Die Schweiz gehört zu den weltweit IT-technisch am stärksten vernetzten Ländern und somit zu den Top Ten der IT-Standorte. Der Grund dafür liegt unter anderem darin, dass sich die Qualität der IT-Infrastruktur in der Schweiz auf sehr hohem Niveau befindet. Ebenso verfügt die Schweiz über ein ausgezeichnetes Bildungsniveau für die Informatikbranche. Gerade im Umfeld der Softwareentwicklung steigt der Bedarf an qualifizierten Fachkräften (Programmierer) in den kommenden Jahren stark an. Es wird geschätzt, dass in der Schweiz aktuell über 10‘000 IT-Fachstellen zu besetzen sind. Bis ins Jahr 2017 dürften es über 30‘000 offene IT-Fachstellen sein. Zurzeit werden deshalb viele ausländische Arbeitskräfte eingestellt oder Programmieraufträge ins Ausland vergeben. In der Schweiz suchen rund 5.4 Prozent aller Schulabgänger eine Lehrstelle im IT-Bereich, es gibt jedoch nur rund 3.7 Prozent IT-Ausbildungsplätze. Ebenfalls besteht eine sehr hohe Nachfrage nach Mediamatikern.
In einem Pilotprojekt führte die Bündner Kantonsschule bereits vor rund 10 Jahren eine Informatik-Handelsmittelschule (IHMS) im Bereich der Applikationsentwicklung. Es wurde jedoch im Rahmen der Sanierung des Kantonshaushaltes durch den Grossen Rat eingestellt (vgl. Botschaft der Regierung an den Grossen Rat, Heft Nr. 2/2003-2004, A-Massnahme 25, S. 47; GRP 2/2003-2004, S. 229).
Der IT-Standort Schweiz und insbesondere die Bedürfnisse nach neuen Ausbildungsplätzen haben sich seit dem Jahre 2003 grundlegend geändert. Eine private Mittelschule des Kantons Graubünden trifft zurzeit Abklärungen, um mit Partnern aus der Wirtschaft eine neue Informatik-Fachschule (z.B. im Sinne einer Informatikmittelschule) im Kanton Graubünden zu eröffnen. Mit modernsten Einrichtungen sollen inner- und ausserkantonale Schülerinnen und Schüler in einem IT-Campus besonders gefördert werden. Damit würde der Kanton Graubünden sein IT-Humankapital nutzen und die Attraktivität auch für ausserkantonale Auszubildende steigern. Im Gegensatz zum damaligen Pilotprojekt würde der Kanton nicht sämtliche Kosten tragen, sondern nur den Kantonsbeitrag, welcher analog für Handels- und Fachmittelschulen pro Schülerinnen und Schüler aus dem Kanton Graubünden entrichtet wird.
Das zuständige Departement stellt sich hinsichtlich der Bewilligungsfähigkeit einer Informatikmittelschule auf den Standpunkt, aufgrund der Einstellung des damaligen Pilotprojektes durch den Grossen Rat habe dieser wiederum zu beschliessen, ob ein Pilotprojekt betreffend eine Informatikmittelschule bewilligt werden könnte. Nachdem das Bedürfnis nach Ausbildungsplätzen im Vergleich zu früher rasant ansteigt und dies eine grosse Chance für den Bildungs- und Wirtschaftsstandort Graubünden darstellt, beauftragen die Unterzeichnenden die Regierung,
1. die Grundlagen zu schaffen, um den Entscheid des Grossen Rates betreffend Verzicht auf die Führung einer Informatikmittelschule rasch zu korrigieren und die Führung einer Informatikmittelschule als Pilotprojekt zu ermöglichen;
2. die Gesetzesgrundlagen – sofern erforderlich – dahingehend anzupassen, dass in Graubünden die Führung von Informatikmittelschulen möglich ist;
3. abzuklären, welche weiteren Fördermassnahmen zu treffen sind, um Graubünden als IT-Standort aufzuwerten.
