Im Winter 2014/2015 wurde der Lukmanierpass zum fünfzehnten Mal über Winter offen gehalten. Eine Vereinbarung zwischen den Kantonen Graubünden und Tessin sowie dem für den Strassenunterhalt zuständigen Verein Pro Lucmagn über die Winteröffnung, regelt auf unbefristete Zeit den winterlichen Betrieb des Lukmanierpasses.
Die Winteröffnung bringt der Surselva und dem Bleniotal sowohl wirtschaftliche als auch soziokulturelle Vorteile. Zudem ist der Lukmanierpass aus topografischer Sicht und für die Erreichbarkeit der Surselva und ihre touristischen Gebiete (vor allem Sedrun-Andermatt/Disentis/Breil-Brigels-Waltensburg/Obersaxen-Mundaun) von immenser Bedeutung. Während der langen Wintermonate ist der Lukmanierpass die einzige Verbindung der Surselva mit dem Tessin und mit Norditalien.
Die Lawinenaktivität auf dem Lukmanierpass ist ausserordentlich gross. Im Winter 2013/2014 waren zum Beispiel 71 Lawinenniedergänge bis auf die Passstrasse zu verzeichnen (57 spontan, 14 gesprengt). Von anfangs November bis Ende April 2013/2014 war die Passstrasse an 131 Tagen offen und an 50 Tagen geschlossen. Die Unberechenbarkeit der Natur führt zu Unsicherheiten bei den Gästen und hält diese teilweise von einer Fahrt in die Surselva ab. Die Sicherheit könnte nebst baulichen Massnahmen schon mit bescheidenen Investitionen in permanente Lawinensprengungen auch auf der Tessiner Seite sofort markant erhöht werden.
Aufgrund der grossen Bedeutung dieser Verbindung ersuchen die Unterzeichneten die Regierung (wenn nötig mit dem Kanton Tessin) weitere Massnahmen einzuleiten, um die Schliesstage des Lukmanierpasses markant und sofort reduzieren zu können.
Die Regierung wird aufgefordert, die zukünftige Ausbaustrategie des Lukmanierpasses mit der Tessiner Regierung festzulegen und diese im Strassenbauprogramm 2017/2020 aufzunehmen, sowie weitere effiziente Massnahmen einzuleiten.
Chur, 21. April 2015
Blumenthal, Cajacob, Tomaschett (Breil), Albertin, Alig, Buchli-Mannhart, Caduff, Casutt-Derungs, Crameri, Darms-Landolt, Dosch, Epp, Fasani, Felix (Haldenstein), Geisseler, Kunfermann, Märchy-Caduff, Niederer, Sax, Tenchio, Tomaschett-Berther (Trun), Cantieni, Heini
Antwort der Regierung
Der Lukmanierpass wird seit dem Winterhalbjahr 2000/2001 durch den Verein Pro Lucmagn offengehalten. Im Jahr 2010 wurde der Ablauf der Versuchsphase zum Anlass genommen, die Risikoanalyse, welche 1998 durch das SLF erstellt wurde, zu aktualisieren. Die daraus resultierenden Erkenntnisse sind insbesondere:
Reduzierung der Schliesstage
Der Lukmanierpass wird mit den Massnahmen «Sperren» (Südseite) sowie «Sperren & Sprengen» (Nordseite) offengehalten. Dadurch konnte die Anzahl Tage, an welchen der Pass geschlossen ist, von durchschnittlich 155 auf 37 reduziert werden. Die geringe Anzahl von Lawinen auf die geöffnete Strasse weist darauf hin, dass das gewählte Konzept zur Sicherung der Passstrasse richtig war. Die im Vergleich zu den Prognosen tiefere Anzahl Sperrtage (nur auf Grund von Lawinen) zeigt, dass der Pass bei entsprechend hoher Sicherheit möglichst lange geöffnet war. Trotzdem muss festgehalten werden, dass das Sicherungskonzept grundsätzlich von der Beurteilung und den getroffenen Massnahmen durch die für die Sicherheit verantwortlichen Personen abhängig ist.
Die grosse Variabilität der Öffnungszeiten von Jahr zu Jahr (8 Schliesstage im Minimum, 126 Schliesstage im Maximum) zeigt, wie stark die Winteröffnung mit den gewählten Massnahmen von den Witterungs- und Schneeverhältnissen abhängig ist. Mit weiteren organisatorischen Massnahmen könnte die Nachtsperrung allenfalls um rund 6 Sperrnächte reduziert werden. Dies wäre allerdings mit nicht verhältnismässigen Kosten verbunden.
Die Hauptrisiken bergen die Lawinenzüge 30 und 34 (nördlich der Scopi-Galerie, GR) sowie S13 (Acquacalda, TI). Diese drei Lawinenzüge sind für fast die Hälfte der Ausgangsrisiken verantwortlich. Der Bau von Galerien in diesen Lawinenzügen würde deshalb zu Verbesserungen bezüglich Konstanz und Verlängerung der Öffnungszeiten führen. Dem stehen jedoch die hohen Kosten für solche Vorkehrungen gegenüber. Für die Umsetzung von Massnahmen darf grundsätzlich nicht nur ein einzelner Lawinenzug beurteilt werden, da unter ähnlichen Witterungs- und Schneeverhältnissen mehrere Lawinenzüge sich als gleich problematisch erweisen. Aus diesem Grund machen bauliche Massnahmen nur Sinn, wenn bei sämtlichen kritischen Lawinenzügen die gewählten Lösungen als Gesamtkonzept aufeinander abgestimmt sind. Aufgrund der SLF-Studie werden die Kantone Graubünden und Tessin die vorgeschlagenen Lösungen, insbesondere auch bezüglich der Kosten, vertieft prüfen.
Ausbaustrategie am Lukmanierpass
Die Kantone Graubünden und Tessin müssen in den kommenden 20 Jahren erhebliche Finanzmittel für die Werterhaltung der Lukmanierstrasse zwischen Disentis/Mustér und Olivone aufwenden. Auf der Bündner Seite des Passes sind Instandsetzungsmassnahmen an zahlreichen Kunstbauten und an der Fahrbahn für über 70 Mio. Franken erforderlich. Der Kanton Tessin ist momentan daran, ein Instandsetzungskonzept für die Strecke Olivone bis Passhöhe auszuarbeiten. Der Investitionsbedarf kann noch nicht genau abgeschätzt werden. Er dürfte aber auch im zweistelligen Millionenbereich liegen. Angesichts dieses bereits hohen Investitionsbedarfs für die Instandsetzung der Lukmanierstrasse ist ein weiterer Ausbau zur Verbesserung der Wintersicherheit kurz- und mittelfristig schwierig zu bewerkstelligen.
Die Regierung ist bereit, den Auftrag im Sinne der Erwägungen entgegenzunehmen und unterstützt ihn insofern, als die vorgeschlagenen Lösungen bezüglich der Lawinenzüge 30 und 34 auf Bündner Territorium vertieft geprüft werden sollen. Im Strassenbauprogramm 2017 - 2020 sollen die umfangreichen Instandsetzungsmassnahmen an der bestehenden Strasseninfrastruktur zudem mitberücksichtigt werden.
03. Juni 2015