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Session: 17.04.2012
Der Kanton Graubünden ist auf Grund seiner Grösse, seiner Topografie und seiner vergleichsweise dünnen Besiedelung ein ausgesprochener “Infrastrukturkanton“. Intakte Verkehrs-, Tourismus-, Energie- und Telekommunikationsinfrastrukturen sind für das Funktionieren der Bündner Volkswirtschaft entscheidend. Die Tourismuswirtschaft und die öffentliche Hand (Kanton und Gemeinden) sind denn auch wichtige Besteller von Dienstleistungen oder von gewerblichen Leistungen. Im Zuge des Abstimmungsergebnisses vom 11. März 2012 zur Zweitwohnungsinitiative dürfte ab 2013 ein beträchtlicher Teil der touristisch geprägten Nachfrage, namentlich im Bauhaupt- und Baunebengewerbe, wegbrechen. Die Nachfrage der öffentlichen Hand erhält damit eine relativ noch stärkere Bedeutung.

Der Kanton Graubünden verfügt über eine zeitgemässe Gesetzgebung im öffentlichen Beschaffungswesen. Die Verfahrensabläufe und deren Handhabung durch die Verwaltung sind transparent und im Vergleich mit anderen Kantonen als vorbildlich zu bezeichnen. In Anbetracht der überproportionalen Bedeutung des öffentlichen Beschaffungswesens für die Bündner Volkswirtschaft erachten es die Unterzeichnenden aber als angebracht, die Regierung und die Verwaltung für diesen Sachverhalt zu sensibilisieren. Auslöser sind nachfolgende Sachverhalte.

Bei einem Bauauftrag im Umfang von rund CHF 8‘450‘000.00 erhielt eine ausserkantonale Unternehmung den Zuschlag. Dies obwohl drei Angebote von Bündner Unternehmungen vorlagen, welche lediglich um 1.09%, 1.12% und 1.37% über dem berücksichtigten Angebot figurierten und von gleichwertig referenzierten Anbietern stammten. Es stellt sich die Frage, ob für künftige Beschaffungen die fallbezogene Nennung und Gewichtung der Eignungs- und Zuschlagskriterien im Lichte der volkswirtschaftlichen Bedeutung öffentlicher Beschaffungen zu überprüfen ist.

Die Volkswirtschaft des Kantons Graubünden ist in weiten Teilen gewerblich strukturiert. Diesem Umstand ist auch bei Aufträgen und Beschaffungen des Kantons Rechnung zu tragen. Es wäre deshalb problematisch, wenn es sich zur Praxis entwickeln würde, dass grössere Bauvorhaben des Kantons im Generalunternehmer-System realisiert werden (bspw. Kantonsschule Halde, Kantonsschule Haus Cleric, Stallneubau Plantahof). Dies würde der gewerblich strukturierten Wirtschaft des Kantons Graubünden nicht Rechnung tragen und innerhalb des Kantons zu einem beträchtlichen Verlust an Fachkompetenz führen. GU-Anbieter sind, nicht nur aber vor allem, ausserhalb Graubündens angesiedelt.

Die Unterzeichnenden beauftragen deshalb die Regierung, alle ihr notwendig erscheinenden Massnahmen zu ergreifen, damit bei Aufträgen und Bestellungen des Kantons:

- der Ermessensspielraum bei der Anwendung von Eignungs- und Zuschlagskriterien zu Gunsten unserer Volkswirtschaft voll ausgenutzt wird;

- die Ausschreibungen der gewerblich strukturierten Bündner Volkswirtschaft Rechnung tragen.

Chur, 17. April 2012

Felix, Caduff, Nick, Barandun, Berther (Camischolas), Bezzola (Zernez), Blumenthal, Buchli-Mannhart (Safien-Platz), Caluori, Campell, Casanova-Maron, Casty, Casutt-Derungs, Clalüna, Claus, Clavadetscher, Conrad, Della Vedova, Dudli, Engler, Fallet, Foffa, Fontana, Giacomelli, Grass, Gunzinger, Hartmann (Champfèr), Heinz, Holzinger-Loretz, Jeker, Jenny, Joos, Kasper, Koch (Tamins), Kollegger (Malix), Komminoth-Elmer, Krättli-Lori, Kunz (Fläsch), Lorez-Meuli, Mani-Heldstab, Märchy-Caduff, Meyer-Grass, Michel (Davos Monstein), Montalta, Niederer, Niggli (Samedan), Niggli-Mathis (Grüsch), Papa, Parolini, Parpan, Pedrini, Rosa, Sax, Steck-Rauch, Stiffler (Davos Platz), Tomaschett (Breil), Tomaschett-Berther (Trun), Troncana-Sauer, Tscholl, Valär, Vetsch (Klosters Dorf), Vetsch (Pragg-Jenaz), Waidacher, Wieland, Audétat, Buchli (Felsberg), Degonda, Fausch, Fravi, Liesch-Schön, Patt, Schucan, Spreiter, Stäbler

