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Session: 18.10.2016

In der Schweiz nimmt die Zahl pflegebedürftiger Menschen zu. Immer häufiger wünschen sich diese Menschen, ihren Lebensabend zu Hause zu verbringen und nicht in einem Pflegeheim. Eine 24-Stunden-Rundumbetreuung, wie sie Schweizer Einrichtungen anbieten, kann bis zu 10'000 Fr. pro Monat kosten. Dies ist für viele unerschwinglich. Deshalb beschäftigen immer mehr Schweizer Haushalte mit Pflegebedürftigen Care-Migrantinnen aus Osteuropa. Oft unter fragwürdigen Arbeitsbedingungen. Diese Frauen reisen für drei Monate in die Schweiz, arbeiten oftmals 24 Stunden an sieben Tagen pro Woche in einem Haushalt. Danach reisen sie wieder für drei Monate zurück in ihr Herkunftsland. Diese Arbeitssituation vieler Care-Migrantinnen ist prekär und bewegt sich in der rechtlichen Grauzone. Da das Arbeitsgesetz in Privathaushalten für sie nicht gilt, oder sie als Selbständige arbeiten, sind sie häufig nicht versichert, haben keine geregelte Freizeit und arbeiten unter einem grossen, physischen und psychischen Druck, da sie für ihre Klienten rund um die Uhr zur Verfügung stehen müssen.

 

In diesem Zusammenhang stellen sich folgende Fragen:

 

1. Wie viele Personen sind in unserem Kanton in Privathaushalten für Betreuungs- und Pflegetätigkeiten angestellt?

 

2. Wie viele dieser tätigen Personen sind über in- oder ausländische Agenturen angestellt und wie viele dieser tätigen Personen sind Live-Ins (leben im Privathaushalt der zu betreuenden Person)?

 

3. Wie sieht die Situation bezüglich Care-Migrantinnen im Kanton Graubünden aus?

 

4. Wie schätzt die Regierung die Arbeitsbedingungen der Care-Migrantinnen im Kanton Graubünden ein und wo sieht sie allenfalls Handlungsbedarf?

 

5. Gibt es qualitative Mindeststandards für Betreuung und Pflege in Privathaushalten? Wenn ja: Wie wird sichergestellt, dass diese eingehalten werden?

 

Chur, 18. Oktober 2016

 

Bucher-Brini, Tomaschett-Berther (Trun), Holzinger-Loretz, Atanes, Baselgia-Brunner, Brandenburger, Caduff, Cahenzli-Philipp, Casutt-Derungs, Caviezel (Chur), Danuser, Darms-Landolt, Deplazes, Dermont, Dosch, Gartmann-Albin, Geisseler, Hitz-Rusch, Jaag, Jeker, Locher Benguerel, Lorez-Meuli, Mani-Heldstab, Märchy-Caduff, Monigatti, Niederer, Perl, Pult, Rosa, Steck-Rauch, Thöny, Troncana-Sauer, Vetsch (Klosters Dorf), Widmer-Spreiter, Bonderer, Degiacomi, Gugelmann, Horrer, Natter, Vassella

Antwort der Regierung

In der Schweiz werden immer mehr ältere Menschen von Frauen aus Osteuropa gepflegt, weil viele Leute zu Hause alt werden möchten. In Graubünden stehen finanzielle Gründe dabei meist nicht im Vordergrund, weil die Kostenbeteiligung der Bewohnerinnen und Bewohner der Alters- und Pflegeheime maximal 183.60 Franken pro Tag, also knapp 5'700 Franken im Monat beträgt. Bei der Pflege und Betreuung zu Hause erbringen in der Regel die Spitexdienste die gegenüber den Krankenversicherern abrechenbaren Pflegeleistungen und die Care-Migrantinnen stellen die Betreuung sicher und besorgen den Haushalt.

Immer mehr Agenturen aus dem EU-Raum vermitteln Seniorenbetreuerinnen an Privathaushalte in der Schweiz. Das kantonale Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (KIGA) weist im Merkblatt "Kriterien für den Einsatz ausländischer Arbeitskräfte im Bereich der Hilfe und Pflege zu Hause" darauf hin, dass Haushaltshilfen in der Schweiz angestellt werden müssen. Sozialversicherungsrechtlich ist eine selbständige Erwerbstätigkeit in Privathaushalten nicht möglich.

Im Rahmen des Vollzuges der flankierenden Massnahmen überprüft das KIGA Gesuche um Beschäftigung von ausländischen Betreuungspersonen in Privathaushalten in arbeitsmarktlicher Hinsicht.

Die Regierung beantwortet die Fragen wie folgt

1. Die Zahl der im Kanton in Privathaushalten für Betreuungs- und Pflegeaufgaben tätigen Personen ist der Regierung nicht bekannt. Bekannt ist nur die Zahl der ausländischen Betreuungspersonen. Mit Stand 30.09.2016 wurden vom KIGA 81 Gesuche um Beschäftigung von ausländischen Betreuungspersonen sowie fünf Betriebe, welche Betreuerinnen in Privathaushalte verleihen, bezüglich der Erhaltung der arbeitsmarktlichen Vorschriften überprüft.

2. Es ist nicht zulässig, ausländische Haushaltshilfen über ein ausländisches Vermittlungs- oder Entsendeunternehmen als selbständig oder unselbständig Erwerbstätige in einem schweizerischen Haushalt zu beschäftigen. Über die Zahl der von inländischen Agenturen vermittelten Haushaltshilfen liegen keine Angaben vor.

3. Die Regierung geht davon aus, dass sich die Situation in Graubünden nicht anders präsentiert als in den übrigen Kantonen der Ostschweiz.

4. Die Regierung schätzt die Arbeitsbedingungen der Care-Migrantinnen im Kanton als zufriedenstellend ein. Auf Grund der Situation, dass die Nachfrage nach solchen Dienstleistungen grösser als das Angebot ist, sind die Arbeitsbedingungen in der Regel in Ordnung. Die Regierung sieht entsprechend keinen Handlungsbedarf. Für "Live-In-Haushaltshilfen", die in den Haushalten wohnen, in welchen sie arbeiten, gelten dieselben Lohn- und Arbeitsbedingungen wie für Haushaltshilfen, welche nicht im Haushalt der Arbeitgeberschaft wohnen. Diese Arbeitsbedingungen ergeben sich, soweit keine anderweitigen Abmachungen getroffen wurden, aus dem Normalarbeitsvertrag für das hauswirtschaftliche Arbeitsverhältnis des Kantons Graubünden (BR 535.200). Die wöchentliche Höchstarbeitszeit beträgt 44 Std., wobei die Arbeitszeit in der Regel um 19.30 Uhr beendet sein sollte.

5. Für rein hauswirtschaftliche und betreuerische Tätigkeiten ist keine Berufsausübungsbewilligung erforderlich. Das KIGA verlangt von den Gesuchstellern eine Bestätigung darüber, dass keine pflegerische Tätigkeit vorliegt. Wer Pflege im Sinne von Art. 7 Abs. 2 KLV leistet, benötigt eine Berufsausübungsbewilligung des Gesundheitsamtes. Die Bewilligungserteilung setzt ein vom Schweizerischen Roten Kreuz anerkanntes Pflegefachdiplom voraus.

Für die Betreuung und Pflege in Privathaushalten gibt es keine qualitativen Mindeststandards.

13. Januar 2017