Die Zahl der unbegleiteten minderjährigen Asylbewerber (UMA) hat sich in Graubünden mehr als verdoppelt. UMA‘s sind minderjährige Asylsuchende, die sich ohne elterliche Sorge in der Schweiz befinden. Der Kanton reagierte im September 2014 auf die neue Herausforderung. Im Transitzentrum (TRZ) “Landhaus” in Davos Laret wurde ein eigener Heimtrakt für die UMA‘s realisiert.
Den Kindern und Jugendlichen in der Schweiz, welche nicht von ihren Eltern betreut werden können, steht ein Vormund zu. Dieser wird durch die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) ernannt. Es gilt die nicht widerlegbare gesetzliche Vermutung, dass ein minderjähriges Kind schutzbedürftig ist. Die Behörde hat demnach diesbezüglich keinen Ermessensspielraum. Die KESB Prättigau / Davos beginnt ab sofort Massnahmen zu errichten und die Berufsbeistandschaft Prättigau / Davos wird Mandatsträger. Es entstehen Verfahrenskosten, Mandatsträgerentschädigungen und Platzierungskosten.
Mit Datum eines positiven Asylentscheides findet ein Zuständigkeitswechsel für die Betreuung und Existenzsicherung vom Kanton zur jeweiligen Gemeinde statt. Davos ist daher als Standortgemeinde mit einem schon jetzt hohen Finanzierungsbedarf belastet. Zudem besteht derzeit keine Betreuungslösung für die UMA‘s als Anschlusslösung an das TRZ in Laret nach Erhalt eines positiven Entscheides. Anerkannte Flüchtlinge sowie auch vorläufig aufgenommene Flüchtlinge, welche erst kürzlich die Volljährigkeit erreicht haben, jedoch erst seit kurzer Zeit in der Schweiz leben, haben ebenfalls einen erhöhten Bedarf an Unterstützung und Betreuung. Dies bedeutet, dass unter Berücksichtigung der gesetzlichen Grundlagen, Davos als Standortgemeinde eines Transitzentrums mit einer UMA Struktur unverhältnismässiger finanzieller Belastung ausgesetzt wäre, ohne dass eine Ausgleichszahlung durch den Kanton oder andere Gemeinden erfolgen würde.
Wir bitten die Regierung, folgende Fragen zu beantworten:
1. Die Sprach und Bildungsförderung für die UMA‘s wird in der Schule St. Catharina in Cazis praktiziert. Erachten Sie Davos unter diesen Voraussetzungen als richtigen Ort für die Platzierung und Betreuung der UMA‘s?
2. Die anfallenden Kosten können für die Standortgemeinde Davos (z.B. durch Fremdplatzierungen, Mandatsträgerentschädigungen, Verfahrenskosten etc.) exorbitant steigen. Findet eine entsprechende Entschädigung durch den Kanton statt?
3. Eine Wohn- und Betreuungsstruktur muss nach einem positiven Asylentscheid gewährleistet werden. Es gibt nicht ausreichend verfügbare Plätze hierfür. Stellt der Kanton eine Wohn- und Betreuungsmöglichkeit mit entsprechenden personellen Ressourcen bereit?
4. Würde sich der Kanton an einem Neubau, oder an einem Umbau eines bestehenden Gebäudes, zwecks Unterbringung und Betreuung der UMAS‘s finanziell beteiligen?
Chur, 11. Februar 2015
Caviezel (Davos Clavadel), Mani-Heldstab, Casanova (Ilanz), Albertin, Alig, Baselgia-Brunner, Bleiker, Bucher-Brini, Buchli-Mannhart, Burkhardt, Cahenzli-Philipp, Casty, Casutt-Derungs, Caviezel (Chur), Danuser, Darms-Landolt, Della Vedova, Engler, Epp, Florin-Caluori, Giacomelli, Hardegger, Heiz, Hitz-Rusch, Holzinger-Loretz, Hug, Jaag, Jeker, Jenny, Kasper, Koch (Tamins), Koch (Igis), Kollegger, Kunfermann, Kuoni, Locher Benguerel, Märchy-Caduff, Michael (Donat), Michael (Castasegna), Müller, Nay, Niggli-Mathis (Grüsch), Noi-Togni, Pedrini, Perl, Peyer, Pfenninger, Pult, Rosa, Salis, Steiger, Stiffler (Davos Platz), Stiffler (Chur), Tenchio, Thomann-Frank, Thöny, Tomaschett (Breil), Tomaschett-Berther (Trun), Toutsch, Valär, Vetsch (Klosters Dorf), Vetsch (Pragg-Jenaz), von Ballmoos, Waidacher, Widmer-Spreiter, Wieland, Calonder, Lauber, Stäbler, Tuor
Antwort der Regierung
Angesichts des Anstiegs von Zuweisungen an unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden (UMA’s) werden seit Herbst 2014 alle UMA’s im Transitzentrum (TRZ) Landhaus in Davos Laret untergebracht. Einerseits, weil sich die Betreuungsstrukturen und die Liegenschaft gut dafür eignen, andererseits, weil das TRZ Landhaus über die erforderlichen eigenen Schulstrukturen verfügt und so die schulpflichtigen UMA’s in der Schulklasse im TRZ Landhaus integriert werden können. Alle nicht mehr schulpflichtigen, älteren UMA’s werden primär im Erwerb der deutschen Sprache gefördert.
