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Session: 19.04.2017

Gemäss GATT/WTO-Bestimmungen über das öffentliche Beschaffungswesen sind Bauaufträge über einem Schwellenwert von rund neun Millionen Franken offen auszuschreiben. Angebote von in- und ausländischen Anbietern sind möglich. Die Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung der Anbieter ist eine grundlegende Maxime. Unterhalb des erwähnten Schwellenwertes gelten die Bestimmungen des Submissionsgesetzes (SubG) des Kantons Graubünden. Bei Verfahren nach SubG werden ausländische Anbieter richtigerweise nicht berücksichtigt, weil in den betroffenen Nachbarstaaten das Gegenrecht bezüglich Verfahrensablauf und Rechtsschutz fehlt.

Es rechtfertigt sich, diese Praxis auch auf die regional vorhandenen, mineralischen Baustoffe und auf Rückbaumaterialien anzuwenden. In letzter Zeit ist im grenznahen Raum, insbesondere im Engadin und den Südtälern zu beobachten, dass vereinzelt auch für öffentliche Aufträge natürliche Baustoffe wie Kies, Sand oder Beton aus dem Ausland importiert werden. Im Gegenzug wird wiederverwertbares Rückbaumaterial ins Ausland exportiert. Dieser Umstand ist in zweierlei Hinsicht problematisch.

1. Materialabbaugebiete müssen raum-, richt- und zonenplanerisch festgelegt sein. Der Abbau von mineralischen Rohstoffen wie Kies und Sand erfordert umfassende Konzessionen und Bewilligungen. Der zeitliche und finanzielle Aufwand zur Erschliessung eines Abbaugebietes ist gross und in der Regel besteht die Pflicht, die Abbaugebiete nach deren Nutzung wieder zu renaturieren. Nimmt der geschilderte Import von mineralischen Baustoffen und der Export von Rückbaumaterial weiter zu, wird der gemäss Abfallplanung zu schliessende Stoffkreislauf durchbrochen. Mit durchbrochenem Stoffkreislauf wird die Renaturierung der Abbaugebiete erschwert. Der Import und Export widerspricht auch dem Grundsatz von vermehrter Verwendung von Sekundärbaustoffen, Aushubmaterial und Rückbaumaterial gemäss Aktionsplan Grüne Wirtschaft des Bundesrates vom 8. März 2013. Weiter sind die bestehenden Infrastrukturen zur Materialgewinnung und Wiederaufbereitung sowie deren Betrieb in ihrem Fortbestand gefährdet.

2. Der Kanton Graubünden ist auf Grund seiner Topografie stark gekammert und die einzelnen Talschaften sind oft nur über Pässe miteinander verbunden. Es liegt im Interesse der Versorgungsautonomie und der Handlungsfähigkeit der Regionen, beispielsweise bei Unwetter-Grossereignissen, dass in den einzelnen Talschaften rasch verfügbare Ressourcen an mineralischen Baustoffen vorhanden sind. Dies bedingt aber die Aufrechterhaltung einer minimalen Infrastruktur in den betroffenen Regionen.

Die Unterzeichnenden fordern von der Regierung, dass bei der Vergabe öffentlicher Aufträge die Interessen des Kantons, der Regionen und der Gemeinden zur langfristigen Versorgungssicherheit mit regional verfügbaren, mineralischen Baustoffen konsequent wahrgenommen werden. Mit der gesetzgeberischen Festlegung der Verfahren für die Gewinnung und Wiederverwertung dieser Stoffe greift der Staat derart stark in den Markt ein, dass auch die Vorgabe zu deren Verwendung legitim ist.

Chur, 19. April 2017

Felix (Haldenstein), Della Vedova, Felix (Scuol), Alig, Bleiker, Blumenthal, Buchli-Mannhart, Burkhardt, Casty, Danuser, Deplazes, Dosch, Foffa, Geisseler, Giacomelli, Grass, Hardegger, Hartmann (Champfèr), Heinz, Jeker, Jenny, Koch (Tamins), Komminoth-Elmer, Kunz (Fläsch), Lamprecht, Lorez-Meuli, Mani-Heldstab, Müller, Nay, Niederer, Niggli (Samedan), Niggli-Mathis (Grüsch), Papa, Paterlini, Pedrini, Salis, Schutz, Stiffler (Davos Platz), Toutsch, Valär, Weber, Widmer-Spreiter, Berther (Segnas), Erhard, Gugelmann, Hartmann-Conrad (Schiers), Heini, Lombardi, Natter, Spreiter

