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Session: 30.08.2012
Die Wahl der neolateinischen Sprachen Spanisch, Französisch, Italienisch und Romanisch als Schwerpunktfach (SPF) ist infolge der Teilrevision des Mittelschulgesetzes heute an die Bedingung geknüpft, dass gleichzeitig Latein als Ergänzungsfach (EF) zu belegen ist. Diese Kopplung wirkt abschreckend: an der Kantonsschule Chur haben sich für das neue Schuljahr 2012/13 von 230 SchülerInnen nur gerade 13 für Spanisch angemeldet, die SPF-Kurse in Französisch, Italienisch und Romanisch sind nicht einmal zustande gekommen.

Die betroffenen SchülerInnen und auch zahlreiche Lehrpersonen haben das so kommen sehen und forderten auf verschiedenen Wegen, insbesondere aber in einer Petition die Aufhebung dieser Kopplung. Die InitiantInnen haben innert kurzer Zeit über 2000 Unterschriften gesammelt. Die Lateinpflicht ist für die Mehrheit unattraktiv, untrendig, sie erfordert einen zusätzlichen Schulstunden- und Arbeitsbedarf, bewirkt die Einengung der für alle anderen innerhalb der SPF und EF offenen Fächer-Auswahlmöglichkeit und hat zur Folge, dass neolateinische SPF gemieden werden.

Die hier unterzeichnenden Mitglieder des Grossen Rates sind mit dieser Entwicklung nicht einverstanden. Sie befürchten, dass durch die Lateinkopplung die Bedeutung der ganzen neolateinischen Fächergruppe mit Spanisch als Weltsprache und den Landessprachen Französisch, Italienisch und Romanisch geschwächt wird. Damit verabschieden sich die Bündner Mittelschulen sprachbezogen zudem auch aus dem schweizerischen Kontext. Sie fordern die Regierung auf, umgehend alle notwendigen Schritte vorzunehmen, um diese Kopplung zu lösen.

Die Unterzeichnenden begründen ihren Auftrag wie folgt:

• Französisch und Spanisch sind schweizweit einzig in Graubünden an Latein gekoppelt. Wir sollten uns keinen zusätzlichen sprachlichen Sonderzug leisten. Die eigene Sprachenvielfalt ist uns Aufgabe genug.

• Nur die Aufhebung der Lateinkopplung sichert ein weiterhin adäquates sprachliches Unterrichtsangebot an den Bündner Mittelschulen in Spanisch, Französisch, Italienisch.

• Die Lateinkopplung ist im Hinblick auf ein Sprachstudium an einer schweizerischen Uni keineswegs zwingend.

• Über 2000 Unterschriften und mehr als die Hälfte aller Grossräte/innen fordern eine sachlich wohl begründete Korrektur in der Umsetzung des Mittelschulgesetzes.

• Die jugendlichen InitiantInnen der Petition verdienen es, dass ihre überzeugende Aktion politisch ernst genommen wird und Konkretes bewirken kann.

• Die Wichtigkeit von Latein wird hier nicht in Frage gestellt. Latein soll weiterhin angeboten werden, wovon insbesondere auch SchülerInnen profitieren können, die über die Sekundarschule ins Gymnasium eingetreten sind.

Chur, 30. August 2012

Jaag, Claus, Mani-Heldstab, Albertin, Barandun, Baselgia-Brunner, Bezzola (Zernez), Bucher-Brini, Burkhardt, Caduff, Campell, Casanova-Maron, Casutt, Casutt-Derungs, Conrad, Dermont, Engler, Fallet, Foffa, Fontana, Frigg-Walt, Furrer-Cabalzar, Gartmann-Albin, Geisseler, Gunzinger, Hartmann (Champfèr), Hartmann (Chur), Heiz, Hitz-Rusch, Holzinger-Loretz, Jeker, Jenny, Joos, Kappeler, Kasper, Kleis-Kümin, Koch (Igis), Kollegger (Chur), Kollegger (Malix), Komminoth-Elmer, Krättli-Lori, Kunz (Fläsch), Kunz (Chur), Locher Benguerel, Lorez-Meuli, Märchy-Caduff, Marti, Meyer-Grass, Michael (Castasegna), Müller, Nick, Niederer, Niggli (Samedan), Niggli-Mathis (Grüsch), Noi-Togni, Papa, Parolini, Parpan, Pedrini (Roveredo), Peyer, Pfäffli, Pfenninger, Pult, Sax, Steck-Rauch, Stiffler (Davos Platz), Stiffler (Chur), Tenchio, Thöny, Tomaschett (Breil), Trepp, Troncana-Sauer, Tscholl, Valär, Vetsch (Klosters Dorf), Waidacher, Wieland, Zweifel-Disch, Degonda, Deplazes, Fausch, Monigatti, Pedrini (Soazza), Pfister

