Gewalt an Kinder, physisch und psychisch, ist leider allgemein im Zunehmen begriffen. Die Statistik zeigt, dass in der Schweiz jährlich über 50 Kinder aus Gewaltgründen sterben. Im Jahr 2009 wurden 785 Fälle von Kindesmisshandlung registriert. Die Statistiken im Kanton Zürich in den Jahren 2012/13 zeigen einen weiteren Anstieg der Problematik. Im Kanton Tessin landet heute jede Woche ein Kind wegen Misshandlungen in Spitalpflege. Auch werden immer mehr Fälle von Vernachlässigung von Kindern festgestellt. Diese Situationen belasten die Sozialdienste, die Kinderschutzbehörden und das Gesundheitswesen stark. Und was schlimmer ist: Kinder, die solche Erfahrungen machen mussten, leiden oft ihr ganzes Leben unter den traumatischen Konsequenzen.
Es stellt sich somit die Frage, ob die Kantone genug unternehmen, um dieses Kindsleid zu verhindern und entsprechend die Hilfestellen zu entlasten. Was nur möglich scheint, wenn eine ernsthafte Prävention umgesetzt werden kann. Nach erhobenen Informationen, scheint in unserem Kanton tatsächlich die Prävention in diesem Bereich ein wunder Punkt zu sein. Was auch ersichtlich wurde bei der Behandlung des Voranschlags 2015, welcher nur Beiträge an Beratung und Soforthilfe für Opfer von Gewalt und Entschädigung für Betroffene und ihre Familien vorsieht, nicht aber die Prävention miteinbezieht. Auch der Nachtragskredit, welcher die Geschäftsprüfungskommission am 18. November 2014 für die Opferhilfe bewilligt hat, läuft unter dieser Bezeichnung. Der Nachtragskredit bestätigt übrigens, dass Massnahmen in diesem Bereich notwendig sind.
Gestützt auf diesen Informationen und in der Meinung, dass mit einer qualitativ guten Prävention - welche die Opferhilfestelle zu leisten in der Lage ist - Leid erspart und Geld gespart werden kann, fordern wir die Regierung auf, dieser Thematik Beachtung zu schenken, Präventionsmassnahmen einzuleiten und die entsprechenden Mittel zur Verfügung zu stellen.
Chur, 11. Dezember 2014
Noi-Togni, Bucher-Brini, Deplazes, Atanes, Cahenzli-Philipp (Untervaz), Casanova-Maron (Domat/Ems), Casty, Caviezel (Chur), Darms-Landolt, Della Vedova, Epp, Fasani, Florin-Caluori, Gartmann-Albin, Hardegger, Hitz-Rusch, Holzinger-Loretz, Jaag, Locher Benguerel, Mani-Heldstab, Michael (Castasegna), Monigatti, Müller, Niggli (Samedan), Papa, Pedrini, Perl, Peyer, Pfenninger, Pult, Rosa, Steck-Rauch, Thomann-Frank, Thöny, Widmer-Spreiter
Antwort der Regierung
Die Opferhilfe-Beratungsstelle des Kantons Graubünden ist zuständig für den Vollzug des Bundesgesetzes über die Hilfe an Opfer von Straftaten. In dessen Rahmen hat jede Person, die durch eine Straftat in ihrer körperlichen, psychischen oder sexuellen Integrität unmittelbar beeinträchtigt worden ist, Anspruch auf Unterstützung nach diesem Gesetz. Diesen Anspruch geltend machen können auch Familienmitglieder oder nahestehende Angehörige des Opfers. Die Opferhilfe umfasst Beratung und Soforthilfe sowie längerfristige Hilfe der Beratungsstellen oder Kostenbeiträge für längerfristige Hilfe Dritter, Entschädigung, Genugtuung sowie die Befreiung von Verfahrenskosten. Präventionsmassnahmen sind im Opferhilfegesetz nicht vorgesehen. Insofern ist es falsch, einen Zusammenhang zwischen dem Budget bzw. einem Nachtragskredit der Opferhilfe-Beratungsstelle und Präventionsmassnahmen im Kindesschutz herzustellen. Der Nachtragskredit wurde nötig, um zusätzliche Aufwendungen für die Soforthilfe abzugelten.
