Der Stellenwert kultureller Arbeit, aber auch des kulturellen und künstlerischen Angebots im Tourismuskanton Graubünden hat in den letzten Monaten vermehrt für Diskussionen gesorgt. Während von Kulturschaffenden ein neues Kulturleitbild oder gar die Totalrevision des Kulturförderungsgesetzes gefordert werden, blieb es in der politischen Debatte bisher eher ruhig um die Themen Kulturförderung und Kulturpolitik.
Professionelles Kulturschaffen, Laienkultur und Kulturvermittlung gehören zum täglich Brot einer aufgeklärten Gesellschaft und haben darum einen hohen Wert für das Gemeinwohl. Daraus legitimiert sich öffentliche Kulturförderung. Diese muss nicht nach wirtschaftlichen, sondern ausschliesslich nach kulturpolitischen Kriterien vergeben werden. Rechtliche Basis dafür bildet Artikel 90 der Kantonsverfassung, die Kanton und Gemeinden verpflichtet, das kulturelle Leben Graubündens zu fördern. Entsprechend betreibt der Kanton gestützt auf das Kulturförderungsgesetz aktiv Kulturförderung. Bezüglich der Umsetzung des Verfassungsauftrages auf Gemeindeebene sind die Unterschiede punkto Quantität und Qualität der Kulturförderung je nach Region und einzelner Gemeinden sehr gross.
Kunst und Kultur tragen auch wesentlich zur Attraktivität unseres Kantons als Tourismusdestination bei. Klar ist auch, dass im Kulturtourismus noch viel wirtschaftliches Potential liegt. In diesem Sinn würde sich eine zusätzliche Förderung des kulturellen Angebots nach standortpolitischen und volkswirtschaftlichen Kriterien ebenfalls legitimieren. Eine solche „Wirtschaftsförderung im kulturellen Bereich“ besteht im Kanton nur in Ansätzen. Verbindliche Regelungen oder gar eine entsprechende Strategie dazu fehlen.
Trotz öffentlicher Kulturförderung muss festgestellt werden, dass das Kulturschaffen in unserem Kanton an vielen Stellen unterfinanziert ist. Darum muss sich die Politik die Frage stellen, wie die aktuelle Kulturpolitik erneuert und ausgebaut werden kann. Eine Idee dazu ist die Entwicklung einer zweigleisigen Finanzierung des kulturellen Angebots. Eine erste Schiene als eigentliche Kulturförderung ausschliesslich nach kulturpolitischen Kriterien und eine zweite Schiene als „Wirtschaftsförderung im kulturellen Bereich“. Als weitere Idee könnten die Gemeinden und/oder die neuen Regionen in Bezug auf die von der Verfassung vorgesehene Kulturförderung stärker in die Pflicht genommen werden. Beide Ideen bedürften allerdings eines Umbaus der heutigen gesetzlichen Grundlagen. Vor diesem Hintergrund stellen die Unterzeichnenden der Regierung folgende Fragen:
1. Wie beurteilt die Regierung die Ansicht, wonach die Förderung von Kunst und Kultur sowohl aus gesellschaftlichen wie auch aus wirtschafts- und tourismuspolitischen Gründen Sinn macht? Teilt sie dabei die Meinung, dass diese beiden Förderprinzipien bei einer gesetzlichen Verankerung und Reglementierung nicht vermischt werden sollten?
2. Erkennt die Regierung Handlungsbedarf bei den heutigen Grundlagen und bei der Praxis der Kulturpolitik? Ist eine Revision des Kulturförderungsgesetzes geplant und wenn ja, mit welchen Zielen?
3. Ist die Regierung bereit, bei der Totalrevision des Wirtschaftsentwicklungsgesetzes zu prüfen, ob Instrumente zur Finanzierung kultureller Projekte und Angebote im Sinne einer „Wirtschaftsförderung im kulturellen Bereich“ einzuführen sind?
4. Wie beurteilt die Regierung die grossen Unterschiede bezüglich Quantität und Qualität der Kulturförderung auf Gemeinde- und Regionsebene? Sind die Gemeinden und/oder die neu geschaffenen Regionen bei der Kulturförderung stärker in die Pflicht zu nehmen (verbindliche Aufgabenzuteilung, finanzieller Ausgleich für Gemeinden mit aktiver Kulturförderung etc.)?
Chur, 24. April 2013
Pult, Claus, Baselgia-Brunner, Bucher-Brini, Caduff, Casutt Renatus, Frigg-Walt, Gartmann-Albin, Jaag, Michael (Castasegna), Müller (Davos Platz), Noi-Togni, Peyer, Thöny, Trepp, Troncana-Sauer, Wieland, Deplazes, Hensel, Michel (Igis), Monigatti, Pedrini (Soazza), Vassella
Antwort der Regierung
Das Gesetz über die Förderung der Kultur vom 28. September 1997 (Kulturförderungsgesetz, KFG, BR 494.300) legt im Zweckartikel (Art. 1) fest, dass der Kanton und die Gemeinden im Rahmen ihrer Zuständigkeit das kulturelle Leben in Graubünden fördern. Dabei berücksichtigt der Kanton die kulturelle und sprachliche Vielfalt der verschiedenen Regionen und Bevölkerungsgruppen.
