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Session: 01.09.2012
Die Mieten im Kanton Graubünden steigen in Orten wie St. Moritz, Celerina, Davos, Flims und Chur sowie in weiteren Ortschaften teilweise überdurchschnittlich stark.

Ein Grund dafür ist, dass die Vermieter bei Mieterwechseln die Mieten ohne Grund zum Teil massiv erhöhen. Dies trotz des in den letzten Jahren stetig gesunkenen Referenzzinssatzes für Hypotheken.

Für Kleinverdiener in der Tourismuswirtschaft, aber auch für die einheimische Bevölkerung, wird es immer schwieriger, eine bezahlbare Wohnung zu finden. Dies zwingt die Wohnungssuchenden dazu, in weit entfernten Orten Wohnsitz zu nehmen, was die Zersiedelung und die Bildung von „Schlafgemeinden“ zusätzlich fördert. Eine Entwicklung die aus Sicht der Raumplanung ebenfalls nicht wünschenswert ist.

Die Unterschiede zwischen den Angebots- und Bestandesmieten nehmen stetig zu (gem. „homegate.ch-Angebotsmietzins-index“ sind die Angebotsmieten in der Region Ostschweiz im 2. Quartal 2012 um 0.8 Prozent angestiegen.) Die Wohnkosten sind der grösste Ausgabeposten in jedem Haushaltsbudget. Gemäss dem LIK zugrundeliegenden Warenkorb betragen die Kosten für „Wohnen und Energie“ 26 Prozent eines durchschnittlichen Haushaltsbudgets.

Die Einführung der Formularpflicht wird eine kostendämpfende Wirkung auf die Mieten entfalten, weil die Vermieter die Pflicht haben, allen Mietern unaufgefordert die Mietzinse ihrer Vorgänger offenzulegen. Dieses Instrument ist bereits in den Kantonen NW, ZG, FR, VD, NE und GE erfolgreich eingeführt und umgesetzt worden.

Der Unterzeichnete beauftragt den Regierungsrat, die Vermieter vor Mietbeginn zur Bekanntgabe des Anfangs- sowie des früheren Mietzinses mittels amtlichem Formular gemäss Art. 270 und Art. 269d des Obligationenrechts zu verpflichten. Dazu soll die erforderliche kantonale gesetzliche Grundlage geschaffen werden.

Chur, 1. September 2012

Deplazes, Frigg-Walt, Baselgia-Brunner, Bucher-Brini, Jaag, Locher Benguerel, Müller, Noi-Togni, Peyer, Pfenninger, Pult, Thöny, Trepp, Michel (Igis), Monigatti, Pedrini (Soazza)

Antwort der Regierung

Bekanntlich können Neumietende gemäss Art. 270 Abs. 1 OR den Anfangsmietzins innert 30 Tagen nach Übernahme der Sache bei der Schlichtungsbehörde als missbräuchlich anfechten und dessen Herabsetzung verlangen, sofern die oder der Mietende sich in einer Notlage befunden hat oder der Mietzins gegenüber dem früheren Mietzins erheblich erhöht wurde. Die Missbräuchlichkeit bestimmt sich nach Art. 269 und 269a OR. Daneben muss bei bestehendem Mietverhältnis die Erhöhung des Mietzinses durch die Vermieterin oder den Vermieter mit einem vom Kanton genehmigten Formular mitgeteilt und begründet werden (Art. 269d OR).

Nun können die Kantone gemäss Art. 270 Abs. 2 OR im Falle von Wohnungsmangel für ihr Gebiet oder einen Teil davon die Verwendung des Formulars sogar beim Abschluss eines neuen Mietvertrags obligatorisch erklären. Bei einer solchen Formularpflicht haben Vermietende bei neuen Mietenden und Erhöhung des Mietzinses bereits bei Vertragsschluss (bzw. innert einer Frist von 30 Tagen) die Gründe für die Erhöhung anzugeben, während ohne Formularpflicht die Gründe für die Erhöhung erst in einem allfälligen Anfechtungsverfahren bekanntzugeben sind. Wird das Formular nicht oder nicht richtig verwendet, ist die Mietzinsabrede nichtig und der Mietzins muss im Anfechtungsverfahren festgelegt werden. Hinzuweisen ist darauf, dass auch ohne Formularpflicht die oder der Mietende gemäss Art. 256a Abs. 2 OR von der Vermieterin bzw. dem Vermieter verlangen kann, dass ihr oder ihm die Höhe des Mietzinses des vorangegangenen Mietzinsverhältnisses mitgeteilt wird.

