Navigation

Inhaltsbereich

Session: 17.06.2015
Im Kanton Graubünden lebt rund die Hälfte der in der Schweiz vorkommenden Hirsche. Der Frühlingsbestand an Rotwild beträgt auch im 2015 mehr als 15‘000 Hirsche, rund 15‘000 Rehe, um die 24‘000 Gämsen und rund 6‘000 Stück Steinwild. Bereits im Frühling 2014 wurde der Hirschbestand auf über 15‘000 Tiere geschätzt und hat damit seine tragbare Grösse erreicht.

Die hohen Schalenwildbestände verunmöglichen gebietsweise eine natürliche Verjüngung. Die nachhaltige Entwicklung des Waldes wird dadurch erheblich gestört, muss aber zwingend auch unter den Einwirkungen des Wildes langfristig gesichert werden können. In einigen Gebieten Graubündens haben die Wildschäden am Wald einen kritischen Stand erreicht – teilweise ist bereits ein Ausfall einzelner Baumarten zu verzeichnen. Die hohen Wildbestände können nur mithilfe der Jagd und den Grossraubtieren stabilisiert und wo notwendig reduziert werden. Der Handlungsspielraum für die Bejagung des Hirsches darf keinesfalls eingeschränkt werden.

Damit der Wald für die Zukunft auf natürliche Art und Weise klimafit bleibt und der waldbauliche Handlungsspielraum voll ausgeschöpft werden kann, ist die Verfügbarkeit des gesamten standortgerechten Baumartenspektrums zwingend notwendig. Seit mehreren Jahrzehnten kommt beispielswiese auch innerhalb des natürlichen Verbreitungsgebietes keine ausreichende Weisstannenverjüngung mehr auf. Der Verbiss durch das Schalenwild ist für die empfindliche Weisstanne vielerorts zu hoch. Der Weisstanne kommt aber für Schutzwirkung des Waldes eine überragende Bedeutung zu, insbesondere auch in Graubünden, wo rund zwei Drittel des Waldes namentlich vor Naturgefahren schützen.

Aus diesem Grund stellen die Unterzeichnenden folgende Fragen an die Regierung:

1. Teilt die Regierung die Meinung, dass der Wildbestand im Kanton Graubünden seine tragbare Grösse überschritten hat?

2. Wie hoch waren die Kosten der Wildschäden der letzten 10 Jahre in der Wald- und in der Landwirtschaft?

3. Wie hoch waren die Ausgaben für Wildschutz- bzw. Wildschadensverhütungsmassnahmen im Wald während der letzten 10 Jahre?

4. Wann werden die Wald-Wild Berichte überarbeitet und mit neuen Daten aktualisiert?

5. Können mit den heutigen Schalenwildbeständen die Anforderungsprofile nach NaiS (Nachhaltigkeit im Schutzwald) für die Baumartenvielfalt in der Waldverjüngung mehrheitlich, das heisst auf über 75% der Fläche im Schutzwald erfüllt werden, wie das der Jahresbericht Jagd 2014 glauben macht?

6. Wie sieht die heutige Baumartenvielfalt in der Waldverjüngung im Schutzwald aus? Hat diese im Vergleich zu den Altbäumen in den letzten Jahrzehnten zu- oder abgenommen?

7. Welche Bedeutung/Rolle misst die Regierung den Grossraubtieren Wolf und Luchs zur Regulierung des Schalenwildes mit Blick auf einen klimafitten Schutzwald zu?

Arosa, 17. Juni 2015

Deplazes, Atanes, Baselgia-Brunner, Bucher-Brini, Cahenzli-Philipp, Caviezel (Chur), Gartmann-Albin, Jaag, Kappeler, Locher Benguerel, Monigatti, Noi-Togni, Perl, Peyer, Pfenninger, Pult, Thöny, von Ballmoos

Antwort der Regierung

In Graubünden hat der Wald vor allem im Hinblick auf den Schutz vor Naturgefahren eine massgebende Bedeutung. Zwei Drittel des Waldes schützen direkt oder indirekt Siedlungen und Infrastrukturen. Um diese Funktion nachhaltig erfüllen zu können, muss die natürliche Verjüngung des Waldes auch mittel- und langfristig gewährleistet sein.

