Ausgangslage:
Verschiedene Gemeinden haben sich in den vergangenen Jahren dazu bereit erklären müssen, Transitzentren auf ihrem Gemeindegebiet zu ermöglichen. Dabei verliessen sie sich explizit auf das Versprechen der kantonalen Behörden, dass einer Standortgemeinde dadurch keine zusätzlichen Kosten anfallen werden.
In der Realität entspricht dies jedoch nur der halben Wahrheit. Der Kanton übernimmt zwar die Kosten des Betriebes, im Revisionsentwurf zum Gesetz über die Unterstützung Bedürftiger (BR 564.250) im Art. 14 ist jedoch lediglich eine Unterstützungspflicht für Personen im Asylverfahren, für vorläufig Aufgenommene sowie für Personen in einem rechtskräftig abgewiesenen Asylgesuch vorgesehen. Darin explizit nicht enthalten sind die anerkannten und vorläufig aufgenommenen Flüchtlinge, die in der Folge vollumfänglich zu Lasten der Gemeinden mit Transitzentren gehen. Diese Mehrkosten fallen in erster Linie bei den Sozialämtern, den Schulen und Einwohnerkontrollen an und bedeuten zudem einen erheblichen Mehraufwand bei Sachbearbeitern (Hilfe bei Wohnungssuche, Arbeitsstellenvermittlung, Hilfe bei praktischer Lebensführung, Einschulungen u.v.m).
Die Abklärungen beim zuständigen Departement bestätigten diese Probleme, worauf die Regierung beschloss, bis zum Inkrafttreten des Neuen Finanzausgleichs die, zur Zeit 4 Standortgemeinden (Schluein, Cazis, Chur und Davos) pauschal mit insgesamt Fr. 100`000.-/Jahr zu entschädigen. Diese Entschädigung zw. Fr. 20`000.- bzw. Fr. 30`000.-/Gemeinde decken jedoch lediglich einen Teil der Mehrkosten ab. (In Davos belief sich der vom Bund und Kantonen ungedeckte Aufwand auf rund Fr. 60`000.- im Jahr 2011 für rund 30 anerkannte und vorläufig aufgenommene Flüchtlinge. Neu stehen in Davos Laret 120 Betten zur Verfügung.)
Die Zusicherung der Regierung, diese Lücke mit der FA-Reform zu schliessen, ist zumindest aus jetziger Sicht der Dinge im Botschaftstext nicht erkennbar.
Aufgrund der aktuellen Situation in den aktuell betroffenen Gemeinden sowie im Hinblick auf Transparenz für weitere Gemeinden, die sich in Zukunft für Transitzentren zur Verfügung stellen müssen, bitten die Unterzeichnenden um Beantwortung folgender Fragen:
1. Ist die Regierung der Meinung, dass Gemeinden mit Transitzentren keine zusätzlichen Kosten entstehen dürfen?
2. Ist die Regierung der Meinung, dass die FA-Reform das richtige Instrument ist, um die ausserordentliche Last auszugleichen?
3. Sieht die Regierung ein anderes Gefäss vor, um die fehlende gesetzliche Grundlage zu schaffen?
Im Sinne einer dringend fälligen Lösung für Gemeinden und Kanton bedanken wir uns für die Beantwortung der Fragen.
Chur, 11. Juni 2013
Mani-Heldstab, Kleis-Kümin, Berther (Camischolas), Brandenburger, Bucher-Brini, Buchli-Mannhart (Safien-Platz), Caduff, Caluori, Campell, Casutt-Derungs Silvia, Clalüna, Conrad, Darms-Landolt, Dermont, Dosch, Fasani, Felix, Geisseler, Hardegger, Jeker, Jenny, Joos, Kollegger (Malix), Komminoth-Elmer, Locher Benguerel, Märchy-Caduff, Marti, Meyer-Grass, Michael (Castasegna), Michel, Niederer, Niggli-Mathis (Grüsch), Papa, Parolini, Pedrini, Righetti, Sax, Tenchio, Tomaschett-Berther (Trun), Trepp, Troncana-Sauer, Valär, Wieland, Berther (Segnas), Bürgi-Büchel, Däscher, Degonda, Deplazes, Motti, Müller (Haldenstein), Schlatter
Antwort der Regierung
Gestützt auf Art. 4 des Einführungsgesetzes zur Ausländer- und Asylgesetzgebung des Bundes (EGzAAG; BR 618.100) kann die Regierung die Gemeinden verpflichten, Asylsuchende, vorläufig Aufgenommene und Schutzbedürftige nach Massgabe ihrer Bevölkerungszahl aufzunehmen. Der Kanton kann eigene Unterbringungszentren sowie Strukturen zur Ausrichtung von Nothilfe führen. Die Regierung gewährt bei übermässigen finanziellen Belastungen einzelner Gemeinden durch die Wahl der Unterbringung einen finanziellen Ausgleich. Der subsidiäre Ausgleich kommt nur zum Zuge, wenn die Belastungen nicht anderweitig - z.B. durch den Finanz- und Lastenausgleich - abgedeckt werden. Gestützt auf Art. 37 der Verordnung zum EGzAAG gelten die Belastungen dann als übermässig, wenn die notwendigen Ausgaben der Gemeinden in den jeweiligen Bereichen eine Erhöhung von mindestens 10% zur Folge haben. Ausgeglichen werden höchstens ¾ der Belastungen.
