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Session: 29.08.2013
In den vergangenen Jahren verzeichneten einzelne Bündner Gemeinden eine vermehrte Zuwanderung anerkannter Flüchtlinge. Durch die schwierige wirtschaftliche Situation in unseren Nachbarländern, insbesondere in Südeuropa, wuchs die Zahl ausländischer Arbeitskräfte, zunehmend nicht nur von Einzelpersonen, sondern vor allem im Rahmen des Familiennachzuges. Dies führte in Gemeinden mit günstigem Wohnraumangebot und geeigneten Arbeitsplätzen teilweise zu massiven Mehrkosten in einzelnen Bereichen wie z.B. der Schule. Tendenziell nehmen die Kosten in der Sozialhilfe weiter zu.

Ab nächstem Jahr sind die Gemeinden verpflichtet, die vom Kanton verabschiedeten Massnahmen zur Integrationsförderung umzusetzen. Auch hier sind vor allem Gemeinden mit einem hohen Ausländeranteil stark betroffen. Die Umsetzung der Massnahmen wird sich schwierig gestalten und sollte deshalb in enger Zusammenarbeit zwischen Kanton und Gemeinden geschehen.

Der Bund bezahlt für anerkannte Flüchtlinge während insgesamt fünf Jahren eine Globalpauschale aus. In der Regel sollte dieser Betrag ausreichen und für die Gemeinden dürften eigentlich keine Mehrkosten entstehen. Ausnahmen sind vor allem in touristischen Zentren infolge z.B. höherer Mietkosten oder bei Einzelpersonen möglich. Sofern sich die Flüchtlinge schon länger in der Schweiz aufhalten und ihren Wohnort wechseln, erhält eine Gemeinde je nachdem aber nur Beiträge aus der Globalpauschale für zwei oder drei Jahre. Nach Ablauf von fünf Jahren wird den Flüchtlingen und ihren Kindern eine C-Bewilligung ausgestellt. Die Globalpauschale entfällt mit dem Erhalt der C-Bewilligung oder wenn eine Person erfolgreich in den Arbeitsprozess integriert werden kann. Sofern es nicht gelingt, die Flüchtlinge beruflich zu integrieren, fallen Sozialhilfekosten für die Gemeinde an. Die meisten Flüchtlingsfamilien haben bekanntlich mehrere Kinder. Selbst wenn die Integration in den Arbeitsmarkt gelingt, wird deshalb das Einkommen in den wenigsten Fällen für den Unterhalt der Familie ausreichen.

Der Familiennachzug ist inzwischen auch mit einer L-Bewilligung möglich und nimmt tendenziell zu. Aufgrund der relativen Arbeitsunsicherheit streben diese Familien heute häufiger den B-Bewilligungs-Status an. Der Verbleib ist gesicherter und die öffentliche Sozialhilfe ist zugänglich, was mit einer L-Bewilligung nicht möglich ist.

Zu den Fragen:

1. Was gedenkt die Regierung zu unternehmen, damit Flüchtlinge, für die der Bund keine Globalpauschale mehr ausbezahlt, eine soziale Abfederung erhalten, ohne dass deren Wohnsitzgemeinden zusätzlich belastet werden?

2. Inhaberinnen und Inhaber von L-Bewilligungen haben kein Anrecht auf Sozialhilfe. Wie gedenkt die Regierung mit Familien umzugehen, bei denen ein oder beide Elternteile keine Arbeit mehr finden und/oder Arbeitslosenentschädigung beziehen können?

3. Arbeitgeber tragen ebenfalls eine soziale Verantwortung für ihre Arbeitskräfte. Plant die Regierung flankierende Massnahmen, wie z.B. Information und Aufklärung der Arbeitgeber?

Chur, 29. August 2013

Kleis-Kümin, Mani-Heldstab, Troncana-Sauer, Albertin, Augustin, Baselgia-Brunner, Blumenthal, Brandenburger, Bucher-Brini, Caduff, Caluori, Casanova-Maron, Casutt-Derungs Silvia, Cavegn, Conrad, Darms-Landolt, Dermont, Dosch, Fasani, Florin-Caluori, Frigg-Walt, Furrer-Cabalzar, Gartmann-Albin, Geisseler, Hardegger, Hartmann (Champfèr), Jaag, Jenny (Arosa), Kasper, Kollegger (Malix), Locher Benguerel, Märchy-Caduff, Meyer-Grass, Noi-Togni, Parolini, Parpan, Perl, Peyer, Pfenninger, Pult, Rosa, Sax, Stiffler (Davos Platz), Tenchio, Thöny, Tomaschett (Breil), Tomaschett-Berther (Trun), Trepp, Valär, Wieland, Zanetti, Bürgi-Büchel, Decurtins-Jermann, Degonda, Gugelmann, Hensel

Antwort der Regierung

Auf die Zuweisung der Asylsuchenden durch den Bund oder dessen Entscheide über die Anerkennung von Flüchtlingen oder vorläufig aufgenommenen Personen hat der Kanton keinen Einfluss. Die Zuwanderung anerkannter Flüchtlinge sowie Personen mit einer L-Bewilligung und der teilweise gewährte Familiennachzug werden in einzelnen Gemeinden bei der Suche nach günstigem Wohnraum und geeigneten Arbeitsplätzen deutlich spürbar. Verschiedene Gemeinden werden aufgrund des Angebotes an erschwinglichem Wohnraum und Arbeitsplätzen zunehmend mit ausländischen Sozialhilfebezügern belastet. So muss damit gerechnet werden, dass aufgrund der Zuwanderung die Sozialhilfekosten auch weiterhin leicht ansteigen werden. Verglichen mit der Sozialhilfequote der Schweiz, welche bei 3% (Stand 2011) liegt, ist die Sozialhilfequote des Kantons mit 1.1% allerdings geringer. Die Sozialhilfe muss für die Sicherung des Existenzbedarfs aufkommen, wenn der Lebensbedarf nicht aus eigenem Erwerb sichergestellt ist und eine unbefristete Aufenthaltsbewilligung vorliegt.

