Mitte Juli haben alle Gemeinden vom Amt für Natur und Umwelt (ANU) Graubünden die Unterlagen zur kantonalen Revitalisierungsplanung und zur Gewässerraumausscheidung erhalten. Gemäss diesen Unterlagen soll das ANU gestützt auf Art. 38a GSCHG dem Bund bis Ende 2014 einen bereinigten Schlussbericht abgeben. Auf der interaktiven Karte des ANU’s ist der Gewässerraum nach Gewässerschutzgesetz ausgeschieden respektive markiert. In derselben Karte wurde auch der erweiterte Revitalisierungsraum reserviert, d.h eingezeichnet. Die Revitalisierungszone erstreckt sich über den gesamten Kanton, davon betroffen sind grosse Teile des Talbodens (durch alle Talschaften). Innerhalb der Revitalisierungsausdehnung befinden sich gemäss der aktuellen Karte auch Zonen anderer Raumnutzer (Landwirtschaft, Gewerbe, Tourismus etc.). Bei der Betrachtung dieser Planung stellt man unschwer fest, dass diese ein grosses Konfliktpotenzial gegenüber den Raumnutzern aufweist.
Es ist vorgesehen, diesen Revitalisierungsperimeter in der Richtplanung aufzunehmen und mit den entsprechenden Prioritäten vor baulichen Eingriffen zu bewahren. In der genannten Zone sind nur bauliche Massnahmen erlaubt, welche im öffentlichen Interesse liegen.
Die Auftraggeber beauftragen die Regierung deshalb wie folgt:
1. Beim Bund ist umgehend ein Gesuch um Fristverlängerung einzureichen.
2. Es soll eine neue Planung erstellt werden, welche das Konfliktpotenzial mit den übrigen Raumnutzern auf ein Minimum reduziert.
3. Alle Raumnutzer sollen in die Planung miteinbezogen werden.
4. Die Raumausscheidung ist im Vorschlag des ANU’s auf das gesetzliche Minimum zu reduzieren.
5. Wo Flüsse nie verbaut wurden, muss auch keine Revitalisierung stattfinden und somit keine Zone ausgeschieden werden.
Chur, 30. August 2014
Hug, Müller, Casanova (Ilanz), Aebli, Albertin, Baselgia-Brunner, Bondolfi, Brandenburger, Buchli-Mannhart, Casanova-Maron (Domat/Ems), Casty, Casutt-Derungs, Darms-Landolt, Davaz, Della Vedova, Dosch, Dudli, Felix (Scuol), Florin-Caluori, Grass, Gunzinger, Jeker, Joos, Kasper, Koch (Tamins), Koch (Igis), Kollegger, Komminoth-Elmer, Kunz (Fläsch), Kuoni, Lamprecht, Lorez-Meuli, Mani-Heldstab, Märchy-Caduff, Michael (Donat), Niederer, Niggli-Mathis (Grüsch), Papa, Pfäffli, Sax, Tenchio, Toutsch, Troncana-Sauer, Weidmann, Wieland
Antwort der Regierung
Die gesetzlichen Grundlagen des Bundes verlangen, dass die Gewässerräume für Fliessgewässer sowohl die minimale Breite des Gewässerraums als auch die für Revitalisierungen, für den Schutz vor Hochwasser und für ökologische Aufwertungen benötigten Erweiterungen umfassen. Im Kanton Graubünden liegt die Gewässerhoheit bei den Gemeinden. Diese können darüber entscheiden, ob sie Gewässerrevitalisierungen durchführen wollen. Um den Bedarf an Revitalisierungen zu ermitteln, wurde durch das Amt für Natur und Umwelt eine Vernehmlassung bei den Gemeinden durchgeführt. Aus 19 Gemeinden wurden Projekte angemeldet. Die in der Vernehmlassung dargestellten Priorisierungen sind für die Höhe der Bundesbeiträge mitentscheidend. Nur angemeldete Projekte werden in die Revitalisierungsplanung der nächsten 20 Jahre aufgenommen.
