Vom Oktober 2012 bis Ende Januar 2013 lief die Vernehmlassung für die Totalrevision des Gesetzes über die Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung in Graubünden (GWE).
Ziel des Gesetzes soll die anhaltende Stärkung der Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit des Arbeits- und Lebensraums Graubünden und somit die Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen sowie Wertschöpfung in allen Regionen sein.
Die in der Vernehmlassung dafür unterbreiteten Grundlagen sind ungenügend. Eine aktuelle Analyse der bündnerischen Wirtschaft fehlt ebenso wie die von dem Departement und von der Regierung gewünschte Zielvorstellung, wohin sich die Wirtschaft entwickeln soll (Soll-Zustand). Das in der Vernehmlassung vorgestellte Gesetz lässt keine Strategie erkennen, um der in Graubünden bekannten Negativspirale (unterdurchschnittliches Wachstum in vielen Regionen, Rückgang der Logiernächte, Arbeitsplatzverluste im Bau- und Baunebengewerbe usw.) entgegenzuwirken. Es zeigt weder den Rahmen noch die Grenzen noch die Möglichkeiten der bündnerischen Wirtschaftsförderung auf. Wirtschaftspolitik benötigt Fokussierung. Überall alles ist kein zukunftsfähiges Konzept. Zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung des Kantons genügt das in der Vernehmlassung vorgestellte Wirtschaftsentwicklungsgesetz keineswegs. Vielmehr ist eine untereinander vernetzte Wirtschaftspolitik der Sektoralpolitiken notwendig (bspw. Gemeinde- und Institutionenreform, Infrastruktur, Verkehr, Raumordnung, Energie und Umwelt, Steuern, Bildung und Forschung, Gesundheit und Alter). Zudem erfüllt der vorliegende Entwurf zur Revision des Wirtschaftsentwicklungsgesetzes (WEG) die vom Parlament überwiesene Forderung der CVP-Fraktion nach Erarbeitung einer kantonalen Strategie zugunsten der Berggebiete im Nachgang zur Annahme der Zweitwohnungsinitiative ebenfalls nicht.
Die Unterzeichnenden fordern die Regierung deshalb auf, dass sie bezüglich der beabsichtigten Totalrevision des GWE einen Zwischenhalt einlegt. Es ist dringend notwendig, dass die eindimensionale Sicht auf das GWE verlassen und für den Kanton Graubünden eine Wirtschaftspolitik entwickelt wird, die sich nicht nur auf ein einzelnes Gesetz beschränkt. Die künftige Wirtschaftspolitik Graubündens muss auf einer verständlichen und konzisen Analyse des bestehenden Zustandes gründen und die zu erreichenden Ziele beschreiben. Erst daraus lassen sich die notwendigen Massnahmen herleiten, wovon die Revision des Wirtschaftsentwicklungsgesetzes wahrscheinlich nur eine von verschiedenen anderen Massnahmen sein wird. Die Unterzeichnenden sind der Auffassung, dass die in die Vernehmlassung geschickte Vorlage diesen Ansprüchen nicht genügen kann. Sie fordern deshalb die Regierung auf, eine Gesamtschau bzw. eine Strategie zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung des Kantons Graubünden aufzuzeigen Bei der Festlegung strategischer Schwerpunkte sollen die regionalen Stärken, Voraussetzungen und Bedürfnisse berücksichtigt werden. Darin eingeschlossen soll dargelegt werden, wie Synergien, Potenziale und u.a. auch der Wissenstransfer in der Bündner Wirtschaft optimal gestärkt werden können.