Antwort der Regierung

Unter dem Begriff der mineralischen Baustoffe werden Asphalt, Beton und andere Baustoffe wie Backsteine, Ziegel und ähnliche Stoffe verstanden. Bei allen mineralischen Baustoffen sind Kies und Sand als Rohstoff für die Produktion erforderlich. Gemäss kantonalem Richtplan besteht im Kanton ein Jahresbedarf an Primärrohstoffen von rund 1.5 Millionen Tonnen Kies und Sand sowie rund 1.25 Millionen Tonnen Steine, insgesamt also rund 2.75 Millionen Tonnen. Zur Deckung ihrer Bedürfnisse haben mit Ausnahme des Puschlavs alle Regionen in ihren Richtplänen geeignete und gut erreichbare Abbaugebiete ausgeschieden. Ebenso gibt es für die Ablagerung von sauberem Aushub- und Ausbruchmaterial im Umfang von jährlich rund 1.4 Millionen Tonnen genügende Volumen in den Deponien und Kiesgruben. Bei Grossprojekten oder Naturereignissen werden zudem vermehrt projektbezogene Ablagerungsstellen vor Ort bewilligt (z.B. Rüfe Val Parghera). Die Renaturierung der Deponien und Abbaugebiete erfolgt dabei ausschliesslich mit Bodenmaterial.

Im Gegensatz dazu besteht für die mineralischen Rückbaustoffe, insbesondere Ausbauasphalt, Betonabbruch oder Mischabbruch, eine Verwertungspflicht, d.h. die endgültige Ablagerung in einer Deponie ist nicht gestattet. Von 2011 bis 2015 fielen in den Bündner Sammel- und Sortierplätzen pro Jahr durchschnittlich rund 364'000 Tonnen mineralische Rückbaustoffe an. Rund 77 Prozent dieses Volumens konnten bereits als recyclierte Sekundärbaustoffe wiederverwertet werden. Für diese im schweizerischen Vergleich hohe Quote trug der Kanton mit dem verstärkten Einsatz von Recycling-Baustoffen im Strassen- und Hochbau massgeblich bei. Auch die Gemeinden und Private setzen nicht zuletzt aus Kostengründen vermehrt auf recyclierte Baumaterialien. Verbesserungspotential besteht jedoch weiterhin in der möglichst hochgradigen Wiederverwendung dieser Baustoffe.

Der Import und Export von Primärrohstoffen sowie von Ausbauasphalt mit einem Gehalt an polycyclischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) bis 250 mg/kg und von Betonabbruch ist gemäss internationalen Umweltabkommen bewilligungsfrei und unbeschränkt möglich. Nur für den Mischabbruch bedarf es einer Ausfuhrbewilligung des Bundes und einer Einfuhrbewilligung des Empfängerstaates. Diese Bewilligungen werden erteilt, wenn die Wiederverwertungsprozesse im Ausland gesichert sind und die Aufbereitung des Mischabbruchs umweltverträglich sowie nach dem Stand der Technik erfolgt. Heute verfügen nur zwei grenznahe Betriebe im Unterengadin und im Puschlav über eine Bewilligung für die Ausfuhr von Mischabbruch im Umfang von 6'100 Tonnen pro Jahr (1.7 Prozent aller mineralischen Bauabfälle). Davon wird ein grosser Anteil wieder in die Schweiz importiert und als Sekundärbaustoff verwendet.

Das Beschaffungsrecht von Bund und Kantonen hat zum Zweck, den wirksamen Wettbewerb zu fördern sowie die Gleichbehandlung aller Anbieter und den wirtschaftlichen Einsatz öffentlicher Mittel sicherzustellen. Gemäss Binnenmarktgesetz haben alle Personen mit Niederlassung oder Sitz in der Schweiz Anspruch auf freien, ungehinderten Marktzugang auf dem gesamten Gebiet der Schweiz. Das öffentliche Beschaffungsrecht trägt diesen Vorgaben Rechnung, indem es Anforderungen oder Hinweise in Bezug auf einen bestimmten Ursprung eines Produktes als unzulässig erklärt. Eine Anordnung zur konsequenten Verwendung von regionalen Baustoffen bei Beschaffungen der öffentlichen Hand würde dieser Regelung zuwiderlaufen und einzelne Anbieter und Lieferanten in wettbewerbsverzerrender Weise bevorteilen.

Ein behördlicher Markteingriff ist auch aus versorgungspolitischen und umweltmässigen Überlegungen nicht anzeigt, da die Versorgungsautarkie mit Primärrohstoffen in den Regionen mit Ausnahme des Puschlavs langfristig gesichert ist und der Export von mineralischen Bauabfällen als marginal bezeichnet werden kann. Dank der Wiederverwertung dieser Rückbaustoffe werden auch keine Stoffkreisläufe durchbrochen. Die Regierung beantragt deshalb, den Auftrag abzulehnen.

22. Juni 2017