Bei Personen mit einer L-Bewilligung ohne Vollzeitbeschäftigung stellt der Nachweis ausreichender Mittel für die Sicherung des Lebensbedarfs in der Regel eine Bewilligungsvoraussetzung dar. Ist diese nicht erfüllt, kann die Bewilligung entzogen werden. Personen, denen die Bewilligung entzogen wurde, haben nur noch Anspruch auf befristete Nothilfe (vgl. Konzept und RB vom 4. Juni 2013 betreffend Kantonales Integrationsprogramm [KIP] Graubünden). Der Grund für die Zuwanderung ist häufig im Arbeitsmarkt der Schweiz begründet, so auch für Personen mit L-Bewilligungen, die aufgrund des Freizügigkeitsabkommens (FZA) ihre Familie nachziehen können. Im Kanton gibt es zahlreiche, vor allem grössere Betriebe, welche die sprachliche Kompetenz ihrer ausländischen Belegschaft fördern, und auch grössere Hotels, die Kinderbetreuungsplätze für ihre Angestellten zur Verfügung stellen. Der Integrationsdialog der Tripartiten Agglomerationskonferenz (TAK) widmet sich u.a. der Arbeitswelt und hat diesbezüglich in Kooperation mit der Wirtschaft und Berufsverbänden gemeinsame Zielsetzungen in den folgenden drei Aktionsfeldern verabschiedet:

1. Information und Sensibilisierung zu Integration und Diskriminierung
2. Sprache und Bildung
3. Arbeitsmarktintegration von anerkannten Flüchtlingen und vorläufig aufgenommenen Personen

Beantwortung der gestellten Fragen

1. Die Regierung sieht keine Notwendigkeit für ein zusätzliches Ausgleichsinstrument im Bereich der anerkannten Flüchtlinge. Um sicherzustellen, dass keine Gemeinde durch ihre Sozialhilfekosten übermässig belastet wird, besteht heute ein ausgedehnter vierstufiger Lastenausgleich. Dieser kommt vor allem den Zentrumsgemeinden mit einer überdurchschnittlich hohen Sozialhilfequote zugute. Gemeinden mit relativ hohen Nettoaufwendungen erhalten vom Kanton sogenannte Spitzenbrecherbeiträge. Diese garantieren jeder Gemeinde eine maximale Belastung von 5% ihrer massgebenden Steuereinnahmen. Davon sind jährlich über 50 Gemeinden betroffen. Dieser Lastenausgleich soll im Rahmen der geplanten Reform des Finanzausgleichs vereinfacht werden, ohne die Ausgleichswirkung und das kantonale Gesamtengagement zu reduzieren. Sämtliche Zentrumsgemeinden, die im 2012 eine Sozialhilfequote von mehr als 2.0% aufweisen, werden in der Globalbilanz gegenüber heute finanziell entlastet. Namentlich sind dies Thusis (SH-Quote 2.8%, Saldo Globalbilanz 0.16 Mio.), Chur (SH-Quote 2.6%, Saldo Globalbilanz 2.29 Mio.), Haldenstein (SH-Quote 2.5%, Saldo Globalbilanz 0.40 Mio.) sowie Cazis (SH-Quote 2.3%, Saldo Globalbilanz 0.50 Mio.). Vgl. Botschaft Heft Nr. 7/2013-2014, Seiten 232, 251 ff. und 345 ff.

2. Der Nachweis ausreichender Mittel für die Deckung des Lebensbedarfs ist eine Voraussetzung für die Erteilung einer Kurzaufenthaltsbewilligung ohne Erwerbstätigkeit und die zuständigen kantonalen Behörden setzen das geltende Recht konsequent um. Dies gilt jedoch nicht bei Personen, die aufgrund ihrer Arbeitnehmereigenschaft einen Anspruch auf eine Bewilligung haben. Das Freizügigkeitsabkommen (FZA) erlaubt in diesen Fällen keine Wegweisung. Die Arbeitslosenentschädigung basiert auf einem versicherten Einkommen und ist unabhängig vom tatsächlichen Finanzbedarf der versicherten Person bzw. deren Familie. Die Dauer, während welcher Arbeitslosenentschädigung ausgerichtet wird, ist im entsprechenden Bundesgesetz geregelt und ebenfalls unabhängig vom tatsächlichen, gegebenenfalls länger dauernden Bedarf der versicherten Person. Der Kanton Graubünden kennt im Unterschied zu anderen Kantonen keine Arbeitslosenhilfe, die auch nach der Aussteuerung greifen würde. Aus diesem Grund ist es denkbar, dass Personen ohne Aufenthaltsbewilligung, die kein Anrecht auf Sozialhilfe und Arbeitslosenentschädigung haben, Nothilfe beziehen.

3. Die Sensibilisierung, Information und Aufklärung der Arbeitgeber im Hinblick auf einen bewussteren Integrationsprozess ist im KIP vorgesehen. Das AFM wird mit dem KIGA den Dialog mit den Arbeitgebern aufnehmen und Partnerschaften für die drei erwähnten Aktionsfelder suchen.

30. Oktober 2013