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Session: 17.10.2017

Die Coiffeurbranche ist nicht erst in jüngster Zeit eine hart umkämpfte Branche. Davon zeugt nicht zuletzt der Gesamtarbeitsvertrag (GAV) für das schweizerische Coiffeurgewerbe, welcher vom Bundesrat im Jahr 2010 für allgemeinverbindlich erklärt und letztmals am 17. August 2017 verlängert wurde. Dass der Preiskampf hart ist, zeigen auch einige Bestimmungen dieses GAV auf. So liegt der Lohn für gelernte Arbeitnehmende mit Eidgenössischem Fähigkeitszeugnis (EFZ) bei bloss 3'800 Franken, für Lehrabgänger/innen bei 3'400 Franken.

In Bündner Zentrumsorten sorgen nun grosse neue Coiffeur-Salons für Aufsehen, welche mit schier unglaublichen Tiefpreisen werben. Unweigerlich stellt sich die Frage, ob bei solchen Preisen der allgemeinverbindliche GAV, aber auch andere Vorgaben wie die Abgabepflicht der Mehrwertsteuer sowie ausländerrechtliche Bestimmungen (gültige Arbeitsbewilligungen) eingehalten werden.

Die Regierung wird daher um Beantwortung der folgenden Fragen ersucht:

1. Mit welchen konkreten Massnahmen wird die Einhaltung des GAV für das schweizerische Coiffeurgewerbe in Graubünden überprüft? Welche Kontrolltätigkeiten haben diesbezüglich in den Jahren 2014 bis 2016 konkret stattgefunden und welche Sanktionen wurden ausgesprochen?

2. Wie wird überprüft, dass die in der Coiffeurbranche tätigen Arbeitgeber nur Mitarbeitende beschäftigen, welche über eine gültige Arbeitsbewilligung verfügen? Welche Kontrolltätigkeiten haben diesbezüglich in den Jahren 2014 bis 2016 konkret stattgefunden und welche Sanktionen wurden ausgesprochen?

3. Hat die Regierung Möglichkeiten, die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) über mutmassliche Umgehungen von der Pflicht zur Abgabe der Mehrwertsteuer hinzuweisen respektive zur Anzeige zu bringen? Wurde dies in der Coiffeurbranche in den Jahren 2014 bis 2016 genutzt?

4. Kann die Regierung weitere Massnahmen zur Sicherstellung eines fairen Marktes in der Coiffeurbranche in die Wege leiten?

Chur, 17. Oktober 2017

Degiacomi, Widmer-Spreiter, Atanes, Baselgia-Brunner, Blumenthal, Bucher-Brini, Burkhardt, Cahenzli-Philipp, Caluori, Caviezel (Chur), Deplazes, Dermont, Jaag, Kappeler, Kunfermann, Monigatti, Nay, Niederer, Noi-Togni, Perl, Peyer, Pfenninger, Pult, Tenchio, Thöny, Decurtins-Jermann, Ruckstuhl

Antwort der Regierung

Es trifft zu, dass die Coiffeurbranche seit vielen Jahren einem relativ harten Konkurrenzkampf ausgesetzt ist, was sich bei vielen Unternehmen auch auf die Preise und Einkommenssituation auswirkt. Das Coiffeurgewerbe verfügt über einen allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsvertrag (GAV), welcher unter anderem die Mindestlöhne für die gelernten und angelernten Angestellten dieser Branche regelt. Die Mindestlöhne von ungelernten Arbeitskräften regelt der GAV nicht. Die Überprüfung der Einhaltung des GAV ist nicht Aufgabe des Staats, sondern der von den Sozialpartnern eingesetzte Paritätischen Berufskommission. Nicht dem GAV unterstellt sind die vielen selbstständigen Coiffeusen und Coiffeure.