Der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Misshandlungen hat für die Regierung eine hohe Priorität. Deshalb werden in verschiedenen Bereichen durch die entsprechenden Fachstellen Präventionsmassnahmen ergriffen, nachfolgend einige Beispiele:
Erziehungs-/Bildungsbereich
Das Bildungsziel der Volksschule, die Kinder und Jugendlichen in ihrer Persönlichkeitsentwicklung zu fördern und zu unterstützen, umfasst auch die Prävention gegen Misshandlung und Gewalt. Prävention ist in den Lehrplänen in verschiedenen Fachbereichen verankert. Der Schulpsychologische Dienst (SPD) ist regional mit den Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (KESB) und weiteren Fachorganisationen auch in Bezug auf Anliegen der Prävention vernetzt und bietet diverse Vorträge und Kurse an. Auch im Bereich Jugend und Sport (J+S) wird mit verschiedenen Massnahmen Präventionsarbeit geleistet und informiert, wie bei Verdachtsfällen vorzugehen ist. Die kantonale cool&clean-Botschafterin macht das nationale Präventionsprogramm und die Ethik-Programme von Swiss Olympic bei den Bündner Vereinen und Verbänden bekannt. In Berufsbildnerkursen wird über die Fürsorgepflicht der Arbeitgebenden, insbesondere zu sexueller Belästigung, Mobbing und Rassismus informiert. Bei Beratungen von Lehrbetrieben wird darauf hingewiesen, dass Massnahmen zum Schutz der persönlichen Integrität der Lernenden (und Arbeitnehmenden) zu treffen sind.
Sozialbereich
Die Regierung unterstützt und fördert mit dem Telefon 147 von Pro Juventute, dem Elternnotruf (Tel. 0848 35 45 55) und der Dargebotenen Hand (Tel. 143) wesentliche Projekte, die sehr niederschwellig sind und ausdrücklich präventive Wirkung erzielen. Einzelne dieser Angebote sprechen gezielt Kinder und Jugendliche an. Mit Regierungsbeschluss vom 1. Juli 2014 (Protokoll Nr. 655) wurde zudem die Opferhilfe-Beratungsstelle als Koordinationsstelle für häusliche Gewalt bezeichnet.
Gesundheitsbereich
Im Gesundheitsbereich übernimmt die Mütter-/Väterberatung Aufgaben im Bereich der Prävention von Kindsmisshandlungen. Zudem werden Elternbildungskurse und kantonale Präventionsprogramme durch das Gesundheitsamt durchgeführt.
Justiz-/Polizeibereich
Die Kantonspolizei ist im Kindesschutz vor allem im Bereich der häuslichen Gewalt mit Informationen an Eltern und Erziehungsberechtigte präventiv tätig, da Kinder häufig direkt oder indirekt davon betroffen sind. Wertvolle Informationen dazu kann die Bevölkerung auch über die Homepage der Schweizerischen Kriminalprävention (www.skppsc.ch) abrufen.
Für die Regierung ist eine qualitativ gute Prävention sehr wichtig. Sie stellt deshalb in verschiedenen Bereichen finanzielle Mittel zur Verfügung. Im Budget sind diese nicht separat erkennbar, da sie häufig als Teil diverser Budgetpositionen und nicht als Einzelkredite für spezifische Projekte oder Angebote gesprochen werden. Die Regierung ist der Auffassung, dass mit den zahlreichen bestehenden Präventionsmassnahmen dem Anliegen der Auftragsunterzeichnenden ausreichend Rechnung getragen wird und beantragt dem Grossen Rat die Ablehnung des Vorstosses.
04. März 2015