Chur, 23. April 2013
Caduff, Kunz (Chur), Dudli, Albertin, Augustin, Berther (Disentis/Mustér), Berther (Camischolas), Bezzola (Zernez), Blumenthal, Bondolfi, Burkhardt, Caluori, Casanova-Maron, Casutt Renatus, Casutt-Derungs Silvia, Cavegn, Claus, Clavadetscher, Darms-Landolt, Della Vedova, Dermont, Dosch, Foffa, Geisseler, Giacomelli, Gunzinger, Hartmann (Champfèr), Hartmann (Chur), Hitz-Rusch, Holzinger-Loretz, Jeker, Jenny, Kappeler, Kasper, Kleis-Kümin, Kollegger (Malix), Krättli-Lori, Märchy-Caduff, Meyer-Grass, Michael (Castasegna), Nick, Niederer, Parolini, Parpan, Pfäffli, Righetti, Sax, Steck-Rauch, Stiffler (Chur), Tenchio, Tomaschett (Breil), Tomaschett-Berther (Trun), Troncana-Sauer, Waidacher, Wieland, Zanetti, Zweifel-Disch, Calonder, Decurtins-Jermann, Epp, Lauber, Vincenz
Antwort der Regierung
Am 28. August 2010 hat der Grosse Rat den Fraktionsauftrag der SP betreffend Totalrevision des Wirtschaftsentwicklungsgesetzes (GWE) überwiesen. Dem Grossen Rat sei so rasch als möglich eine Botschaft vorzulegen, die den Anliegen der Kleinen und Mittleren Unternehmen (KMU) und der Volkswirtschaft in den peripheren Räumen des Kantons Rechnung trage.
Der Gesetzesentwurf mit erläuterndem Bericht wurde im Oktober 2012 zur Vernehmlassung freigegeben. Die Frist zur Vernehmlassung ist am 18. Januar 2013 abgelaufen. Zur Ausarbeitung vorerwähnter Botschaft stehen der Regierung genügend Grundlagen zur Verfügung. Die Darstellung der bisherigen Tätigkeiten im Rahmen der Wirtschaftsentwicklung und ihrer Wirkung, der Förderstrategien in anderen Kantonen und im grenznahen Ausland sowie eine Beschreibung des aktuellen Wirtschaftsumfeldes und des Zusammenspiels der verschiedenen Sektoralpolitiken mit einer entsprechenden Abgrenzung zur Wirtschaftsentwicklung sind als Teil der Botschaft vorgesehen. Diese wird derzeit ausgearbeitet. Die Behandlung des Geschäfts ist gemäss Sessionsplanung des Grossen Rates im Dezember 2013 vorgesehen.
Die Totalrevision des Wirtschaftsentwicklungsgesetzes wird nur einen kleinen Teil dazu beitragen können, die Herausforderungen zu meistern, denen sich die Bündner Wirtschaft gegenübersieht. Neben der ständigen Ausrichtung der Unternehmen und Branchen auf die Marktentwicklung und die Kundenbedürfnisse und einer stetigen Kostenoptimierung leisten wirtschaftsfreundliche Rahmenbedingungen des Staates einen Beitrag zu einer positiven Wirtschaftsentwicklung. Dabei sind andere Sektoralpolitikbereiche sowohl bezüglich ihrer Wirkung als auch hinsichtlich der zur Verfügung stehenden Budgetmittel deutlich wichtiger als die Wirtschaftsentwicklung im engeren Sinne.
Die Regierung teilt die Auffassung der Auftragsunterzeichnenden, dass nicht überall alles gefördert werden kann und eine Fokussierung notwendig ist. Eine solche steht jedoch häufig anderen Forderungen bezüglich der Wirtschaftsentwicklung diametral entgegen. Trotz vorliegender Volksentscheide, die gerade in peripheren Gebieten besonders starke Auswirkungen haben werden, sieht die Regierung davon ab, strukturerhaltende Massnahmen zu ergreifen. Die Situation im europäischen und weltweiten Umfeld zeigt deutlich, wohin eine solche Politik führt. Die Regierung legt zudem Wert darauf, dass keine Verwässerung der gesetzlichen Grundlagen entsteht, indem Einzelfragen aus anderen Sektoralpolitikbereichen materiell im GWE geregelt werden, bloss weil ein wirtschaftlicher Zusammenhang erkennbar ist.
Mit dem vorliegenden Auftrag Caduff, der eine vernetzte Wirtschaftspolitik aller Sektoralpolitiken fordert, ändert sich der Auftrag des Grossen Rates gegenüber einer Totalrevision des GWE massgeblich. Hinsichtlich einer Gesamtstrategie und der Mittelallokation sind die einzelnen Sektoralpolitiken volkswirtschaftlich wesentlich bedeutsamer als die Wirtschaftsentwicklung im engeren Sinne. Die Regierung ist daher bereit, die Totalrevision des Wirtschaftsentwicklungsgesetzes zugunsten der Erarbeitung eines Gesamtberichts zurückzustellen. In diesem Sinne wird der Auftrag angenommen.
10. Juni 2013