Zu Frage 1: Die Regierung geht davon aus, dass die Paritätische Berufskommission für das Coiffeurgewerbe (wie die Paritätischen Berufskommissionen anderer Branchen) die Lohn- und Arbeitsbedingungen von Angestellten in Coiffeurgeschäften überprüft. Die Regierung hat keine Kenntnis darüber, wie viele Kontrollen in den Jahren 2014 bis 2016 durchgeführt und welche Sanktionen ausgesprochen wurden.

Zu Frage 2: Aufgrund des Personenfreizügigkeitsabkommens (FZA) haben Arbeitskräfte aus dem EU/EFTA-Raum einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Arbeitsbewilligung in der Schweiz, weshalb es bei diesen ausländischen Arbeitskräften kaum zu Verstössen gegen die Bewilligungspflicht kommt. Seitens des Amts für Migration und Zivilrecht sind in der Coiffeurbranche in den letzten Jahren keine spezifischen Kontrollen veranlasst worden. In der Regel werden nur Kontrollen in Auftrag gegeben, wenn seitens der Gemeinden, von Dienststellen oder von Privaten Anzeigen vorliegen. Bei EU/EFTA-Bürgerinnern und -Bürgern stellt eine fehlende Bewilligung allerdings lediglich einen Übertretungstatbestand dar.
Die Beschäftigung von vorläufig Aufgenommenen, Asylbewerbern und Flüchtlingen bedarf einer entsprechenden Arbeitsbewilligung, welche der Kanton erteilt. Dabei überprüft das Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (KIGA) in jedem Einzelfall den Arbeitsvertrag auf seine GAV-Konformität bzw. auf die Einhaltung der orts- und berufsüblichen Lohn- und Arbeitsbedingungen. In den Jahren 2014 bis 2016 hat das KIGA auf entsprechende Anzeige hin zwei Kontrollen in Geschäften vorgenommen, welche Drittstaatsangehörige beschäftigen. Geprüft wurden die Löhne nach Orts- und Berufsüblichkeit, da der GAV die Mindestlöhne von Hilfsarbeitskräften nicht regelt. Zudem wurde überprüft, ob die notwendigen Arbeitsbewilligungen vorliegen. In den genannten Fällen konnten keine Verstösse festgestellt werden.

Zu Frage 3: Die Steuerverwaltung nimmt betreffend Mehrwertsteuer keine Vollzugsaufgaben oder Funktion wahr. Die Finanzverwaltung ist für die MWST-Abrechnungen der kantonalen Verwaltung sowie die Beratung der Dienststellen in MWST-Fragen zuständig. Die Kontrolle von privaten Betrieben ist Sache des Bundes (vgl. MWST-Kontrolle durch die Eidgenössische Steuerverwaltung (1) und KMU-Portal (2)). Es gibt demnach keine Zuständigkeiten und keine Möglichkeiten, hier aktiv zu werden.

Zu Frage 4: Soweit sich die Unternehmen im erwähnten vorgeschriebenen Rahmen bewegen, bestehen für die Regierung derzeit keine weiteren Möglichkeiten und Instrumente, um in den Markt der Coiffeurbranche einzugreifen.
Hinzuweisen ist darauf, dass sich die Branche und die Gewerkschaften am 21. Mai 2017 auf einen neuen GAV geeinigt haben, der allerdings vom Bund noch allgemeinverbindlich erklärt werden muss. Danach werden auch Arbeitskräfte ohne anerkannte Ausbildung dem GAV unterstellt. Daneben haben sich die Sozialpartner auch auf Instrumente zur Bekämpfung der Scheinselbstständigkeit (missbräuchliche „Stuhlmiete“) geeinigt.

(1) https://www.estv.admin.ch/estv/de/home/mehrwertsteuer/fachinformationen/mwst-kontrolle.html

(2) https://www.kmu.admin.ch/kmu/de/home/praktisches-wissen/finanzielles/steuern/mwst/mehrtwertsteuer-kontrolle-durch-die-estv.html

21. Dezember 2017