Kanton und Gemeinden beteiligen sich je zu 20 Prozent an den Normkosten für familienergänzende Kinderbetreuung wie Kindertagesstätten, Tagespflege und Mittagsbetreuung. Neu gestartete Angebote erhalten in den ersten drei Jahren den höheren Satz zu 25 Prozent. Somit bezahlen die Erziehungsberechtigten die verbleibenden 50 resp. 60 Prozent der Betriebskosten. Hierzu erstellen die Anbieter eine Tarifordnung mit nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit abgestuften Tarifen für Erziehungsberechtigte.
In den vergangenen Jahren haben sich zwei Dinge gezeigt. Erstens kommen Anbieter in wirtschaftlich und strukturell schwächeren Regionen des Kantons nach den ersten drei Jahren immer mehr in finanzielle Schwierigkeiten. Zweitens werden notwendige Stellen in Organisationen wie Kindertagesstätten oft durch billige Praktikantinnen besetzt, um die Betriebskosten tief zu halten. Die familienergänzende Kinderbetreuung sieht sich mehreren Herausforderungen gegenübergestellt. Eine wirtschaftliche Führung soll im Einklang mit einer ausreichenden und qualifizierten Betreuung in geeigneten Räumen sichergestellt werden. Zudem soll eine sozial verträgliche Tarifordnung eine faire Kostenbeteiligung garantieren. Die Anbieter in den strukturschwachen Regionen sind gefordert, die Elternbeiträge stärker zu differenzieren. Denn für die Entscheidung von Erziehungsberechtigten mit niedrigem Einkommen ist die Beitragshöhe im Verhältnis zum Einkommen ein wesentliches Kriterium, ihre Kinder betreuen zu lassen. Für niedrige Einkommen sind die Beiträge tendenziell zu hoch, für hohe Einkommen müssen sie so hoch angesetzt werden, dass eine Entscheidung für die Betreuung der Kinder ebenfalls fraglich wird.
Die Unterzeichnenden stellen der Regierung folgende Fragen:
1. Wie lässt sich das Problem der familienergänzenden Kinderbetreuung in wirtschafts- und strukturschwachen Regionen mindern?
2. Wie beurteilt die Regierung den vermehrten Einsatz von Praktikantinnen und Praktikanten zur Kosteneinsparung?
3. Kann sich die Regierung vorstellen, bei allfälligem Wegfall der Anstossfinanzierung des Bundes analog Beiträge an Bündner Anbietende in Randregionen zu vergeben?
4. Könnte sich die Regierung vorstellen, die Beitragssätze nach Regionen abgestuft festzulegen?
Chur, 29. August 2014
Thöny, Albertin, Atanes, Baselgia-Brunner, Cahenzli-Philipp, Casanova (Ilanz), Casutt-Derungs, Caviezel (Chur), Darms-Landolt, Deplazes, Dosch, Epp, Felix (Scuol), Foffa, Grass, Heiz, Jaag, Joos, Locher Benguerel, Märchy-Caduff, Monigatti, Noi-Togni, Papa, Pedrini, Perl, Peyer, Pfenninger, Pult, Tomaschett-Berther (Trun)
Antwort der Regierung
Das Gesetz über die Förderung der familienergänzenden Kinderbetreuung im Kanton Graubünden ist seit November 2003 in Kraft. Gestützt auf diese gesetzliche Grundlage legen die Gemeinden in Zusammenarbeit mit den anerkannten Anbietern den Bedarf an familienergänzenden Kinderbetreuungsangeboten fest. Die Beteiligung des Kantons beträgt 15 bis 25 Prozent der Normkosten. Die Regierung legt die Höhe der Normkosten und die Höhe des Beitragssatzes fest. Die Wohnsitzgemeinde hat sich mindestens im gleichen Umfange wie der Kanton zu beteiligen.
