Im Dezember 2014 hat der Bundesrat den Bericht zur Situation der betreuenden und pflegenden Angehörigen publiziert. Darin wird die Situation in der Schweiz zum genannten Thema analysiert, der Handlungsbedarf erfasst und Lösungsansätze erarbeitet. Aufgezeigt wird der Handlungsbedarf sowohl beim Bund, beim Kanton wie auch bei den Gemeinden.
Bessere Lebensbedingungen und medizinisch-therapeutische Fortschritte führten in den letzten Jahrzehnten zu einer höheren Lebenserwartung. Viele Krankheiten, die früher fast immer tödlich verliefen, können heute überlebt werden. Aus dieser Entwicklung resultiert ein zunehmender Bedarf an Betreuung und Pflege. Der Mehrbedarf an Betreuung und Pflege kann kaum mit professioneller und institutioneller Pflege allein bewältigt werden. Dafür stehen weder die notwendigen Fachpersonen noch die finanziellen Mittel zur Verfügung. Das Schweizerische Gesundheitsobservatorium Obsan prognostiziert bis 2020 einen zusätzlichen Personalbedarf in Spitälern, Alters- und Pflegeheimen sowie bei Spitex-Diensten von ca. 18 000 Fachpersonen (13 Prozent). Gleichzeitig müssen bis 2020 rund 60 000 Fachkräfte der Gesundheitsberufe (30 Prozent) wegen Pensionierung ersetzt werden. Weiter zu berücksichtigen ist, dass die Bevölkerung unter 65 Jahren in den kommenden Jahrzehnten nur wenig zunehmen wird. Infolgedessen wird sich die Rekrutierungsbasis für die Betreuungs- und Pflegeberufe verkleinern.
Auf Angehörige, die pflegebedürftige Familienmitglieder - vor allem betagte, kranke und geistig, körperlich oder psychisch behinderte Menschen - betreuen, kann unter dem Aspekt einer nachhaltigen Finanzierung des Gesundheitssystems nicht verzichtet werden. Jedoch wird diese Aufgabe aufgrund des Wandels der Familienstrukturen sowie aufgrund der oft anzutreffenden Unvereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Angehörigenpflege zunehmend erschwert.
Die Analysen des erwähnten Bundesratsberichts zeigen, dass bereits viele Ansätze zur Unterstützung von betreuenden und pflegenden Angehörigen vorhanden sind, dass es aber in den Bereichen fachliche Unterstützung und Vereinbarkeit mit der Erwerbstätigkeit zusätzliche Anstrengungen zur Unterstützung und Entlastung der betreuenden und pflegenden Angehörigen braucht.
Auch im Kanton Graubünden wurden in den letzten Jahren verschiedene Anstrengungen von verschiedenen Seiten unternommen, um die Situation zu verbessern. So hat der Kanton dem Roten Kreuz Graubünden den Leistungsauftrag zum Aufbau einer Informations- und Beratungsstelle für pflegende Angehörige erteilt. Weiter bietet das Rote Kreuz Graubünden Kurse für freiwillige Pflegebegleiter/-innen an. Diese Initiativen zielen in die richtige Richtung. Handlungsbedarf besteht jedoch im Kanton GR insbesondere noch im Bereich der Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Angehörigenpflege. Im Grossen Rat wurden bereits einige Vorstösse eingereicht, welche eine Verbesserung der Situation der betreuenden und pflegenden Angehörigen verlangte. Beispielsweise der „Auftrag Cavigelli betreffend Förderung der Betreuungs- und Pflegedienstleistungen zu Gunsten von pflegebedürftigen Menschen durch Angehörige“, eingereicht anlässlich der Oktobersession 2006. Die Umsetzung der geforderten Massnahmen, sofern diese überhaupt erfolgten, vermochte jedoch die Situation nicht zu verbessern.
Aus den erwähnten Gründen fordern die Unterzeichnenden die Regierung auf, analog dem Bund ein «Aktionsplan zur Unterstützung und Entlastung betreuender und pflegender Angehörigen» zu erarbeiten. Ziel des Aktionsplans ist es, für betreuende und pflegende Angehörige gute Rahmenbedingungen zu schaffen. Mittels passenden Unterstützungs- und Entlastungsangeboten soll den betreuenden und pflegenden Angehörigen ein nachhaltiges Engagement ermöglicht und Überforderungen innerhalb der Familien möglichst vermieden werden. Wenn Erwerbstätige ihr Arbeitspensum vorübergehend reduzieren oder eine Auszeit nehmen wollen, sollte dies ermöglicht werden, ohne dass sie dadurch ihre wirtschaftliche Grundlage oder ihre berufliche Laufbahn gefährden. Die Umsetzung der Massnahmen des Aktionsplans erfolgt im Rahmen der bestehenden Kompetenzverteilung zwischen Bund und Kantonen.
