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Session: 19.04.2016

Für Menschen mit Behinderung bestehen zahlreiche Barrieren bei der politischen Meinungsbildung und bei der Ausübung des Stimm- und Wahlrechts.

  

So ist für viele Personen mit einer Sinnes- oder Körperbehinderung zum heutigen Zeitpunkt eine geheime Stimmabgabe nicht möglich.

 

Eine barrierefreie elektronische Stimmabgabe oder Wahlschablonen könnten dem Problem entgegenwirken. Barrierefreie Informationen für Wahlen und Abstimmungen würden die autonome Meinungsbildung für Menschen mit Behinderung ermöglichen.

 

Basel-Stadt ist landesweit der erste Kanton, der die elektronische Stimmabgabe für Menschen mit Behinderung ermöglicht.

 

Die Ausdehnung von E-Voting für Menschen mit Behinderung entspricht zudem der Strategie des Bundesrates für die Einführung der elektronischen Stimmabgabe.

 

Die Unterzeichnenden bitten die Regierung nun um die Beantwortung folgender Fragen:

 

1. Wann wird E-Voting in unserem Kanton eingeführt?

 

2. Ist bei der Einführung vorgesehen, Massnahmen zu schaffen, um es auch Menschen mit Behinderung zu ermöglichen, an Wahlen und Abstimmungen teilzunehmen?

 

3. Falls ja, wie sehen diese Massnahmen aus?

 

4. Falls nein, wie begründet die Regierung eine Ablehnung dieses Anliegens?

 

Chur, 19. April 2016

 

Gartmann-Albin, Bondolfi, Atanes, Baselgia-Brunner, Bucher-Brini, Burkhardt, Cahenzli-Philipp, Caluori, Casanova (Ilanz), Cavegn, Caviezel (Chur), Della Vedova, Deplazes, Fasani, Felix (Haldenstein), Gunzinger, Hardegger, Jaag, Jeker, Joos, Koch (Tamins), Kunfermann, Kunz (Chur), Kuoni, Lorez-Meuli, Mani-Heldstab, Niederer, Niggli-Mathis (Grüsch), Noi-Togni, Papa, Pedrini, Perl, Peyer, Pfenninger, Pult, Stiffler (Davos Platz), Tenchio, Thöny, Tomaschett-Berther (Trun), Vetsch (Pragg-Jenaz), von Ballmoos, Widmer-Spreiter, Wieland, Cao, Degiacomi, Sigron, Tuor

Antwort der Regierung

Der Kanton Graubünden testete E-Voting im Rahmen des Consortiums Vote électronique von 2010 bis Juni 2015. Nachdem die Bundeskanzlei am 12. August 2015 dem E-Voting-System des Consortiums die Bewilligung für die Nationalratswahlen nicht erteilte, beschloss das Consortium, sein E-Voting-System nicht weiter zu entwickeln und sich aufzulösen. Die Bündner Regierung ist aber nach wie vor an der Einführung von E-Voting zu annehmbaren Bedingungen interessiert. Als Folge davon sieht das Regierungsprogramm 2017-2020 unter dem Entwicklungsschwerpunkt "Digitalisierung" als Massnahme das Eingehen neuer Kooperationen vor, um E-Voting im Kanton Graubünden flächendeckend für alle Stimmberechtigen und für alle staatlichen Ebenen zu ermöglichen (Botschaftenheft Nr. 12/2015-2016, S. 846).

