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Session: 16.04.2012
Die Annahme der Zweitwohnungsinitiative führt zu einschneidenden Änderungen für Bauwirtschaft, Tourismus und Gemeindefinanzen. Sie stellt je nach Auslegung die Eigentumsgarantie in Frage und führt zu grosser Verunsicherung. In Ergänzung zur Resolution des Grossen Rates bedarf es eines Gesamtkonzeptes für die Umsetzung der Zweitwohnungsinitiative. Neben der Stärkung der Wirtschaft zur Abfederung des Strukturwandels sowie Massnahmen zur Sicherstellung gesunder Gemeinde- und Kantonsfinanzen empfiehlt sich die Einführung einer Erwerbsbewilligung als flankierende Massnahme. Die Kontingentierung wird dabei von der Erstellung (Baubewilligung/Angebot) entkoppelt und an die Nachfrage (Erwerb/Handänderung) angebunden.

Der Erwerb des Eigentums einer Wohnung zur Nutzung als Zweitwohnung wird an eine kontingentierte Bewilligung geknüpft. Dadurch kann die für den Wohnungsmarkt relevante Nachfrage gesteuert werden. Die Zuteilung zur Objektkategorie wird bei jeder Handänderung neu festgelegt. Verfügt der Käufer einer Wohnung über eine Bewilligung zur Nutzung als Zweitwohnung, so kann er diese frei nutzen. Ohne eine entsprechende Bewilligung wird die gekaufte Wohnung als Erstwohnung eingetragen. Der Eintrag gilt bis zur nächsten Handänderung. Damit kann die Nutzung eines Objekts über die Zeit wechseln.

Die Bewilligung ist nicht handelbar, aber in gerader Linie vererbbar, bzw. übertragbar. Der Gegenwert einer solchen Bewilligung soll abgeschöpft und für die Förderung von Wohnraum für Einheimische, touristischer Infrastruktur und Hotellerie sowie Kompensation der Ertragsausfälle bei den Gemeinden eingesetzt werden.

Um die Eigentumsgarantie und den Besitzstand zu gewährleisten, erhalten bisherige Zweitwohnungsbesitzer und Besitzer altrechtlicher Wohnungen im Rahmen der Übergangsbestimmungen eine entsprechende unentgeltliche Bewilligung zur freien Nutzung ihres Objektes. Sie und ihre Nachkommen können die betroffenen Objekte somit als Erst- oder Zweitwohnung nutzen. Im Falle eines Verkaufs wird das Objekt bei Fehlen einer Erwerbsbewilligung zur Erstwohnung. Die notwendigen Kontrollen entsprechen den heutigen. Das Grundbuchamt merkt bei Fehlen der Erwerbsbewilligung zur Nutzung als Zweitwohnung bei Handänderung in jedem Fall (unabhängig der bisherigen Zugehörigkeit) das Objekt als Erstwohnung an und meldet dies an die Gemeinde. Für Widerhandlungen sind entsprechende Sanktionen vorzusehen.

Über die Zeit werden alle Objekte verkauft. Solange der entsprechend kontingentierte Anteil der Handänderungen mit Erwerbsbewilligungen zur Nutzung von Wohnraum als Zweitwohnung kleiner als der bestehende Zweitwohnungsanteil ist, führt die Anwendung dieses Instrumentes über die Zeit zur Einhaltung der durch die Initiative vorgegebenen Quote. Beispielsweise können die Kontingente für Erwerbsbewilligungen auf jeweils 20% der Handänderungen des Vorjahres festgelegt werden. Diese Lösung beachtet somit die Vorgaben der Initiative und ermöglicht gleichzeitig die Anerkennung des Besitzstandes der altrechtlichen Wohnungen. Auch wenn altrechtliche Wohnungen bei der Vergabe der Bewilligungen vorrangig behandelt werden, bleibt die Zielsetzung der Initiative beachtet.

Fragen:

1. Teilt die Regierung die Meinung, dass der vorgeschlagene Lösungsansatz zu einer geordneten Umsetzung der Zweitwohnungsinitiative unter gleichzeitiger Achtung des Besitzstandes beitragen kann?

2. Ist die Regierung gewillt, sich für die Umsetzung dieser Lösung einzusetzen?

3. Welche Voraussetzungen müssen hierzu erfüllt sein?

4. Erachtet die Regierung bei Vorliegen von Leerständen, insbesondere in peripheren Gebieten, eine Regelung als sinnvoll, welche ausnahmsweise auch höhere Kontingente für Erwerbsbewilligungen zulässt?

5. Teilt die Regierung die Ansicht, dass das Vorziehen der Umsetzung von Infrastrukturprojekten, einer verstärkten Tourismusförderung, der Förderung von Erstwohnungen und bewirtschafteten Zweitwohnungen die Auswirkung der Zweitwohnungsinitiative abfedern kann? Welche konkreten Massnahmen sieht die Regierung vor?