Chur, 25. Oktober 2012
Cavegn, Marti, Jeker, Aebli, Albertin, Barandun, Berther (Disentis/Mustér), Berther (Camischolas), Bezzola (Samedan), Blumenthal, Brandenburger, Caduff, Caluori, Campell, Casanova-Maron, Casty, Casutt, Casutt-Derungs, Clalüna, Darms-Landolt, Della Vedova, Dermont, Dosch, Dudli, Engler, Fallet, Fasani, Foffa, Furrer-Cabalzar, Geisseler, Giacomelli, Hardegger, Hartmann (Chur), Heiz, Hitz-Rusch, Holzinger-Loretz, Jaag, Jenny, Kappeler, Kasper, Kleis-Kümin, Koch (Igis), Kollegger (Chur), Kollegger (Malix), Locher Benguerel, Lorez-Meuli, Mani-Heldstab, Märchy-Caduff, Michael (Donat), Niederer, Noi-Togni, Parolini, Righetti, Steck-Rauch, Stiffler (Chur), Tenchio, Tomaschett (Breil), Tomaschett-Berther (Trun), Tscholl, Valär, Waidacher, Wieland, Zanetti, Camathias, Degonda, Farrér, Haltiner, Kuoni, Lauber, Patt (Tartar), Patt (Jenaz), Rischatsch-Casaulta, Scartazzini, Schlatter, Sgier
Antwort der Regierung
Nach Art. 16 Abs. 2 lit. a des Bundesgesetzes über die Berufsbildung (Berufsbildungsgesetz, BBG; SR 412.10) findet die Vermittlung der beruflichen Grundbildung in der Regel sowohl im Lehrbetrieb, Lehrbetriebsverbund und in Lehrwerkstätten als auch in Handelsmittelschulen oder anderen zu diesem Zweck anerkannten Institutionen statt. Auf der Grundlage des BBG kann die Ausbildung zum Informatiker bzw. zur Informatikerin mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis (EFZ), Fachrichtung Applikationsentwicklung und kaufmännischer Berufsmaturität auch an einer Informatikmittelschule (IMS) erfolgen. Gegenwärtig führen in der Schweiz die Kantone Aargau, Basel-Stadt, Bern, Thurgau sowie Zürich eine oder mehrere IMS.
Der Kanton Graubünden bevorzugt im Bereich der beruflichen Grundbildung das duale Ausbildungssystem. Durch den Entscheid des Grossen Rates auf die Weiterführung der IMS an der Bündner Kantonsschule (BKS) zu verzichten, wurden die zuständigen Organisationen der Arbeitswelt und die Betriebe in die Pflicht genommen, selbst entsprechende Ausbildungsangebote bereit zu stellen (Botschaft der Regierung an den Grossen Rat, Heft Nr. 2/2003 – 2004, A-Massnahme 25, S. 47; GRP 2/2003 – 2004, S. 229). Der Kanton hat im Regierungsprogramm 2013 – 2016 die strategische Absicht formuliert, den Fachkräftebedarf der Unternehmungen mit gut ausgebildeten Berufsleuten zu decken. Zurzeit werden im Kanton 121 Lernende im Beruf Informatiker/in EFZ ausgebildet, davon neun mit Schwerpunkt Applikationsentwicklung.
Für die Führung einer IMS fehlt gegenwärtig im Kanton die gesetzliche Grundlage. Unter Berücksichtigung der steigenden Nachfrage nach Fachkräften im Informatikbereich sowie der Annahme, dass über die schulisch organisierte Grundbildung an einer IMS vermehrt junge Frauen in diese technische Ausbildung einbezogen werden sollen, kann die Einführung einer IMS durchaus positive Impulse geben.
Dabei ist allerdings zu beachten, dass das Angebot einer oder mehrerer IMS grundsätzlich auch einen Beitrag für ein dezentrales Mittelschul- und Berufsbildungsangebot gemäss Kantonsverfassung leisten muss (Art. 89 Abs. 3 KV; BR 110.100). Die Handels- und Fachmittelschulen der privaten Mittelschulen haben bedingt durch die demografische Entwicklung teilweise bereits heute Schwierigkeiten, kostendeckende Klassengrössen zu erreichen. Um die Ausbildungsangebote an den Mittelschulen des Kantons nicht zu verzetteln, ist deshalb zu untersuchen, unter welchen Voraussetzungen eine Mittelschule eine IMS führen kann. Ferner haben die Erfahrungen aus dem Pilotprojekt an der BKS gezeigt, dass die Führung einer IMS einen grossen finanziellen Aufwand bedeutet. Daher ist zu prüfen, ob der Kantonsbeitrag für Mittelschülerinnen und -schüler dieser Abteilung allenfalls angemessen zu erhöhen wäre, was allerdings eine entsprechende zusätzliche Anpassung des Mittelschulgesetzes erfordern würde.
Im Rahmen der anstehenden Teilrevision des Gesetzes über die Mittelschulen im Kanton Graubünden (Mittelschulgesetz; BR 425.000) soll die Einführung der IMS als Bildungsangebot auf Sekundarstufe II geprüft werden.
Die Regierung ist bereit, den Auftrag in diesem Sinne entgegen zu nehmen.
05. Dezember 2012