Verkehrsverbindungen sind eine zentrale Voraussetzung für die demographische und wirtschaftliche Entwicklung der Regionen. Die Regierung misst deshalb auch einer optimalen Verkehrserschliessung der oberen Surselva mit den benachbarten Regionen grosse Bedeutung zu. Im Rahmen der neuen Regionalpolitik (NRP) schafft das Umsetzungsprogramm San Gottardo 2012-2015 (UP PSG) die Voraussetzungen, um Potenziale der Region Surselva und der Gotthardregionen zu nutzen und dadurch Wertschöpfung zu erzeugen.
Zu Frage 1: Auf der Strecke Reichenau - Sedrun wurden durch den Kanton in den letzten zwei Jahrzehnten namhafte finanzielle Mittel in den Neu- und Ausbau der Hauptstrasse investiert. Ebenfalls wurden Anstrengungen zur Beschleunigung und Optimierung der Bahnstrecke unternommen. Konkret wurde im Rahmen des Projekts "Planung neuer Verkehrsverbindungen" der Bau eines Eisenbahntunnels unter dem Oberalp untersucht. Diese Variante wurde dem Ausbau und der Optimierung der heutigen Bahnstrecke über den Oberalppass gegenüber gestellt. Die Studie zeigt, dass aus finanzieller und regionalwirtschaftlicher Optik ein Ausbau der Bergstrecke einer Tunnellösung vorzuziehen ist. Der Zusatznutzen einer Tunnellösung (Reisezeitersparnis, Wintersicherheit) vermag die hohen Kosten nicht zu rechtfertigen.
Eine Winteröffnung der Passstrasse muss sich primär mit der Lawinensituation auseinandersetzen. Jeden Winter gehen nämlich Lawinen und Schneerutsche auf die geschlossene Strecke nieder. Die bestehenden Wendekehren sind steil und eng und verfügen nicht über genügend Absturzsicherungen. Zur Engpassbeseitigung, Erhöhung der Verkehrssicherheit und Verbesserung der Kurvengeometrie wären aufwendige Ausbauten nötig. Für den Winterbetrieb kämen zwingend mehrere teure Schutzbauten hinzu. Die Regierung erachtet eine solche Lösung als nicht zielführend. Einer Winteröffnung des Oberalppasses steht auch der Kanton Uri ablehnend gegenüber. Er begründet dies damit, dass eine Verlagerung des Verkehrs von der Schiene auf die Strasse einschneidende Folgen für die ganze Region und ihre touristischen Möglichkeiten hätte (Konkurrenzierung des Bahnangebots MGB). Zudem besteht das Problem, dass heute im Skigebiet Nätschen Teile der Passstrasse durch Skipisten beansprucht werden. Schliesslich haben im Zusammenhang mit dem Ausbau der Skiinfrastrukturen und der Richtplananpassung Urserntal/Oberalp die Gemeinden Andermatt und Tujetsch ein Nutzungskonzept für den Oberalppass in Auftrag gegeben. Daraus geht hervor, dass eine Passöffnung im Winter für den Individualverkehr nicht erwünscht ist.
Eine Verschiebung der Systemgrenze RhB/MGB von Disentis/Mustér nach Sedrun würde aus marktwirtschaftlicher Sicht Sinn machen, wäre technisch und betrieblich allerdings mit beachtlichen Schwierigkeiten verbunden. Zwischen den beiden Bahnen und dem Kanton müsste entsprechend zudem ein Konzept erarbeitet werden, das auch eine Anpassung der Fahrplanzeiten beinhaltet, um schlanke Anschlüsse zu gewährleisten.
Der Einsatz finanzieller Mittel aus dem UP PSG für die Verbesserung der Verkehrsverbindungen im Ost-Westverkehr der Surselva ist hingegen nicht möglich. Diesbezüglich können Beiträge für die Wirtschaftsentwicklung und Entwicklungsinfrastrukturen (Bergbahnen etc.), nicht jedoch für Basisinfrastrukturen (Bahn- oder Strassenverkehrsverbindungen) ausgelöst werden.
Zu Frage 2: Das UP PSG ist auf die Evaluation und Inwertsetzung von Potenzialen ausgerichtet. Die Schwerpunkte liegen bei konkreten Massnahmen für die touristische Angebotsgestaltung und Vermarktung touristischer Produkte. Die Planung sieht auch die Weiterentwicklung von Strukturen und Organisationen vor. In diesem Kontext werden auch einheitliche Strategien der regionalen Entwicklungsträger bearbeitet und entwickelt. Solche Strategien müssen aber in erster Linie aus der Region selbst kommen, und die lokalen Akteure müssen sich aktiv in diesen Prozess einbringen. Das UP PSG bildet dazu eine wertvolle Basis. Es setzt aber voraus, dass die Potenziale erkannt und die formulierten Entwicklungsstrategien von den Akteuren umgesetzt werden. Die Regierung unterstützt entsprechende Anstrengungen, die zur Entwicklung und Umsetzung einer gemeinsamen Zukunftsstrategie in der Region beitragen. Finanzielle und personelle Mittel sind zu diesem Zweck durch das UP PSG bereit gestellt bzw. erhöht worden.
14. März 2012