6. Wie hoch sind die wegen der Zweitwohnungsinitiative erwarteten Einnahmeausfälle für Kanton und Gemeinden?

7. Erachtet die Regierung eine Zweitwohnungssteuer sowie die oben aufgeführte Abgabe beim Erwerb eines Objektes zur Nutzung als Zweitwohnung als sinnvoll und ausreichend zur Kompensation der erwarteten Einnahmeausfälle?

8. Welche rechtlichen Grundlagen sind anzupassen, bzw. zu schaffen? Ist die Regierung dazu gewillt?

Chur, 16. April 2012

Schucan

Antwort der Regierung


Zu den Fragen 1 - 4 (Erwerbsbewilligung)
Die Fragen 1 – 4 betreffen die vom Fragesteller vorgeschlagene Einführung einer Erwerbsbewilligung für Wohnungen. Sofern die Regierung den Fragesteller richtig versteht, soll der Erwerb von Wohnungen, welche man nach dem Erwerb als Zweitwohnung nutzen möchte, einer Bewilligungspflicht unterstellt werden, wobei solche Bewilligungen erstens zu kontingentieren (beispielsweise auf 20% der im Vorjahr in der betreffenden Gemeinde stattgefundenen Handänderungen) und zweitens mit einer Abgabe (zugunsten der Förderung des Erstwohnungsbaus) zu belasten wären. Wohnungen, für die der Käufer keine Erwerbsbewilligung einholt resp. bekommt, müssten zwingend als Erstwohnung genutzt werden.

Die gesetzgeberische Umsetzung der neuen Verfassungsbestimmung über die Zweitwohnungen ist Sache des Bundes. Er plant zu diesem Zweck eine Teilrevision des eidg. Raumplanungsgesetzes. Da dieser Prozess mehrere Jahre dauern dürfte, wird derzeit durch eine vom UVEK eingesetzte Arbeitsgruppe eine Bundesverordnung erarbeitet, mit welcher im Sinne einer Übergangsregelung bis zum Erlass des Gesetzes die drängendsten, vom Verfassungstext offen gelassenen Fragen geklärt werden sollen. Die Regierung setzt sich im Rahmen der erwähnten Arbeitsgruppe u.a. dafür ein, dass die bestehenden altrechtlichen Wohnungen von der neuen Verfassungsbestimmung nicht tangiert werden, so dass diese in Bezug auf die freie Nutz- und Verfügbarkeit als Erst- oder als Zweitwohnung auch in Zukunft nicht eingeschränkt werden, auch nicht nach einer Handänderung. Diesen Bestrebungen, welche zur Vermeidung eines Wertezerfalls des einheimischen Immobilienbestandes ergriffen werden und mittlerweile Berücksichtigung im Vernehmlassungsentwurf der Bundesverordnung gefunden haben, läuft der in der vorliegenden Anfrage vorgeschlagene Lösungsansatz einer kontingentierten und entgeltlichen Erwerbsbewilligung zuwider. Eine Beschränkung und/oder Belastung von Umnutzungen altrechtlicher Erstwohnungen in Zweitwohnungen wird höchstens dann zu prüfen sein, wenn solche Umnutzungen zu unerwünschten Entwicklungen führen (z.B. Verdrängung der einheimischen Bevölkerung aus den Ortskernen in die Peripherie) oder missbräuchlich erfolgen. Für solche Fälle sieht der erwähnte Vernehmlassungsentwurf der neuen Bundesverordnung denn auch eine Verpflichtung der Kantone und Gemeinden zur Ergreifung entsprechender raumplanerischer Massnahmen vor (Art. 3 Abs. 2 Verordnung).

Zu den Fragen 5 - 8
Die am 11. März 2012 angenommene neue Verfassungsbestimmung über den Zweitwohnungsbau (Art. 75b BV) wird in der Tat empfindliche Konsequenzen für die Volks- und Finanzwirtschaft sowie für die Eigentumsgarantie in den betroffenen Gemeinden resp. Kantonen haben. Das genaue Ausmass ist derzeit noch unabsehbar. Es hängt wesentlich von der Ausgestaltung der Ausführungsgesetzgebung, insbesondere von der Definition des Zweitwohnungsbegriffs, ab. Entsprechend ist es noch verfrüht, um konkrete Massnahmen zu ergreifen.

Generell setzt sich die Regierung in Zusammenarbeit mit den übrigen betroffenen Kantonen dafür ein, dass die Umsetzung der neuen Verfassungsbestimmung unter Beachtung des gesamten verfassungsrechtlichen Kontextes erfolgt. Dazu gehören u.a. die Strukturpolitik, die Rücksichtnahme auf das Berggebiet, die Neue Regionalpolitik, die Erhaltung der dezentralen Besiedlung sowie die Eigentumsgarantie. Nötigenfalls sind in Zusammenarbeit mit dem Bund flankierende Massnahmen zur Abfederung der negativen wirtschaftlichen Folgen sowie Modelle zur Neuausrichtung der touristischen Beherbergungsstrukturen zu entwickeln und umzusetzen.

28. Juni 2012