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Session: 22.04.2014
Aus dem Sozialbericht des Kantons Luzern ist zu entnehmen, dass nur mutmasslich jeder Fünfte, der dazu berechtigt wäre, Sozialhilfe beantragt.

Viele Betroffene wollen ihre finanzielle Unabhängigkeit nicht verlieren oder sie fühlen sich stigmatisiert und schämen sich, als Sozialhilfebezüger identifiziert zu werden.

Ebenfalls kann die Komplexität der Regelungen, mangelnde Information, aufwändige Formalitäten, persönliche Umstände wie Lese- und Schreibschwäche oder die Einstellung zu Behörden ein Grund sein, keine Sozialhilfe zu beantragen. Weitere Gründe sind Ungewissheit oder die Angst vor Verschuldung.

Es zeigt sich, dass oftmals eine Beratung reicht, um die schwierige Situation zu stabilisieren und es dann gar nicht mehr zur Zahlung von Sozialhilfegeldern kommt.

Unter Umständen kann es für die öffentliche Hand sogar teurer zu stehen kommen, wenn sich Berechtigte erst viel später melden, als sie es könnten. Zudem ist es auch für die Schuldenberatung viel einfacher zu helfen, wenn nicht noch mehr unbezahlte Rechnungen da sind.

Um eine Verschlimmerung der Situation zu vermeiden, ist es sinnvoll, dass die Beratung zu einem frühen Zeitpunkt ansetzen und helfen kann.

In Graubünden zeigt es sich, dass es sehr grosse regionale Unterschiede gibt. Während in einigen Regionen in vielen Fällen auch noch Beratungen durchgeführt werden, scheint es so, als hätten andere Sozialdienste hierfür kaum mehr Zeit. Sie setzen fast ihre gesamten Ressourcen in die Abklärungen und Verwaltung von Sozialhilfedossiers ein.

Daraus ergeben sich folgende Fragen an die Regierung:

1. Wie sehen in Graubünden die regionalen Unterschiede diesbezüglich aus?

2. Wie sieht die Differenz zwischen der Sozialhilfequote und der Armutsquote aus und wie ist diese nach Alter abgestuft?

3. Wie vielen Personen konnte mittels Beratungsgesprächen geholfen werden, ohne dass sie danach Sozialhilfe beziehen mussten?

4. Wird von Seiten des Kantons den Betroffenen Hilfe angeboten, auch ohne dass sie vorgängig ein Gesuch eingereicht haben?

Chur, 22. April 2014

Gartmann-Albin, Hensel, Frigg-Walt, Baselgia-Brunner, Bucher-Brini, Jaag, Locher Benguerel, Müller (Davos Platz), Noi-Togni, Peyer, Pfenninger, Pult, Thöny, Trepp, Deplazes, Michel (Chur), Monigatti

Antwort der Regierung

Der Kanton Graubünden verfügt mit den bestehenden regionalen Sozialdiensten in allen Regionen des Kantons über professionelle Beratungsstellen für Personen in familiären, persönlichen, sozialen und materiellen Notlagen. Über Leistungsaufträge und finanzielle Beiträge unterstützt und fördert er auch Beratungsangebote privater Träger wie Caritas, Rotes Kreuz Graubünden, Pro Infirmis, Pro Senectute und Adebar.

Im Jahr 2012 wurden in allen Sozialdiensten des Kantons insgesamt rund 4400 Personen (Dossiers) beraten. Davon beanspruchten 1325 Fälle (respektive 2200 Personen) eine finanzielle Unterstützung im Rahmen der materiellen Sozialhilfe. Diese Zahlen zeigen, dass in der Sozialberatung sehr viel getan wird, um eine wirtschaftliche Abhängigkeit von der Sozialhilfe zu verhindern.

Die Beratung der Sozialdienste deckt im Wesentlichen folgende Bereiche ab: Familienberatung, Kinder- und Jugendberatung, Budget- und Schuldenberatung, berufliche Integration und Stellensuche, Wohnraumsicherung, Klärung sozialversicherungsrechtlicher Ansprüche, Suchtberatung. Mit der Intervention der Sozialdienste werden die wirtschaftliche und persönliche Selbstständigkeit bedürftiger Personen sowie ihre soziale Integration gefördert. Die Sozialhilfe steht im System der sozialen Absicherung in direktem Zusammenhang mit den vorgelagerten Sicherungssystemen und muss mit ihnen koordiniert werden.

Die Feststellung in der Anfrage, dass oftmals eine Beratung reicht, um eine schwierige Situation zu stabilisieren, trifft auf manche Fälle der Sozialdienste durchaus zu. Allerdings ist die Sozialhilfeabhängigkeit immer auch abhängig vom Zugang der betreffenden Person zum Arbeitsmarkt, zu einem erzielbaren Einkommen und zu erschwinglichem Wohnraum.

Beantwortung der Fragen:

1. In den Bezirken Albula, Bernina, Inn, Maloja, Moesa und Surselva liegt die Sozialhilfequote zwischen 0,4 und 0,6 %, in Davos bei 0,8 %. Hinterrhein, Landquart und Imboden weisen eine Sozialhilfequote von 1,2 % bzw. 1,3 % aus. Im Bezirk Plessur liegt die Sozialhilfequote bei 2,4 % (Sozialhilfestatistik BfS 2012).

2. Der in der Anfrage zitierte Sozialbericht des Kantons Luzern stützt sich auf eine Reihe von eigenen Erhebungen im Kanton Luzern. Der Kanton Graubünden führt keine entsprechenden Statistiken. Es können deshalb keine konkreten Aussagen zu dieser Frage gemacht werden.

3. Etwa zwei Drittel der Personen, welche die Beratung der Sozialdienste beanspruchen, kommen ohne Sozialhilfeleistungen aus.

4. Ja. Alle Klienten, die sich an die regionalen Sozialdienste wenden, werden beraten. Die Sozialdienste erschliessen dabei Massnahmen zur sozialen und beruflichen Integration, psychosoziale und finanzielle Hilfe. Im materiellen Bereich zählen dazu Mutterschaftsbeiträge, Sozialversicherungsleistungen, punktuelle und gemeinnützige Beiträge zur Überbrückung einer Notlage. Ebenso unterstützen sie ihre Klienten bei Schuldensanierungen, Budgetberatung und Finanzverwaltungen. Der Kanton unterstützt und fördert zudem Beratungsangebote mehrerer privater Träger.

27. Juni 2014