1. Der Hirschbestand beläuft sich derzeit in Graubünden auf rund 16'000 Tiere, der Rehbestand auf rund 15'000 Tiere, der Gämsbestand auf rund 24'000 Tiere und der Steinwildbestand auf rund 6'000 Tiere. Insbesondere ist der Hirschbestand eindeutig zu hoch und muss mit der Jagd nachhaltig reduziert werden.

2. In der Landwirtschaft beliefen sich die Wildschäden im Durchschnitt der letzten zehn Jahre auf 70 600 Franken pro Jahr. Die Beiträge für Wildschäden im Wald werden nicht separat ausgewiesen, sondern sind im Betrag für Massnahmen zur Verhütung von Wildschäden im Wald enthalten (nachfolgend Ziffer 3).

3. Im Rahmen von Forstprojekten sind zwischen 2005 bis 2014 durchschnittlich 758 100 Franken pro Jahr für Massnahmen zur Wildschadenverhütung aufgewendet worden. Dazu gehören Zäune, technische Verbiss-, Fege- und Schälschutzmassnahmen, aber auch Massnahmen zur Verbesserung der Lebensraumqualität für das Schalenwild (Biotophege, Waldauflichtungen usw.).

4. Die Revision der Wald-Wild-Berichte wird im Jahr 2016 eingeleitet. Damit verbunden sind intensivierte Erhebungen zur Jungwald- und Wildschadensituation. Künftig ist zudem vorgesehen, die Wald-Wild-Berichte nach Möglichkeit alle sieben Jahre zu überarbeiten.

5. Die Anforderungsprofile nach NaiS (Nachhaltigkeit im Schutzwald) geben die waldbaulichen Ziele für die Schutzwaldpflege in Abhängigkeit vom Standort und den Naturgefahren vor. Gemäss den einschlägigen Richtlinien des Bundes dürfen Wildschäden die 25-Prozent-Flächengrenze nicht übersteigen. Im Jahr 2014 betrug dieser Wert rund 17 Prozent und lag somit noch im tolerierbaren Rahmen. Örtlich und regional wird dieser Wert jedoch überschritten. Dies gilt insbesondere in Gebieten mit Weisstannenbeständen.

6. Erfahrungen vor Ort, aber auch Jungwalderhebungen in ausgewählten Verjüngungsflächen und Kontrollzäunen zeigen, dass mit dem steigenden Einfluss des Wildes die verbissempfindlichen Baumarten (Weisstanne, Eibe, Bergahorn, Vogelbeere usw.) zurückgedrängt werden. Dies führt in den betroffenen Gebieten zu einer Verarmung in der Baumartengarnitur. Dieser Problematik wird daher ein besonderes Augenmerk gewidmet.

7. Im Zusammenhang mit den auftretenden Grossraubtieren muss ein gesamtheitlicher Ansatz verfolgt werden. Neben dem Schutz der Grossraubtiere und der Artenvielfalt müssen auch die Interessen der Landwirtschaft, die jagdliche Nutzung des Wildes, die öffentliche Sicherheit und die touristischen Interessen gleichwertig berücksichtigt werden. Die Regulierung des Wildes soll daher auch künftig mit der Jagd erfolgen und nicht durch die Raubtiere Wolf und Luchs.

Die Regierung wird in Anbetracht der grossen Bedeutung des Waldes auch künftig die nötigen Vorkehrungen treffen, damit die natürliche Waldverjüngung im Rahmen des 25-Prozent-Flächenperimeters gewährleistet bleibt.

02. September 2015