Antwort der Regierung

Im Rahmen der Teilrevision des Gesetzes über die Mittelschulen im Kanton Graubünden vom 7. Oktober 1962 (Mittelschulgesetz; BR 425.000) hatte der Grosse Rat am 22. April 2008 beschlossen, Massnahmen zur Erhöhung der Ausbildungsqualität und zur Qualitätssicherung zu ergreifen (GRP 5 / 2007/2008, S. 661). Die Regierung hat die Teilrevision des Mittelschulgesetzes per 1. September 2008 in Kraft gesetzt. Als eine der Massnahmen zur Erhöhung der Ausbildungsqualität wurde vorgegeben, dass Schülerinnen und Schüler, die als Schwerpunktfach (SPF) eine neolateinische Sprache wählen, obligatorisch den Lateinunterricht belegen und am Ende der Mittelschulausbildung eine Lateinprüfung ablegen müssen. In diesem Zusammenhang wurde im Schuljahr 2012/13 ein von der Schweizerischen Maturitätskommission (SMK) bewilligter und auf fünf Jahre befristeter Schulversuch mit Latein als Ergänzungsfach (EF) gestartet.

Dass neolateinische Sprachen als SPF aufgrund der Koppelung mit Latein weniger gewählt werden, lässt sich aus den Daten, die für den ersten Zwischenbericht zum Schulversuch zuhanden der SMK vom 13. September 2012 erhoben wurden, nicht eindeutig erhärten. Im laufenden Schuljahr besuchen an der Bündner Kantonsschule (BKS) 202 Schülerinnen und Schüler eine 4. Gymnasialklasse. Davon belegen 15 das SPF Spanisch. Im Vergleich zu den letzten beiden Schuljahren, in welchen die Lateinkopplung noch nicht vorgesehen war, ist bei der Anzahl Schülerinnen und Schüler, welche Spanisch als SPF belegen, keine überdurchschnittliche Abnahme zu verzeichnen. In den 5. Gymnasialklassen sind es insgesamt 20 (von 191), in den 6. Gymnasialklassen 16 (von 209) Schülerinnen und Schüler. Das SPF Französisch kam an der BKS aufgrund der geringen Nachfrage im laufenden Schuljahr für Schülerinnen und Schüler der 4. Gymnasialklassen nicht zustande. Im vergangenen Schuljahr wählte nur eine Schülerin das SPF Französisch, im Jahr davor waren es 16 Schülerinnen und Schüler. Die SPF Romanisch und Italienisch kamen an der BKS in den letzten drei Jahren nicht mehr zustande.

Vergleichbar präsentieren sich die Verhältnisse bei den privaten Mittelschulen des Kantons Graubünden. So besuchen beispielsweise an der Evangelischen Mittelschule Schiers (EMS) im laufenden Schuljahr in den 4. Gymnasialklassen von insgesamt rund 70 Schülerinnen und Schülern deren acht das SPF Spanisch, in den 5. Gymnasialklassen sind es sieben von rund 75 und in den 6. Gymnasialklassen 17 von rund 100 Schülerinnen und Schülern.

Die Regierung ist gegen einen vorzeitigen Abbruch des von der SMK bewilligten Schulversuches. Erst die Endauswertung des Schulversuches wird zeigen, ob sich die Lateinkopplung als Massnahme zur Steigerung der Ausbildungsqualität im Gymnasium bewährt. Einzelne Universitäten, namentlich Zürich, Lausanne, Genf und Neuenburg, setzen zudem für das Studium einer neolateinischen Sprache nach wie vor ausgewiesene Lateinkenntnisse voraus. Bündner Gymnasiastinnen und Gymnasiasten sollen weiterhin die Möglichkeit haben, die für das Studium einer neolateinischen Sprache erforderlichen Lateinkenntnisse bereits im Rahmen ihrer Maturitätsausbildung zu erwerben. Deshalb beantragt die Regierung, den Auftrag abzulehnen.

19. Oktober 2012