Chur, 11. Februar 2015
Caduff, Holzinger-Loretz, Albertin, Alig, Berther, Brandenburger, Buchli-Mannhart, Burkhardt, Caluori, Casanova (Ilanz), Casutt-Derungs, Cavegn, Caviezel (Davos Clavadel), Crameri, Darms-Landolt, Della Vedova, Dosch, Engler, Epp, Felix (Scuol), Florin-Caluori, Gunzinger, Heiz, Hitz-Rusch, Kappeler, Kasper, Kunfermann, Kunz (Chur), Mani-Heldstab, Märchy-Caduff, Mathis, Michael (Donat), Müller, Nay, Niederer, Niggli (Samedan), Niggli-Mathis (Grüsch), Noi-Togni, Paterlini, Sax, Schneider, Steck-Rauch, Stiffler (Davos Platz), Stiffler (Chur), Tenchio, Thomann-Frank, Tomaschett (Breil), Tomaschett-Berther (Trun), von Ballmoos, Waidacher, Weber, Widmer-Spreiter, Wieland, Andri, Derungs, Föhn, Lauber, Lombardi, Stäbler, Tuor
Antwort der Regierung
Der am 5. Dezember 2014 erschienene Bericht des Bundesrates "Unterstützung für betreuende und pflegende Angehörige" http://www.bag.admin.ch enthält eine Situationsanalyse auf nationaler Ebene und zeigt den Handlungsbedarf für die Schweiz auf. Gestützt auf den festgestellten Handlungsbedarf enthält der Bericht einen Aktionsplan zur Unterstützung und Entlastung betreuender und pflegender Angehöriger. Ziel des Aktionsplans ist es, für betreuende und pflegende Angehörige gute Rahmenbedingungen zu schaffen. Der Aktionsplan des Bundes umfasst entsprechend nicht nur die in der Kompetenz des Bundes liegenden Massnahmen, sondern alle aus Sicht des Bundes sinnvollen Massnahmen, das heisst auch Massnahmen, die nur gemeinsam mit den Kantonen, den Gemeinden und privaten Organisationen oder gar nur durch diese selbst umgesetzt werden können.
Konkret sieht der Aktionsplan des Bundesrats folgende Massnahmen vor:
- Bereitstellen von allgemeinen und von praktischen Informationen
- Sensibilisieren der Unternehmen
- Verbessern der Datengrundlagen
- wissensbasierte Erkenntnisse erweitern
- Entwickeln von Qualitätsstandards für die Pflege zu Hause sowie für die Entlastungsangebote
- finanzielle Entlastungsmöglichkeiten für kostenintensive Entlastungsangebote prüfen
- bessere Rechtssicherheit bei kurzen Arbeitsabwesenheiten prüfen
- Ausweitung der Betreuungsgutschriften der AHV prüfen
- Erlass einer rechtlichen Grundlage für einen Betreuungsurlaub – mit oder ohne Lohnfortzahlung – oder alternative Unterstützungsmöglichkeiten für längere pflegebedingte Abwesenheiten prüfen
- Möglichkeiten zur Sicherstellung des Kündigungsschutzes während des Betreuungsurlaubs prüfen
Ziel des mit dem vorliegenden Auftrag anvisierten kantonalen Aktionsplans ist es, für betreuende und pflegende Angehörige gute Rahmenbedingungen zu schaffen. Der kantonale Aktionsplan würde damit praktisch die gleichen Massnahmen beinhalten wie der Aktionsplan des Bundes.
Die vom DJSG erarbeitete Informationsschrift "Pflegende Angehörige in Graubünden" zeigt die Bedeutung der pflegenden Angehörigen für das Gesundheitswesen des Kantons auf und würdigt deren Leistungen und deren Beitrag zur Gesundheitsversorgung des Kantons. Sie vermittelt den pflegenden Angehörigen zudem Informationen zu den Angeboten, die sie bei der Pflege und Betreuung ihrer Angehörigen entlasten können. Im dritten Teil der Informationsschrift wird aufgezeigt, welche Aktivitäten der Bund und der Kanton unternommen haben oder in nächster Zeit realisieren, um die pflegenden Angehörigen zu unterstützen.
Gemäss der Informationsschrift hat der Kanton folgende in seinem Bereich liegenden Massnahmen ergriffen, um pflegende Angehörige zu entlasten und zu unterstützen:
- Ermächtigung der Spitex-Dienste zur Anstellung von pflegenden Angehörigen
- Erteilung eines Leistungsauftrags an das Rote Kreuz Graubünden zur Führung einer Informations- und Beratungsstelle für pflegende Angehörige
- Erteilung eines Leistungsauftrags an die Sektion Graubünden der Schweizerischen Alzheimervereinigung zur Unterstützung von demenzkranken Menschen und der sie betreuenden Angehörigen
- Erteilung eines Leistungsauftrags an den Verein "palliative gr" zur Unterstützung von pflegenden Angehörigen von Menschen in palliativen Betreuungssituationen
- Einrichtungen des Informationsportals "Wegweiser Alter Graubünden"
- Institutionalisierung des Bündner Forums für Altersfragen
- Würdigung der Arbeit der pflegenden Angehörigen durch Publikation einer entsprechenden Informationsschrift
- Institutionalisierung von periodischen Treffen mit dem Bündner Seniorenrat
Als weitere Massnahme prüft der Kanton die Schaffung von Anreizen zur Bereitstellung von Ferienbetten in den Alters- und Pflegeheimen.
Es macht aus Sicht der Regierung wenig Sinn, wenn der Kanton wie im Auftrag gefordert in Ergänzung der von ihm ergriffenen und geplanten Massnahmen einen kantonalen Aktionsplan mit praktisch identischen Zielen wie der Aktionsplan des Bundes erstellt, umso mehr als die Umsetzung der im Auftrag angesprochenen Bereiche nur zu einem geringen Teil in der Kompetenz des Kantons liegt. Aus diesem Grund und unter Hinweis auf den umfassenden Katalog der bereits vom Kanton ergriffenen Massnahmen beantragt die Regierung dem Grossen Rat, den vorliegenden Auftrag nicht zu überweisen, zumal darin keine weiteren konkret zu ergreifenden Massnahmen ersichtlich sind.
1. Mai 2015