Zu Frage 1: Für praktisch alle UMA’s (mit Ausnahme der schulpflichtigen UMA’s) müssen niederschwellige Deutschkurse als Vorstufe organisiert werden. Das einzige Angebot dieser Art gibt es im Kanton Graubünden derzeit in der Klosterschule St. Catharina, Cazis. Im Hinblick auf den Standortentscheid zur Schaffung der Strukturen für UMA’s wurden selbstverständlich Überlegungen hinsichtlich der Distanz miteinbezogen. Höher ins Gewicht fiel allerdings, dass die UMA’s-Struktur ausschliesslich an einem Standort mit einer in einer Kollektivunterkunft geführten Schule des Asylbereiches sinnvoll ist. Zurzeit bestehen solche eigenen Schulbetriebe in Schluein und Davos.
Zu Frage 2: Die Unterbringung und Betreuung von asylsuchenden Personen sowie die Integration der vorläufig Aufgenommenen werden vom Bund mittels Globalpauschalen abgegolten. Sie belasten den Kanton und die Gemeinden deshalb finanziell erst bei der Anerkennung als Flüchtling. Trotzdem kann es bei Gemeinden mit einem Asylzentrum zu Aufwendungen kommen (Verwaltungsaufwand, Beiträge an interkommunale Kooperationen, polizeiliche Einsätze etc.). Den vier Gemeinden mit Transitzentren (Davos, Schluein, Cazis und Chur) werden ab dem Jahr 2013 Mehrbelastungen im Sinne einer Übergangslösung durch eine Pauschalentschädigung von insgesamt 100 000 Franken pro Jahr abgegolten. Für das Jahr 2015 werden den Gemeinden Davos (für die Inbetriebnahme des Reserveobjekts TRZ Schiabach) und Laax (TRZ Rustico) ebenfalls je 25 000 Franken bezahlt. Ab 1. Januar 2016 wird die Finanzausgleichsreform den Belastungen Rechnung tragen, indem die ständige Wohnbevölkerung als Berechnungsgrundlage für den Ressourcenausgleich sowie den Gebirgs- und Schullastenausgleich berücksichtigt wird. Darin eingeschlossen sind auch Personen im Asylstatus, sobald ihre Aufenthaltsdauer mindestens zwölf Monate beträgt. Zudem wird im Rahmen des Finanzausgleichs ab 1.1.2016 die stark unterschiedliche und teilweise erhebliche Belastung von Gemeinden durch den Unterricht fremdsprachiger Kinder finanziell mit zusätzlichen Beiträgen in der Höhe von rund 2,1 Millionen Franken abgegolten. Insgesamt findet so ein starker Ausgleich zugunsten der belasteten Gemeinden statt.
Zu Frage 3: Erst nach einem positiven Asylentscheid wird den Minderjährigen ein Vormund zur Seite gestellt, wie dies auch bei Schweizer Staatsangehörigen in vergleichbaren Situationen der Fall ist. Die Leistungen gemäss Unterstützungsgesetz kommen, sofern nötig, zum Tragen. Die zuständige Sozialbehörde bestimmt Art und Mass der Unterstützung nach dem ausgewiesenen Bedarf unter Würdigung der örtlichen und persönlichen Verhältnisse. Die Unterstützungspflicht obliegt der politischen Gemeinde, in welcher die bedürftige Person ihren Wohnsitz hat. Für nicht erwerbstätige Flüchtlinge vergütet der Bund längstens während 5 Jahren ab Einreise die Sozialhilfekosten in Form einer Globalpauschale. Es ist bisher nicht vorgesehen, dass der Kanton Wohn- und Betreuungsmöglichkeiten mit entsprechenden personellen Ressourcen bereitstellt, er beteiligt sich an den Nettoaufwendungen der Gemeinden gemäss dem Gesetz über den Lastenausgleich für bestimmte Sozialleistungen. Ab 1.1.2016 kommen auch hier die Bestimmungen gemäss der Reform des Bündner Finanzausgleichs zum Tragen.
Zu Frage 4: Wie die Unterbringung nach der Anerkennung als Flüchtling erfolgen soll, bleibt zu klären. Angesichts der sehr vielschichtigen und anspruchsvollen Betreuungsaufgaben scheint eine individuelle Unterbringung in Pflegefamilien nur in Einzelfällen realistisch. Es verbleibt die Unterbringung der Jugendlichen in einer zentralen Infrastruktur oder ein Ausbau der Betreuung in den Strukturen des Amtes für Migration zu Lasten der Gemeinde, bis ein Folgeangebot aufgebaut ist. Dies wird teilweise auch bei erwachsenen Personen und Familien praktiziert, bis durch die Sozialdienste eine geeignete Wohnung gefunden werden kann. Sofern es die Kapazitäten der TRZ erlauben, können die anerkannten Flüchtlinge im Asylzentrum bleiben. Die Fragen im Zusammenhang mit der Unterbringung und Betreuung der UMA’s nach ihrer Anerkennung als Flüchtling werden interdepartemental im Rahmen eines Konzepts aufgearbeitet.
06. Mai 2015