Die Kantone müssen die Quote für Wohnungsmangel und die Gebiete festlegen, wenn sie eine Formularpflicht wollen. Wohnungsmangel kann angenommen werden bei einem Leerwohnungsbestand von ca. 1 bis 1.5 % (maximal wohl 2 %). In Graubünden beläuft sich die Leerwohnungsziffer auf 0.98 % (CH-Mittel 0.94 %). Derzeit kennen die Kantone Genf (seit 1982), Nidwalden (1990), Waadt (1993), Freiburg (2002), Neuenburg (2010) und Zug (2011) eine Formularpflicht. Zürich hat die ab 1994 geltende Formularpflicht im Jahr 2003 abgeschafft (Volksabstimmung).

Das Formular schafft keine neuen Rechte für Mietende. Auch ohne Formularpflicht haben Vermietende den vorherigen Mietzins mitzuteilen; ferner kann auch ohne Formularpflicht der Anfangsmietzins als missbräuchlich angefochten werden. In einem Anfechtungsverfahren wird auch bei hohen Mietzinsen der Mietzins nur auf Missbräuchlichkeit überprüft. Dies wird in der Regel nur angenommen, wenn ein übersetzter Ertrag erzielt wird, wobei grundsätzlich keine Missbräuchlichkeit vorliegt, wenn die Mietzinse ortsüblich oder z.B. durch Kostensteigerungen/Mehrleistungen begründet sind. Das bedeutet, dass in Gebieten mit hohen Immobilienpreisen und traditionell hohen Mietzinsen solche hohen Mieten eher nicht missbräuchlich sind. Bezüglich erhöhter Mieten ist somit die Wirkung der Formularpflicht fraglich.

Ebenfalls fraglich ist die Wirkung einer Formularpflicht auf den Leerwohnungsbestand. Die Formularpflicht schafft keine zusätzlichen Wohnungen. In den oben erwähnten Kantonen hat der Leerwohnungsbestand denn nach Einführung der Formularpflicht nicht zugenommen. Des Weitern würden in Gebieten mit Wohnungsknappheit auch mit tieferen Mietzinsen nicht mehr Personen zu einer Wohnung kommen, wenn nicht mehr Wohnungen verfügbar sind.

Schliesslich verursacht die Formularpflicht für die Vermietenden zusätzlichen Administrativaufwand. Bei jedem neuen Mietvertrag müsste ein Formular mit zahlreichen Angaben ausgefüllt werden. Angesichts der beschriebenen fraglichen Wirkung ist ein solcher Zusatzaufwand zu vermeiden. Daneben sind die rechtlichen Anforderungen an die Formularinhalte hoch, sodass formelle Fehler unterlaufen können – welche dann zur Nichtigkeit der Mietzinsabrede führen würden.

Zusammenfassend ist die Regierung der Auffassung, dass die oder der Mietende auch ohne Formularpflicht gemäss Art. 270 Abs. 2 OR heute genügend gegen missbräuchliche Mietzinsen geschützt ist bzw. genug Möglichkeiten hat, dagegen vorzugehen. Daneben wird eine Formularpflicht das Problem von knappem Wohnraum in den entsprechenden Gebieten nicht lösen. Schliesslich ist von Regulierungen, die keine angemessene Wirkung erzielen, Abstand zu nehmen. Es wird somit beantragt, den Fraktionsauftrag abzulehnen.

19. Oktober 2012