Neben der Unterstützung der kulturellen Vielfalt beinhaltet dies auch die Kulturpflege, die Kulturvermittlung und den Erhalt und die Förderung der kantonalen Dreisprachigkeit. Die kantonale Förderung soll in ihrer Gesamtheit möglichst vielen Bevölkerungsgruppen die Teilnahme am kulturellen Leben ermöglichen.
Die kantonale Kulturförderung unterstützt subsidiär; sie ist stets ergänzend zu Privaten und Gemeinden tätig. Dabei werden Mittel aus dem ordentlichen Budget sowie aus dem Landeslotteriefonds eingesetzt. 1998, im ersten Jahr nach Inkraftsetzung des Kulturförderungsgesetzes, setzten sich die Beitragshöhen wie folgt zusammen:
- Sprachenförderung: rund CHF 1 Mio. (ordentliche Mittel)
- Kulturförderung: rund CHF 2 Mio. (ordentliche Mittel)
- Kulturförderung, Projekte: rund CHF 1.7 Mio. (Landeslotteriemittel)
Im Vergleich dazu setzten sich die Mittel 2012 wie folgt zusammen:
- Sprachenförderung: rund CHF 1.2 Mio. (ordentliche Mittel)
- Kulturförderung: rund CHF 4.5 Mio. (ordentliche Mittel)
- Kulturförderung, Projekte: rund CHF 4.8 Mio. (Landeslotteriemittel)
Die Regierung beantwortet die gestellten Fragen wie folgt:
1. Die Förderung von Kunst und Kultur aus gesellschaftlichen, wirtschafts- und tourismuspolitischen Gründen ist bereits heute Realität. Dies sowohl von Seiten der Kulturförderung (Kulturförderungsgesetz, BR 494.300, bzw. der entsprechenden Verordnung, BR 494.310) als auch des geltenden Wirtschaftsentwicklungsgesetzes (GWE, BR 932.100) bzw. der entsprechenden Verordnung (BR 932.160). Die Kulturförderung stellt finanzielle Mittel für die Förderung des Kulturschaffens in den verschiedenen Kultursparten, Sprachen und Regionen zur Verfügung. Seitens des Kantons wurden verschiedentlich Projekte mit Beiträgen und Darlehen im Rahmen der Wirtschaftsentwicklung gefördert (bspw. Burg Riom für Origen, Bahnmuseum Albula Bergün, Sternwarte Falera, Musik-Kurswochen Arosa, Weisse Arena „Tschima“). Voraussetzung ist, dass die Projekte dieselben Anforderungen und Förderkriterien erfüllen (bspw. Übernachtungszahlen, mediales Interesse etc.), wie sie für alle anderen, nicht kulturellen Projekte und Angebote auch gelten. In diesem Sinne soll im Grundsatz die Trennung der Förderprinzipien beibehalten werden.
2. Im Gesetzgebungsprogramm 2013 – 2016 der Regierung ist eine Teilrevision des Kulturförderungsgesetzes vorgesehen. Dabei geht es unter anderem um die Definition der Aufgabenzuteilung betr. Führung und Förderung von nicht kantonalen Museen und Kultureinrichtungen (Auftrag Grossrat Montalta 2007), Bibliotheken sowie Sing- und Musikschulen durch die Regionen oder allenfalls die Gemeinden.
3. Wie erwähnt, lassen die geltenden gesetzlichen Grundlagen die Förderung kultureller Angebote und Projekte im Sinne der Wirtschaftsentwicklung zu. Bisher verzichtet wurde auf eine Förderung jährlich wiederkehrender kultureller Anlässe (gleichzeitig erhalten auch der Spengler Cup oder der Engadin Skimarathon keine Beiträge). Im Bereich der Förderung aus wirtschaftspolitischen Überlegungen soll auch künftig an diesem Grundsatz festgehalten werden. Allenfalls geprüft werden kann eine mehrjährige Förderung im Sinne einer Anschubfinanzierung, damit sich ein neuer Anlass im Markt etablieren kann. Aus Sicht der Regierung bedarf es grundsätzlich keiner weiteren gesetzlichen Instrumente zur Förderung kultureller Projekte und Angebote im Sinne der Wirtschaftsentwicklung. Sofern der Auftrag Caduff entsprechend der Regierungsantwort überwiesen wird, kann in der dabei geforderten Gesamtschau auch die Weiterentwicklung der Kulturpolitik dargelegt werden. Sollten bezüglich der Weiterentwicklung der Kulturpolitik nicht wirtschaftspolitische Überlegungen im Vordergrund stehen, sondern lediglich die Absicht, insgesamt mehr Mittel für die Förderung der Kultur bereitzustellen, so kann dies dem Grossen Rat aus Gründen der Transparenz im Rahmen des Budgets bei der Kulturförderung beantragt werden.
4. Die Förderung von Kulturprojekten durch den Kanton funktioniert reaktiv, d.h. nach Eingang entsprechender Unterstützungsgesuche. Gemäss geltender Gesetzgebung hat der Kanton nicht die Aufgabe, Quantität und Qualität der Kulturförderung auf Gemeinde- und Regionsebene zu beurteilen.
20. Juni 2013