Gemäss heutigem Finanzausgleich erhalten die Gemeinden weder direkt noch indirekt Ausgleichszahlungen im Asylbereich. Durch den im Rahmen der Finanzausgleichsreform (FA-Reform) neu konzipierten Finanzausgleich werden die Ausgleichsbeiträge hingegen für sämtliche Gemeinden durch die Personen im Asylprozess beeinflusst. Davon profitieren vor allem die Gemeinden mit Transitzentren. Die Regierung wird diesen Sachverhalt dem Grossen Rat im Rahmen der Botschaft zur FA-Reform darlegen.
Beantwortung der gestellten Fragen
1. Den Gemeinden können durch Asylsuchende Kosten entstehen. Dies gilt auch für Gemeinden mit Transitzentren. Vermieden werden sollen dabei ausschliesslich übermässige Mehrbelastungen durch ein Transitzentrum gegenüber einer Situation mit einer gleichmässigen Verteilung der Asylsuchenden auf die Gemeinden. Für diesen Fall sieht Art. 4 Abs. 3 EGzAAG Ausgleichszahlungen vor.
2. Der im Rahmen der anstehenden FA-Reform geplante Ressourcenausgleich wird der besonderen Situation der Gemeinden mit überdurchschnittlich hohem Anteil an Personen im Asylprozess Rechnung tragen. Für die Einwohnerzahl einer Gemeinde wird die ständige Wohnbevölkerung massgebend sein. Ab dem Jahr 2010 zählen auch Personen im Asylstatus dazu, sobald ihre Aufenthaltsdauer mindestens 12 Monate beträgt. Im Jahr 2010 waren insgesamt 600 Personen dieser Kategorie zuzurechnen. Davon entfielen 339 Personen auf die vier Gemeinden mit Transitzentren Cazis, Chur, Davos und Schluein. Im neuen Ressourcenausgleich werden auch für diese Personen Ausgleichsbeiträge ausgerichtet. Diese vier Gemeinden werden auch durch die von der Regierung vorgesehenen Anpassungen an der FA-Reform erheblich entlastet. Ein weiterer Ausgleich, insb. für Aufwendungen von anerkannten und vorläufig aufgenommenen Flüchtlingen erscheint nicht erforderlich. In diesem Zusammenhang sei auf den in der Junisession überwiesenen Auftrag Zweifel-Disch betreffend Förderung von Integrationsangeboten für fremdsprachige Kinder hingewiesen. Die Regierung beabsichtigt, die Kantonsbeiträge an den Unterricht für fremdsprachige Kinder im Rahmen der FA-Reform auf Vollkostenniveau anzuheben, was die vier genannten Gemeinden zusätzlich entlastet.
3. Nicht in Frage kommen kann der Einsatz des im Rahmen der FA-Reform geplanten individuellen Härteausgleichs für besondere Lasten (ILA). Dieser ist für einmalige Notfälle und nicht für jährlich wiederkehrende Ausgleichszahlungen konzipiert. Diese Konzeption wurde von beinahe sämtlichen Vernehmlassungsteilnehmern unterstützt.
In Art. 4 Abs. 3 EGzAAG besteht die rechtliche Grundlage für allfällige Ausgleichsbeiträge an Gemeinden mit übermässigen finanziellen Belastungen durch die Wahl der Unterbringung. Es besteht keinerlei Bedarf für die Schaffung eines anderen Gefässes.
04. September 2013