Artikel 28d sowie Artikel 38 des Gesetzes über das Gesundheitswesen im Kanton Graubünden schreiben vor, dass zur behandelten Person, zum Beispiel in einem Spital, «die wesentlichen Daten betreffend den Zeitraum und die Art der Behandlung» gemacht werden müssen. Diese so genannten Patientendokumentationen oder Krankengeschichten (KG) sind während mindestens 10 Jahren aufzubewahren.
Im Zuge des elektronischen Zeitalters werden solche Patientendokumentationen immer häufiger in elektronischer Form erstellt. Das Problem besteht nun darin, dass eine grosse Unsicherheit bezüglich Beweiskraft der elektronischen Dokumente besteht. Es ist nicht klar, ob die elektronischen Daten als Beweismittel genügen. Dies hat zur Folge, dass die Patientendokumentationen doppelt archiviert werden müssen, nämlich in elektronischer und in Papierform. Dies wiederum verursacht einen hohen administrativen Aufwand aber auch Kosten.
Wir stellen deshalb der Regierung folgende Fragen:
1. Art. 28d und Art. 38 des Gesundheitsgesetzes des Kantons Graubünden sind offen formuliert. Kann daraus abgeleitet werden, dass die elektronische Patientendokumentation derjenigen in Papierform rechtlich gleichgestellt ist, weshalb auf die Führung in Papierform verzichtet werden könnte?
2. Ist die Beweiskraft der elektronischen Patientendokumentation jener in Papierform gleichgestellt?
3. Sind aus Sicht der Regierung gesetzliche Anpassungen notwendig – zum Beispiel im Sinne des zürcherischen Patientinnen- und Patientengesetzes, namentlich § 17 Abs. 2, mit der Erlaubnis, die Patientendokumentation auch in elektronischer Form führen zu dürfen:
«Patientendokumentation
§ 17.1 Über jede Patientin und jeden Patienten wird eine laufend nachzuführende Patientendokumentation über die Aufklärung und Behandlung angelegt.
2 Die Patientendokumentation kann schriftlich oder elektronisch geführt werden. Sie soll auf einfache Weise anonymisiert werden können.»
4. Ist die Regierung bereit, die Institutionen entsprechend zu informieren?
Chur, 23. April 2013
Nick, Caduff, Hardegger, Albertin, Barandun, Bezzola (Zernez), Blumenthal, Burkhardt, Caluori, Casanova-Maron, Casty, Casutt-Derungs Silvia, Cavegn, Clavadetscher, Conrad, Darms-Landolt, Dermont, Dosch, Engler, Felix, Frigg-Walt, Geisseler, Giacomelli, Gunzinger, Hartmann (Champfèr), Hartmann (Chur), Hitz-Rusch, Holzinger-Loretz, Jeker, Jenny, Kasper, Kleis-Kümin, Kollegger (Chur), Kollegger (Malix), Komminoth-Elmer, Krättli-Lori, Kunz (Fläsch), Kunz (Chur), Märchy-Caduff, Marti, Meyer-Grass, Michael (Castasegna), Niederer, Niggli (Samedan), Niggli-Mathis (Grüsch), Parolini, Peyer, Pfäffli, Rosa, Sax, Steck-Rauch, Stiffler (Davos Platz), Stiffler (Chur), Tenchio, Tomaschett-Berther (Trun), Trepp, Troncana-Sauer, Tscholl, Valär, Vetsch (Pragg-Jenaz), Wieland, Camathias, Decurtins-Jermann, Deplazes, Epp, Gugelmann, Müller (Haldenstein)
Antwort der Regierung
Seit Ausgang des 20. Jahrhunderts hat die Digitalisierung einen Umbruch ausgelöst, der einen Wandel sowohl der Technik als auch fast aller Lebensbereiche bewirkt. Diese Entwicklung hat auch im Bereich des Gesundheitswesens nicht Halt gemacht. Elektronische Archivierungs- und Dokumentenmanagementsysteme kommen zunehmend auch in der Medizin zum Einsatz. Damit stellen sich auch zunehmend Fragen nach den rechtlichen Voraussetzungen für eine dokumentenechte digitale Langzeitarchivierung.
Die medizinische Dokumentationspflicht ergibt sich aus dem auftragsrechtlichen Behandlungsvertrag zwischen Arzt und Patient. Für die Aufzeichnungen im Rahmen der Dokumentationspflicht spielt das Medium keine Rolle. Nach geltender Bundesgerichtspraxis wird die Urkundenqualität bejaht für Computerdaten, wenn sie genügend gegen unbeabsichtigte Löschung oder Veränderung gesichert sind (BGE 116 IV 349; Trechsel/Pieth, StGB Praxiskommentar, 2. Auflage, vor Art. 251 N 2). Bei Erfüllung dieser Voraussetzungen kann von der Beweiskraft digitalisierter Aufzeichnungen ausgegangen werden. Aus der Dokumentationspflicht ergibt sich auch das Einsichtsrecht in die Krankengeschichte. Werden Dokumente digitalisiert archiviert, müssen nebst der vollständigen und richtigen Erfassung insbesondere die Prüfbarkeit erhalten bleiben, die Authentizität gewährleistet sein und die Dokumente ständig verfügbar und unverzüglich lesbar sein.
Im Kanton Graubünden ist eine heterogene Handhabung der Archivierung und Aufbewahrung der Patientendokumentation feststellbar. Die allgemeine Umstellung auf die elektronische Krankengeschichte ist in vollem Gange. Der Eidgenössische Datenschutzbeauftragte hat bis zum heutigen Zeitpunkt auf Empfehlungen zur Verhinderung von Datenschutzverletzungen verzichtet, jedoch anhand von Einzelfällen festgestellt, dass man von „security by design“ bei Datenbearbeitungssystemen noch weit entfernt sei.
Die aus dem Jahre 1984 stammenden Vorgaben im Gesundheitsgesetz des Kantons Graubünden (GesG; BR 500.000) bezüglich der Patientendokumentation berücksichtigten die digitale Entwicklung nicht explizit, lassen jedoch aufgrund ihrer offenen Formulierung die Umsetzung der Vorgabe der Patientendokumentation in ausschliesslich elektronischer Form zu.
Die Regierung beantwortet die Fragen wie folgt:
1. Ja, sofern die digitalisierte Aufzeichnung nicht mehr geändert werden kann und jeder Zugriff vom System protokolliert wird.
2. Ja.
3. Ein Handlungsbedarf zur gesetzlichen Anpassung ist aus der Sicht der Regierung nicht gegeben.
4. Ja.
20. Juni 2013