Ausgangslage: Im März 2012 wurde die Totalrevision des Schulgesetzes durch den Grossen Rat beschlossen. Unter anderem fand auch die Regelung der Sonderpädagogik Eingang. Dabei gewährleistet die Schulträgerschaft das sonderpädagogische Angebot im niederschwelligen Bereich, der Kanton dasjenige im hochschwelligen Bereich. Das neue Schulgesetz (SchG) verpflichtet die Schulträgerschaften laut SchG Art. 46 bei der Umsetzung wie folgt:
Abs. 1: Die Umsetzung der nieder- und hochschwelligen sonderpädagogischen Massnahmen erfolgt bedürfnisorientiert in integrativen und separativen Schulungs- und Förderformen.
Abs. 2: Die Umsetzung erfolgt integrativ, soweit die Schulung und Förderung für die Schülerin oder den Schüler mit besonderem Förderbedarf in der Regelklasse vorteilhaft und für die Regelklasse tragbar sind.
Abs. 3: Andernfalls erfolgt die Umsetzung teilintegrativ als Gruppen- oder Einzelunterricht oder separativ in Abteilungen von Institutionen der Sonderschulung oder in Familien.
Art. 46 SchG ist mit Abs. 2 und 3 so gestaltet, dass die Schulträgerschaften verpflichtet werden, in erster Linie die sonderpädagogischen Massnahmen integrativ anzubieten. In der Praxis wird diese Vorgabe durch die Beratung des Amtes für Volksschule und Sport (AVS) auch mit Nachdruck gelebt. Der Erfolg dieser integrativen Schulungs- und Förderform ist aber höchst umstritten. Einigkeit über ein Funktionieren herrscht nur, wenn alle Gegebenheiten wie Zusammenarbeit der Lehrpersonen, Klassengrösse, Mehrklassenabteilungen, Anzahl der Kinder mit besonderen Bedürfnissen usw. optimal untereinander abgestimmt sind. Ob die Integration auch bei einem positiv verlaufenden Unterricht für die Schülerinnen und Schüler mit besonderem Förderbedarf sowie für die übrigen Kinder der Regelklasse nachhaltiger als die bisherige Praxis ist, kann nicht nachgewiesen werden. Die bisher einzig klare Erkenntnis als Folge des integrativen Förderunterrichts ist die Kostenexplosion bei den meisten Schulträgerschaften.
In der Verordnung zum Schulgesetz wird zudem in Art. 46 präventiv ein sonderpädagogisches Angebot gefordert: „Zur Gewährleistung der niederschwelligen Massnahmen, insbesondere der Förderung der Prävention sind die Schulträgerschaften gehalten, auf Kindergarten- und Primarschulstufe pro Abteilung während mindestens zwei Unterrichtseinheiten pro Woche eine heilpädagogische Fachperson in der Klasse einzusetzen.“
Obwohl mit dem Wort „gehalten“ keine Verpflichtung einer integrativen Förderung als Prävention (IFP) für die Schulträgerschaften besteht, werden seitens des Schulinspektorates auch hier mit Nachdruck IFP-Lektionen gefordert. Das Vorgehen des Schulinspektorates wird im kantonalen Schulblatt (August 2016) durch drei Schulinspektorinnen wie folgt beschrieben: „Bietet eine Schule die IFP-Lektionen nicht an, wird die Schulführung aufgefordert, eine schriftliche Stellungnahme mit pädagogischer Begründung abzugeben. In unbegründeten Fällen erfolgt eine Aufsichtsmeldung ans Amt.“ Dadurch sehen sich schlussendlich alle Schulträgerschaften verpflichtet, bedarfsunabhängig IFP-Lektionen anzubieten. Das flächendeckende Angebot an IFP-Lektionen ist wiederum ein grosser Kostentreiber für viele Schulträgerschaften.
Schlussfolgerungen: In Artikel 48 Abs. 1 SchG wird die Zuständigkeit der sonderpädagogischen Massnahmen im niederschwelligen Bereich richtigerweise den Schulträgerschaften zugeordnet. Diese Zuständigkeit soll daher auch konsequent, den lokalen Bedürfnissen entsprechend, umgesetzt werden können. Davon profitieren alle Kinder, die Lehrerschaft und die Schulträgerschaften mit gezielterem Einsatz der vorhandenen Mittel.
Die Unterzeichnenden fordern deshalb die Regierung auf:
1. Das Schulgesetz dahingehend anzupassen, dass die im Schulgesetz verankerten Schulungs- und Förderformen der sonderpädagogischen Massnahmen gleichwertig integrativ, teilintegrativ und separativ möglich sind. Zu diesem Zwecke ist Art. 46 SchG Absatz 1 folgendermassen zu formulieren: Die Umsetzung der nieder- und hochschwelligen sonderpädagogischen Massnahmen erfolgt in integrativen, teilintegrativen und separativen Schulungs- und Förderformen. Absatz 2 und 3 sind ersatzlos zu streichen.
2. Den präventiven Förderunterricht in die Kompetenz der Schulträgerschaften zu übergeben. Daher ist in der Verordnung zum Schulgesetz Artikel 46 ersatzlos zu streichen.
Chur, 7. Dezember 2016
Michael (Donat), Casanova-Maron (Domat/Ems), Cavegn, Alig, Bleiker, Buchli-Mannhart, Burkhardt, Caduff, Casty, Clalüna, Claus, Danuser, Dudli, Felix (Haldenstein), Felix (Scuol), Giacomelli, Grass, Hardegger, Heinz, Hug, Jeker, Jenny, Joos, Kasper, Koch (Tamins), Kollegger, Komminoth-Elmer, Kunfermann, Kunz (Chur), Kuoni, Lamprecht, Mani-Heldstab, Mathis, Michael (Castasegna), Müller, Nay, Niggli (Samedan), Niggli-Mathis (Grüsch), Papa, Salis, Schutz, Stiffler (Davos Platz), Stiffler (Chur), Thomann-Frank, Tomaschett (Breil), Toutsch, Troncana-Sauer, Vetsch (Klosters Dorf), Weber, Weidmann, Widmer-Spreiter, Wieland, Erhard, Pfister, Wellig