Die Stimmbevölkerung wird 2012 über die Einführung eines steuerprivilegierten Bausparens abstimmen. Die Volksinitiativen „Bausparen“ und „Eigene vier Wände dank Bausparen“ sehen hohe Steuerabzüge für Personen vor, welche ein Eigenheim erwerben wollen. Dies hätte zwangsläufig einen Steuerausfall beim Bund und insbesondere bei den Kantonen zur Folge und würde das Steuerrecht noch komplizierter machen.
Zudem wird steuerbefreites Bausparen von vielen Experten als unwirksames Instrument bezeichnet, da es die Wohneigentumsquote nicht erhöht, sondern in erster Linie den obersten Einkommensschichten zu tieferen Steuern verhilft.
Der Regierung werden in diesem Zusammenhang folgende Fragen gestellt:
1. Wie hoch schätzt die Regierung die allfälligen Steuerausfälle bei einer Annahme der Initiative „Bausparen“ für den Kanton Graubünden?
2. Wie hoch schätzt die Regierung die allfälligen Steuerausfälle bei einer Annahme der Initiative „Eigene vier Wände dank Bausparen“?
3. Wie beurteilt die Regierung das steuerprivilegierte Bausparen mit sehr hohen Abzugsmöglichkeiten hinsichtlich des verfassungsmässigen Auftrags der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit?
4. Gedenkt die Regierung sich bei den entsprechenden eidgenössischen Abstimmungen zu positionieren und wenn ja, in welchem Sinn?
5. Wie hat sich im Kanton Graubünden die Wohneigentumsquote in den letzten 20 Jahren entwickelt? Sieht die Regierung eine Notwendigkeit, den Erwerb von Wohneigentum noch mit staatlichen Mitteln zu fördern?
Chur, 8. Dezember 2011
Pult, Baselgia-Brunner, Bucher-Brini, Frigg-Walt, Gartmann-Albin, Jaag, Locher Benguerel, Peyer, Pfenninger, Thöny, Trepp, Deplazes, Hensel, Monigatti
Antwort der Regierung
Die Anfrage nimmt Bezug auf die beiden Eidgenössischen Bauspar-Initiativen, die in der ersten Hälfte des laufenden Jahres zur Abstimmung gelangen. Der Regierung werden verschiedene Fragen unterbreitet, die nachfolgend beantwortet werden.
1. Die Bauspar-Initiative der Schweiz. Gesellschaft zur Förderung des Bausparens soll für die Kantone die Möglichkeit schaffen, einen Bausparabzug in die Gesetzgebung aufzunehmen. Weil die Kantone frei sind, einen Bausparabzug einzuführen, hat die Initiative keine direkten Steuerausfälle zur Folge. Diese könnten erst entstehen, wenn der Kanton einen entsprechenden Abzug schafft; sie wären damit die Folge der kantonalen Gesetzgebung und nicht der Initiative. Die mit der Initiative einhergehende Entharmonisierung des Steuerrechts zwischen Bund und Kantonen sowie unter den Kantonen wird von der Regierung klar abgelehnt.
2. Mit der Initiative "Eigene vier Wände dank Bausparen" des Schweizerischen Hauseigentümerverbandes soll für Bund und alle Kantone ein Bausparabzug von maximal Fr. 10'000 eingeführt werden; bei einem gemeinsam besteuerten Ehepaar steht der Abzug jedem Ehegatten zu. Die Steuerausfälle können nicht ermittelt werden, weil keine Anhaltspunkte dafür bestehen, wie viele Steuerpflichtige in welchem Ausmass von diesem Abzug Gebrauch machen würden.
3. Die Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ist zusammen mit dem Rechtsgleichheitsgebot das tragende Prinzip des Einkommenssteuerrechts. Ein Eingriff ins Leistungsfähigkeitsprinzip bedarf formell einer Grundlage auf Verfassungsstufe, die mit beiden Initiativen geschaffen würde. Ein Eingriff ins Leistungsfähigkeitsprinzip bedarf aber auch einer materiellen Begründung. Mit dem Eingriff muss ein gleichrangiges Ziel angestrebt werden und der Eingriff muss geeignet sein, um dieses Ziel zu erreichen. Ein gleichrangiges Verfassungsziel könnte in der Wohneigentumsförderung nach Art. 108 Bundesverfassung erblickt werden. Die Regierung ist aber klar der Meinung, dass ein Bausparabzug nur wenig zu einer Erhöhung der Wohneigentumsquote beitragen wird; er ist mit anderen Worten nicht geeignet, dieses Ziel zu erreichen. Die Regierung erwartet vielmehr einen erheblichen Mitnahmeeffekt, weil vor allem Steuerpflichtige, die ohnehin Wohneigentum erwerben werden, diesen Abzug beanspruchen würden. Im Lichte dieser Überlegungen sieht die Regierung im Bausparabzug eine Verletzung des Grundsatzes der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit.
4. Die Regierung hat den Bausparabzug in verschiedenen Vernehmlassungen immer abgelehnt und sie sieht keine Veranlassung, auf diese Beurteilung zurückzukommen. Praxisgemäss äussert sich die Regierung aber im Abstimmungskampf nicht, wenn der Kanton Graubünden von einer Frage nicht stärker betroffen ist als die anderen Kantone.
5. Derzeit bestehen keine aktuellen statistischen Grundlagen für die Beantwortung der Frage nach der Wohneigentumsquote. In den Jahren 1990 bis 2000 ist die Wohneigentumsquote in Graubünden von 43,5 % auf 46,7 % angewachsen und liegt damit klar über dem schweizerischen Mittel von 31,3 % bzw. 34,6 %. Gemäss der Studie der Credit Suisse über den Immobilienmarkt 2011 wird die Wohneigentumsquote im Kanton Graubünden im 2011 auf 54,2 % geschätzt. Inwiefern diese Schätzung den tatsächlichen Verhältnissen entspricht, kann die Regierung nicht beurteilen.
07. März 2012