In den Jahren 2004 – 2007 bezahlten Kanton und Gemeinden je 15 Prozent der Normkosten. Seit 2008 bezahlen Kanton und Gemeinden je 20 Prozent der Normkosten, für neue Angebote je 25 Prozent während den ersten drei Jahren. Die Kernzielsetzung, Kinderbetreuungsangebote zu fördern, wurde sehr gut erreicht. Heute bestehen Krippen und Kindertagesstätten in vielen Regionen des Kantons. Die Zahl der Angebote, die Plätze und die Zahl der betreuten Kinder haben sich seit der Inkraftsetzung des Gesetzes mehr als verdoppelt. Im Jahr 2013 bestanden 28 Angebote mit insgesamt 602 Plätzen. Diese wurden von 2650 Kindern genutzt. Dafür wendeten Kanton und Gemeinden im Jahr 2013 4 901 399 Franken auf. Eine deutliche Erweiterung erfuhr das Betreuungsangebot für Kinder auch durch den Blockunterricht und die Tagesstrukturen, die gestützt auf das revidierte Schulgesetz geschaffen wurden. Unterstützt wurde die Schaffung neuer Angebote zudem durch die Finanzhilfen für familienergänzende Kinderbetreuung des Bundes.
1. Tiefe Versorgungsgrade weisen Südbünden, die Surselva, Mittelbünden und die Region Viamala auf (Studie „Familienergänzende Kinderbetreuung im Kanton Graubünden“, 2013, HTW Chur, Forschungsstelle für Wirtschaftspolitik). Die Nachfrage dürfte in diesen Regionen nicht im selben Ausmass vorhanden sein wie in den wirtschaftlich stärkeren Regionen, da die familieninterne Unterstützung und die Nachbarschaftshilfe noch stärker sind. Mit der Anstossfinanzierung des Bundes und dem Beitragssatz von 25 Prozent während der ersten drei Betriebsjahre aufgrund des kantonalen Gesetzes werden neue Angebote in allen Regionen massgebend gefördert. Die Regierung ist gewillt, an Angebote der familienergänzenden Kinderbetreuung in strukturschwachen Regionen weiterhin gleiche Leistungen zu gewährleisten wie im übrigen Kantonsgebiet. Eine weitergehende Förderung dezentraler Angebote lehnt die Regierung ab.
2. Angebote im Bereich der familienergänzenden Kinderbetreuung bedürfen einer Anerkennung des zuständigen Departements. Voraussetzung für die Anerkennung ist unter anderem die Gewährleistung einer ausreichenden und qualifizierten Betreuung in geeigneten Räumen. Praktikumsstellen können insofern zu einer Kostenoptimierung und Vergünstigung des Angebots beitragen, ohne dass die Qualität gefährdet ist. Zudem bieten sie Schulabsolventinnen und Schulabsolventen die Möglichkeit, erste Berufserfahrungen zu sammeln und sich ein Bild von der zukünftigen Berufstätigkeit zu machen. Das kantonale Sozialamt empfiehlt den Kinderkrippen, nur so viele Praktikantinnen und Praktikanten einzustellen wie auch Lehrstellen zur Verfügung stehen.
3. Mit der Parlamentarischen Initiative 13.541 wurde die Weiterführung und Weiterentwicklung der Finanzhilfen für familienergänzende Kinderbetreuung auf Bundesebene gefordert. Der Nationalrat befürwortete am 10. September 2014 und der Ständerat am 16. September 2014 den Vorstoss. Damit ist die Weiterführung der Finanzhilfen des Bundes für familienergänzende Kinderbetreuung bis ins Jahr 2019 gesichert, sofern innert 100 Tagen kein Referendum ergriffen wird.
4. Die Tarifgestaltung der anerkannten Angebote ist nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Erziehungsberechtigten abzustufen. Betreuungsangebote in strukturell schwächeren Regionen sollten, auch unter Ausklammerung des Qualifikationsniveaus der Angestellten, grundsätzlich günstiger angeboten werden können (in der Regel tiefere Miet-/Lohnkosten etc.) als in den Zentren. Eine zusätzliche Abstufung der Beitragssätze nach Regionen zugunsten strukturschwacher Regionen würde dem Ziel zuwider laufen, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in erster Linie dort zu gewährleisten, wo die entsprechende Nachfrage besteht. Eine nach Regionen abgestufte Festlegung der Beitragssätze wird von der Regierung daher nicht befürwortet.
23. Oktober 2014