Antwort der Regierung

Die kantonale Submissionsgesetzgebung wurde im Jahre 2004 gestützt auf die Vorgaben des eidgenössischen Binnenmarktgesetzes sowie der Interkantonalen Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen letztmals totalrevidiert. Diese übergeordneten Erlasse garantieren den Anbietern den freien Marktzugang, eine Gleichbehandlung mit anderen Wettbewerbsteilnehmern sowie eine unparteiische Vergabe. Aufgrund dieser Rechtsgrundsätze müssen sachfremde Zuschlagskriterien ausser Betracht bleiben, welche im Kern eine rechtswidrige Bevorzugung einheimischer Anbieter bezwecken. In diesem Sinne sind Zuschlagskriterien wie Ortsansässigkeit, Steuerdomizil, Verwendung einheimischer Produkte sowie Einräumung eines Ermessensspielraums innerhalb bestimmter Toleranzgrenzen heute allesamt keine zulässigen Kriterien mehr, um vom wirtschaftlichsten Angebot abweichen zu können. Bei qualitativ gleichwertigen Offerten muss laut ständiger Rechtsprechung selbst bei einer preislich geringen Differenz das günstigere Angebot zwingend den Zuschlag erhalten. Für den von den Unterzeichnenden geforderten Ermessensspielraum zugunsten der einheimischen Wirtschaft ("Heimatschutzklausel") besteht im Lichte der zitierten Gesetzgebung und Rechtsprechung seit geraumer Zeit kein Raum mehr. Entsprechend kann diesem Anliegen aus Gründen der Gesetzmässigkeit nicht Folge geleistet werden.

Trotz dieser übergeordnet vorgegebenen Rahmenbedingungen sind die bisher gemachten Erfahrungen als sehr positiv zu werten. Dank der Schaffung klarer gesetzlicher Grundlagen sowie der Verwendung standardisierter Ausschreibungsunterlagen konnten die Vergabetransparenz und die Rechtssicherheit erhöht werden. Dadurch konnte auch die Anzahl Gerichtsbeschwerden verringert werden. Der prozentuale Anteil der Bündner Anbieter am Vergabevolumen blieb anderseits praktisch unverändert. Dieser bewegt sich im für die Bündner Wirtschaft äusserst wichtigen Baubereich im langjährigen Mittel bei rund 90 Prozent.

Sofern die Unterzeichnenden bei kantonalen Grossvorhaben eine Tendenz zur Ausschreibung im Generalunternehmer-System zu erkennen glauben, gilt es darauf hinzuweisen, dass in den letzten zehn Jahren insgesamt lediglich drei Gesamtleistungswettbewerbe für bedeutende Bauvorhaben durchgeführt wurden. Die Wahl fiel auf diese Ausschreibungsart, weil die Bauvorhaben entweder komplex, aussergewöhnlich oder mit hohen Risiken behaftet waren. Rückblickend konnten etwa auch bei der Sanierung der Kantonsschule Halde sämtliche vorgegebenen Ziele erreicht und über 90 Prozent der Arbeiten von einheimischen Firmen ausgeführt werden.

Der Kanton wird deshalb auch bei künftigen Bauvorhaben jeweils analysieren, welches Wettbewerbsverfahren für die Bewältigung der konkreten Bauaufgabe das zielführendste ist, und entsprechend entscheiden. Nebst der Realisierung funktioneller, nachhaltiger Bauten werden dabei auch die Auswirkungen auf das Bündner Gewerbe weiterhin gebührend in die Gesamtüberlegungen miteinbezogen werden.

Die Regierung ist sich der Rolle des Kantons als wichtiger Auftraggeber überaus bewusst und wird sich weiterhin für gute Rahmenbedingungen der Bündner Gewerbetreibenden einsetzen. Sie ist jedoch aufgrund der klaren gesetzlichen und gerichtlichen Vorgaben nicht befugt, die geforderten Massnahmen zur faktischen Bevorzugung einheimischer Anbieter umzusetzen. Sie beantragt, den Auftrag abzulehnen.

27. Juni 2012