Zu Frage 1
Wie bereits in der Fragestunde der Aprilsession 2016 zu den von Grossrat Tino Schneider gestellten Fragen ausgeführt, ist nach Auffassung der Regierung zunächst in Zusammenarbeit mit der Bundeskanzlei anzustreben, dass die Versuchsphase mit E-Voting, die insgesamt mehr als zehn Jahre dauert, abgeschlossen wird. E-Voting soll definitiv als dritter komplementärer Stimmkanal institutionalisiert werden. Auf ein Übergangsangebot (beispielsweise beschränkt auf Auslandschweizer oder auf Menschen mit Behinderungen) wird verzichtet. Beschafft werden soll ein System, das den höchsten Sicherheitsstandard der universellen Verifizierbarkeit bietet, und das allen Stimmberechtigten auf allen staatlichen Ebenen zugänglich ist. Die Post zusammen mit dem Kanton Neuenburg und der Kanton Genf bieten solche Systeme an. Der Zeitplan sieht im Idealfall so aus, dass der Grosse Rat im Juni 2017 in Kenntnis der erforderlichen Ressourcen und der benötigten finanziellen Mittel über die notwendigen Gesetzesänderungen befinden kann. Die konkrete Beschaffung des E-Voting-Systems soll bis anfangs 2018 erfolgen. Nach einer kurzen Pilotphase mit ausgewählten Gemeinden erfolgt die flächendeckende Einführung von E-Voting spätestens 2020.

Zu Fragen 2 - 4
Menschen mit Behinderungen sind in der Planung bisheriger und künftiger E-Voting-Plattformen eine erklärte Zielgruppe. Der Kanton Graubünden hat sich bereits bisher für diese engagiert und zusammen mit andern Kantonsvertretern das Consortiums-System in einer Unterarbeitsgruppe für barrierefreies E-Voting vertreten. Die Arbeitsgruppe setzte sich zusammen aus Vertretern von Behindertenorganisationen, des eidgenössischen Gleichstellungsbüros EBGB, der Bundeskanzlei und Vertretern der E-Voting-Plattformen. Es wurde festgelegt, dass E-Voting-Systeme die Anforderungen nach eCH-Standard 0059 (eGovernment Standards Verein Schweiz) erfüllen müssen. Dieser Standard lehnt sich an die P028 (Version 2.0), Richtlinien des Bundes für die Gestaltung von barrierefreien Internetangeboten an, welche sich wiederum nach den international anerkannten Web Content Accessibility Guidelines WCAG 2.0 des World Wide Web Consortium W3C richten. Die Umsetzung dieser Richtlinien ermöglicht es, dass alle Nutzer auf das Internetangebot zugreifen können, unabhängig ihrer Einschränkungen. Eine wichtige Erkenntnis der Arbeitsgruppe war, dass gesonderte Lösungen für Menschen mit Behinderungen zwar möglich sind, solche jedoch auch im Sinne der Behinderten nicht anzustreben sind. Im Vordergrund muss vielmehr die Selbständigkeit aller Menschen stehen. Alle Massnahmen, welche getroffen werden, sollen im Sinne einer Vereinfachung allen Nutzenden zu Gute kommen. Das papierlose E-Voting wird dabei ein ganz wichtiger Schritt in diese Richtung sein.

Art. 27g der Verordnung über die politischen Rechte (VPR, SR 161.11) des Bundes schreibt vor, dass der Prozess der elektronischen Stimmabgabe so auszugestalten ist, dass die Bedürfnisse von Stimmberechtigten, die aufgrund einer Behinderung ihre Stimme nicht autonom abgeben können, berücksichtigt werden. Art. 2 der Verordnung der Bundeskanzlei über die elektronische Stimmabgabe (VEles, SR 161.116) knüpft die Zulassung der elektronischen Stimmabgabe u.a. an die Voraussetzung, dass das System für die Stimmberechtigten einfach zu handhaben ist, wobei die besonderen Bedürfnisse möglichst aller Stimmberechtigten zu berücksichtigen sind. Der Kanton Graubünden wird die in der Unterarbeitsgruppe „Barrierefreie E-Voting-Systeme“ festgelegten Massnahmen und Standards bei der Auswahl eines neuen E-Voting-Systems beachten und damit den bundesrechtlichen Vorgaben nachkommen. Ein neues E-Voting-System für den Kanton Graubünden wird hohe Anforderungen bezüglich Nutzbarkeit und Zugänglichkeit erfüllen müssen. Die selbstständige Teilnahme aller Menschen an den politischen Rechten zu ermöglichen, ist ein erklärtes Ziel. Dabei ist es wichtig, dass das künftige E-Voting-System des Kantons Graubünden für jeden einfach zu bedienen und zugleich sicher ist.

08. Juni 2016