Den Raum für alle zusätzlich möglichen Revitalisierungen genauer festzulegen und die Konflikte zu bereinigen, wäre mit sehr grossem Aufwand verbunden. Die resultierende Fläche müsste, unter Inkaufnahme von Nutzungseinschränkungen, bereits dem Gewässerraum zugeschlagen werden. Deshalb scheint es der Regierung zweckmässig, lediglich den minimalen Gewässerraum in der Nutzungsplanung festzulegen und erst bei konkreten Nutzungsvorhaben im Einzelfall den Einfluss auf künftige Revitalisierungen und Hochwasserschutzmassnahmen zu prüfen.
Der Revitalisierungsperimeter umfasst den maximalen Raum, den ein Revitalisierungsprojekt beanspruchen könnte. Er stellt transparent dar, wo bei allfälligen Bau- und Nutzungsvorhaben die ohnehin nötige Interessenabwägung vorzunehmen ist. Diese Interessenabwägung muss abhängig von den Prioritäten vorgenommen werden. Damit dies sichergestellt werden kann, wird der Revitalisierungsperimeter als Grundlage in der Richtplanung angeführt. Er kann bei Bedarf angepasst werden und wird dem Bundesamt nicht mitgeteilt. Hingegen sollen die für die nächsten 20 Jahre angemeldeten Projekte Teil der behördenverbindlichen Richtplanung werden. Die Revitalisierungsplanung muss mit den Planungen zur Sanierung bezüglich Schwall und Sunk, Geschiebe und Fischgängigkeit abgestimmt sein. Eine Verzögerung der Revitalisierungsplanung hätte wohl einen Verlust von Bundesbeiträgen in der Grössenordnung von 500 000 bis 700 000 Franken zur Folge und würde sich auch auf die Anerkennung der anderen Planungen durch den Bund auswirken. Dies könnte z.B. die Projekte der Kraftwerke zur Dämpfung von Schwall und Sunk verzögern, was in Anbetracht der knappen Bundesmittel für bauliche Sanierungsmassnahmen in diesem Bereich ebenfalls ein erheblicher Nachteil für die Bündner Wasserkraft darstellen würde.
Zu den einzelnen Punkten des Auftrages:
1. Ein Gesuch um Fristverlängerung ist nicht notwendig. Ein Nichteinhalten der gesetzlich fixierten Frist bis Ende 2014 wäre mit den genannten Nachteilen verbunden.
2. Der Revitalisierungsperimeter wird dem Bund nicht mitgeteilt. Wo Konflikte mit rechtskräftigen Bauzonen bestehen, werden die Revitalisierungsflächen entsprechend angepasst. Die Gemeinden werden Gelegenheit erhalten, zum überarbeiteten Revitalisierungsperimeter erneut Stellung zu nehmen. Eine kantonsweite umfassende Konfliktbereinigung wäre hingegen mit unverhältnismässigem Aufwand verbunden und würde zur Übernahme des Revitalisierungsperimeters in den Gewässerraum mit den damit verbundenen unerwünschten Bewirtschaftungseinschränkungen für die Landwirtschaft führen.
3. Im Revitalisierungsperimeter wird die landwirtschaftliche Bewirtschaftung bis zur Realisierung eines Projekts nicht eingeschränkt. Bei Bauvorhaben oder Nutzungsplanänderungen sind in den etablierten Verfahren das rechtliche Gehör und das Rechtsschutzinteresse von Eigentümern und Bewirtschaftern gewahrt.
4. Der genaue Raumbedarf ist erst nach der Erarbeitung eines Revitalisierungsprojektes bekannt. Ein solches wird gezielt nur dort erarbeitet, wo die Gemeinden dies wollen oder aus Gründen des Hochwasserschutzes müssen.
5. An natürlichen, unverbauten Gewässern werden dem Bund keine Revitalisierungsprojekte gemeldet.
Die Regierung ist bereit, den Auftrag Hug im Sinne dieser Ausführungen entgegenzunehmen.
29. Oktober 2014